forlaufend
inner-120
halb weiter Grenzen [* 3] den Verhältnissen des Nähr- substrats anzupassen vermögen; dies befähigt sie sicherlich außerordentlich zu ubiquitärer Verbreitung und mannigfaltigster Ausnutzung der Nährstoffe. Viele V. enthalten in ihrem Zellleib Farbstoffe, die jedoch eine sehr verschiedene physiol. Bedeutung haben können;
entweder stellen sie einfach wertlose Exkretc dar, oder es handelt sich um Bestandteile des Zellleibes, denen bestimmte Funktionen zugewiesen sind;
zu letztern
Bakterien
, die von Veyerinck als chromo- phore
Arten im Gegensatz zu den ersterwähnten chro- moparen Bakterien
bezeichnet werden, gehören
z. B. die wenigen
Arten, die echtes
Chlorophyll führen und wie Pflanzenzellcn im
Sonnenlichte
Kohlensäure zu assimilieren vermögen;
ferner einige Arten, die ein dem Chlorophyll verwandtes, aber anders, z. V. rot, gefärbtes Chromophyll enthalten und ebenfalls im stände sind, die Energie der Sonnenstrahlen aus' zunutzen.
Einige
Arten enthalten in ihrem Zellleib
auch Schwefelkörner, andere haben eine mit
Eisen- oxyd imprägnierte Scheide; doch sind dies mehr ver- einzelte Befunde ohne
allgemeine Bedeutung für das Verständnis der Lebcnsprozesse der V. überhaupt. In ihren Ernährungsverhältnissen
zeigen die V. ganz außerordentliche Verschiedenheiten je nach ihren verschiedenen
Arten, wie man sie sonst bei morpho- logisch
so nahe stehenden Organismen derselben
Klasse kaum vorfindet. Im allgemeinen decken die Bakterien
ihren Nährstoffbedarf am besten
aus komplizier- ten organischen Verbindungen, wie sie z. V. massen- haft als Abfallstosfe tierifchen
und pflanzlichen Lebens erzeugt werden; hierdurch nähern sie sich dem Ver- halten der
Tiere und
Pilze
[* 4] und unterscheiden sich
streng von den höhern chlorophyllführendcn
Pflan- zen, die ihre Leibessubstanz mit Hilfe der
Energie des
Sonnenlichts aus
einfachsten
Stoffen, nämlich
Kohlensäure, Wasser und
Nitraten, aufbauen.
Eine Ncihe von Bakterien
ist überhaupt ausschließlich auf eine solche
Ernährung mit hoch komplizierten organischen Verbindungen
angewiesen, so eine große Anzahl krankheitserregender Bakterien;
manche derselben vermögen überhaupt nur innerhalb
des lebenden menschlichen Körpers zu wuchern und gehen selbst in seinen un- mittelbaren Sekreten nach kurzer
Zeit zu
Grunde, wie z. B. die bisher noch unbekannten
Syphilis- erreger; einige wiederum sind so wählerisch, daß sie nur
aus wenigen ganz bestimmten
Stoffen ihren Nährstosfbedarf decken und ohne dieselben nicht zu existieren vermögen, wie z. B.
die Influenzabacillen notgedrungen auf den
Blutfarbstoff, das
Hämo- globin, angewiesen sind.
Andere V. hingegen ver- mögen ihre Ernährung ebensowohl aus relativ ein- fachen Stoffen, wie aus den komplizierten unmittel- baren Abkömmlingen des tierischen Stoffwechsels zu bestreuen; so ist es gelungen, viele Krankheitserreger, sogar neuerdings den Tuberkclbacillus, auf relativ sehr einfachen Nährböden künstlich zu züchten. End- lich sind eine große Zahl von den massenhaft in der Natur vorkommenden Saprophyten befähigt, auch mit den einfachsten Stoffen auszukommen, und stellen auch quantitativ so geringe Ansprüche, daß sie selbst in reinem destilliertem Wasser durch Ausnützung der darin enthaltenen minimalen Stoffmengen zu üppig- ster Vermehrung befähigt sind.
Eine ganz eigen- artige
Stellung ihrer
Ernährung nehmen die
Nitro- bakterien
und die stickstofffixierenden
V. ein. Die von Winogradsky erst neuerdings entdeckten
Nitrobakterien, welche im
Boden in ungeheurer Verbreitung vorkommen
und
hier die Umwandlung des
Ammoniaks, des stickstoffhaltigen Endprodukts tierifchen
Stoffwechsels, in die für die
Pflanzen
ver- wertbaren
Nitrate bewirken und demnach das lange gesuchte Salpeterfermcnt darstellen, decken ihren ge- samten Bedarf
an
Kohlenstoff, wie die höhern
Pflan- zen, aus der atmofphürifchen
Kohlensäure; dieses Verhalten ist um so merkwürdiger
und von geradezu fundamentaler Bedeutung, als die Ni.trodcckt.eri.en nicht mit
Chlorophyll ausgestattet sind und die
Energie
der Sonnenstrahlen nicht ausnützen, sondern ohne Mitwirkung des Lichtes die vollständige
Syn- these des lebenden
Eiweißes
von der freien
Kohlen- säure ausgehend vollziehen; die
Nitrobakterien bilden hiernach in ihrem physiol.
Verhalten den Übergang zu den
Pflanzen, während die obligaten
Parasiten unter den V. die größte
Annäherung an den tierischen
Stoffwechsel erkennen lassen.
Die ausschlaggebende Rolle übrigens, die man dem
Chlorophyll früher für die
Synthese der lebenden
Substanz
aus ein- fachsten Verbindungen, speciell aus
Kohlensäure, zu- schrieb, wird nach dem Verhalten der
Nitrobakterien eine wesentliche
Einschränkung erfahren müssen; das
Chlorophyll ist bei den höhern
Pflanzen wahrschein- lich nur ein für den genannten Zweck
besonders differenziertes Organ oder ein Hilfsapparat. Fast noch merkwürdiger als das Verhalten der
Nitrobakterien ist
jedoch die Fähigkeit gewisser im
Boden wuchernder und in den Wurzelknöllchen der
Leguminosen
[* 5] schmarotzender Mikroorganismen,
der stickstofffixierenden Bakterien
, die den freien
Stickstoff der
Atmosphäre zum
Aufbau ihrer Leibesfubstanz verwerten und demgemäß
den Gehalt des
Acker- bodens an wertvollem stickstoffhaltigem Nährmaterial für Kulturgewächse nicht nur nicht vermindern,
son- dern bedeutend erhöhen, Verhältnisse, die für die
Landwirtschaft von größter Tragweite sind.
Wie der freie
Stickstoff, diefer in seiner chem. Reaktions- fähigkeit doch überaus trüge Körper, die
chem. Ver- bindung mit andern Elementen eingeht, um das
Molekül des lebenden
Eiweißes zu bilden, ist noch unklar; vielleicht
wird zuerst durch Gärthätigkeit
Wasserstoff frei und verbindet sich in 8ww uiiäcenäi mit dem
Stickstoff
zu
Ammoniak, von wo aus der
Aufbau des lebendigen
Eiweißes in ähnlicher
Weise wie bei andern V. erfolgen könnte. Ebenso merkwürdige
Variationen wie die eben be- sprochenen Ernährungsverhültnisse zeigt das Ver- halten der V. zum Sauerstoff. (S.
Anaerobien.)
Die Produkte des
Stoffwechsels der Bakterien
zeigen eine außerordentliche Mannigfaltigkeit; von praktischer
Wichtigkeit sind insbesondere die
Gifte derB. (Toxine,
Toxalbumine), welche für ihre Rolle als
Krankheits- erreger eine hohe
Bedeutung besitzen, sowie die isolier- baren Fermente, durch die sehr weitgehende Um- setzungen im Nährmatcrial, oft von
größter Bedeu tung für die
Technik, hervorgerufen werden. Viele V. vermögen außerdem Gärungen verschiedener
Art zu erregen.
Über die krankheitserregende Wirkung der V. endlich s.
Ansteckung (Bd. 1),
Infektionskrank- heiten (Bd. 9)
und
Kontagium (Bd. 10). Neben diesen mannigfaltigen, im wesentlichen
chem. Leistungen und der bereits besprochenen aktiven Lokomotion sind manche V. noch zu besondern
Leistungen fähig; so bewirken einige durch ihren Lebensprozeß intensive Temperaturerhöhung im Nährmedium,
z. V. im
Dünger, im Heu, in der
Baumwolle;
[* 6] wahrscheinlich sind die Selbstentzündun- gen der letztern ebenfalls auf solche
intensive Wärme- produktion durch Bakterien
zurückzuführen.
Andere Bakterien
¶
forlaufend
121
zeigen Lichtentwicklung und können z. V. am Mcer- leuchten beteiligt sein; in der That ist es schon ge- lungen, in Aquarien
künstliches Meerleuchten durch Bakterien
zu bewirken-, die Lichtstärke ist zuweilen sehr er- heblich, so daß man
z. B. Kulturen solcher V. in ihrem eigenen Licht
[* 8] photographieren kann. Von ausschlaggebendem
Einfluß auf die Lebens- thätigkeit der V. ist die Temperatur. Jedes Bak- terium gedeiht nur innerhalb eines bestimmten Tem-
peraturbereichs, dessen untere Grenze als Tempera- turmimmum, dessen obere als Maximum bezeichnet wird.
Innerhalb dieses Temperaturbereichs existiert ein, meist dem Marimum genähertes, Tcmperatur- optimum,d. h. ein Grad, bei welchem sämtliche Lcbens- äußerungen, Atmung, Stoffwechsel, Bewegung, Fort- pstanzuna, am intensivsten und schnellsten vor sich gehen. Minimum, Marimum und Optimum sind bei verWe^enen Arten sehr verschieden;
die meisten Ar- ten wachsen zwischen ^ 5" bis -^ 10" einerseits bis zu der obern Grenze von etwa - 40";
das Optimum liegt dabei dei den saprophytischen Arten tiefer, etwa , bei 20-25°, als bei den parasitischen, die bei 37- ! 38° am besten gedeihen.
Außerdem giebt es nun aber nach oben und nach unten hin je eine bemerkens- werte Gruppe, die eine Ausnahmestellung einnimmt; eine Reihe von V., die besonders von Fischer in Kiel [* 9] studiert wurden, vermag noch bei 0° üppig zu wuchern und ihre volle Lebcnsthütigkeit aus- zuüben, während eine andere Gruppe, die der ther- mophilen Bakterien, die von Globig und Nabinowitsch un- tersucht wurden, ihr Optimum über 50" bat und noch über 70" energischer Vermehrung fähig ist.
Ab- gesehen indessen von dieser ausnahmsweise vorhan- denen Ausdehnung [* 10] der Existenzbedingungen, die bei den V. gegenüber andern Lebewesen auch schon in den Ernührungsverhältnissen auffällt, äußert sich der Einfluß der Temperatur in principiell ganz gleicher Weise wie bei allen andern Lebewesen, ab- gesehen von den höchsten, warmblütigen Tieren, in denen durch sinnreiche automatische Negulations- wirkungen die Temperatur des Organismus stets schon auf dem Optimum erhalten wird und daher der Einfluß der Außentemperatur nicht direkt zur Anschauung gelangt; vom Minimum bis zum Opti- mum steigt die Lebcnsenergie stetig mit zunehmender Geschwindigkeit; jenseit des Optimums beginnt eine sich außerordentlich rasch steigernde Schädigung, die endlich zu völliger Wachstumshemmung und zu Ab- sterben führt.
Nicht so unterhalb des Minimums. Hier wird das Leben nicht beeinträchtigt oder ver- nichtet, sondern nur sistiert und in latenten Zustand übergeführt;
die Bakterien verfallen in eine Art Kültestarre, in der sie lange Zeit unbeschädigt konserviert werden können und, sobald wieder günstige Lebensbedingun- gen eintreten, alle ihre Lebensäußerungen mit un- veränderter Energie wieder aufnehmen.
Gegen Kälte sind V. überhaupt sehr widerstandsfähig;
viele Arten, selbst pathogene, können im Freien überwintern und vertragen selbst mehrmaliges Auftauen und Wieder- gefrieren;
einige Formen gingen sogar nach stunden- langer Einwirkung eines künstlichen Kältegemischcs von -110" ^. noch lebend hervor.
Gegen hohe Temperaturen dagegen sind die V., abgesehen von den resistenten Sporen, viel empfindlicher und sterben hierbei rasch ab. In der Natur kommen sür die Ab- tötung der V. außerdem noch drei Momente haupt- sächlich in Betracht: zunächst die Erschöpfung des Nährbodens, wie sie besonders unter günstigen Temperaturbedingungen auf beschränktem Nähr- substrat schon durch die eigene rapide Entwicklung und Aufzehrung aller Nährstoffe, teilweise noch unter stetem Kampf ums Dasein mit andern kon- kurrierenden Bakterien, sehr rasch zu stände kommt; die- selbe ist neuerdings auch in künstlichen Kulturen beobachtet und ihre geradezu staunenswerte Wirk- samkeit zahlenmäßig festgestellt worden.
Von mäch- tigster Wirkung auf viele empfindlichen V. ist ferner die Austrocknung; ein drittes, erst neuerdings in seiner Bedeutung im großen gewürdigtes Moment endlich ist die Einwirkung des Sonnenlichts, welche außerordentlich verderblich für die Bakterien ist und wahrscheinlich bei der Selbstreinigung der Flüsse [* 11] eine bedeutsame Rolle spielt. Diesen Faktoren gegen- über tritt die künstlich durch mechan. Erschütterun- gen und vor allem durch chemische Einwirkun- gen (Desinfektion) [* 12] zu erzielende Vernichtung der in der Natur völlig in den Hintergrund.
Die schädigende Einwirkung äußerer Momente auf V. äußert sich in Entwicklungshemmung oder Beein- trächtigung von Funktionen oder völliger Abtötung. Außer ihrer parasitischen Lebensweise finden die Bakterien ibre Stätte in der Natur hauptsächlich im Boden, im Wasser, in Nahrungsmitteln;
in der Luft kommen zwar die Bakterien ebenfalls fast stets in wechselnder Menge vor; einer Vermehrung in der Luft sind sie zwar, da sie stets im ausgetrockneten Zustande oder als Sporen in ihr enthalten sind, nicht fähig;
doch dient die Lust ihnen als Transportmittel und über- trägt sie durch ihre Strömungen in alle offen stehenden gär- oder fäulnisfähigcn Substrate, bewirkt also die ubiquitäre Verbreitung der saprophytischen Arten. Die Rolle der Bakterien im Kreislauf [* 13] der Natur besteht wesentlich darin, die massenhaften Abfälle tierischen Stoffwechsels und die toten höhern Organismen selbst rasch bis zu den letzten einfachsten Zersetzungs- produkten: Wasser, Kohlensäure, Ammoniak, zu zerlegen;
diese Arbeit wird durch die gewöhnlichen Fäulnisbakterien geleistet, ihre Arbeit wird dann durch die Nitrobakterien vervollständigt, die das Ammoniak, das Endprodukt der Fäulnis stickstoff- haltiger tierischer Absallstosfe, zu Nitrat oxydieren und so für die Pflanzen nutzbar machen.
Diese letztern bauen aus dem Nitrat pflanzliches Eiweiß auf, welches dann durch die Tiere (bei den Pflanzen- fressern direkt, bei den Fleischfressern indirekt) in tierisches Protoplasma umgewandelt wird, um end- lich durch den tierischen Stoffwechsel zu zerfallen und nach endgültiger Zerlegung durch die Fäulnis und wieder erfolgter Nitrisikation den Kreislauf des Stickstoffs in der Natur in der Pflanze von neuem anzuheben. Die und zwar zuerst die Nitro- bakterien, bewirken ferner die erste Bildung einer Humusschicht auf nacktem Felsboden und liefern so für späteres Leben höherer Arten erst die Basis.
Der für die Landwirtschaft so bedeutungsvollen stickstoff- fixierenden Tbätigkeit einiger Bodenbakterien ist schon oben gedacht worden. Ferner spielen die V. in der Technik eine bedeutsame Rolle, teils als er- wünschte Helfer, teils als ungebetene störende Gäste in den Gärungsgewerben. Ihre Bedeutung endlich für die Heilkunde bedarf keiner weitern Auseinander- setzung. Neuerdings hat man sich auch in einzelnen Fällen die krankheitserregende Wirkung der Bakterien nutz- bar zu machen gesucht, indem man unter schädlichen Tieren absichtlich Seuchen zu erregen versuchte; in der That ist es auf diese Weise gelungen, die Mäuse- Plage in Thessabien zu beseitigen (s. Mäusetyphus- bacillen, Bd. 11). ¶