Baikalsee
(russ. Sswjátoje More, chines. Pehai, »Nordmeer«, mongol. Dalai Nor, »heiliges Meer«, später Baikul, »reicher See«, tungus. Lan), eins der größten Wasserbecken der Erde, im südlichen Sibirien, Gouvernement Irkutsk, zwischen 51° 28'-55° 50' nördl. Br. und 103° 45'-110° 20' östl. L. v. Gr., in langgestreckter, fast sichelförmiger Gestalt von NO. nach SW., zwischen meist schroff aufsteigenden Felswänden liegend, in der Meereshöhe von 408 m. Seine Längenausdehnung beträgt 623 km, seine Breite zwischen 15 und 82 km; seinen Umfang schätzt man auf 1974 km, der Flächeninhalt beträgt 34,932 qkm (635,1 QM.). Ähnlich wie beiden Schweizerseen, denen der auch in der Gestalt gleicht, ergießen sich in denselben eine Menge von Gewässern (über 200), während ein großer Strom, die schiffbare, aber reißende Untere Angara im SW., zum Jenissei abfließt.
Die Hauptzuflüsse bilden die Obere Angara, die am Nordende in mehreren Mündungen einfällt, der Bargusin und die Selenga, beide auf der südlichen Ostseite. Unter den stark bewaldeten Gebirgen, welche den Baikalsee einschließen, unterscheidet man das östlich von der Untern Angara lagernde malerische Baikalgebirge, welchem die Quellflüsse der Lena entspringen. Syenite und Gneise streben in Steilwänden oft 100 m an, und mächtige Konglomerate erheben sich aus dem See 180-210 m. Die Gipfel des Baikalgebirges erreichen eine Höhe von nahezu 2000 m, aber nicht die Grenze des ewigen Schnees.
Die Kamardabankette umlagert den Süden des Sees; im NO. bildet das Bauntische Gebirge (ca. 1800 m hoch) die Wasserscheide zwischen dem und dem Witimfluß und setzt sich als östliches Randgebirge des Sees fort. An den Ufern des Sees gibt es verschiedene heiße Quellen, so am Bargusin und an der Turka, letztere von einer Temperatur von 44° R. und mit Badeeinrichtung versehen. Das Wasser des Baikalsees ist süß, durchsichtig und kalt, von fern gesehen tiefblau. Im Sommer bedeckt es sich mit Konserven, und das Meer blüht, wie die Anwohner (Buräten und Tungusen) sagen. Um diese Jahreszeit vermitteln Dampfer der Kiachtakompanie, die auf diese Weise ihren Thee verfrachtet, den Verkehr zwischen Bojarsk am Südufer und der Irkutsk zunächst gelegenen Station Listwennitzwaya. Im allgemeinen machen heftige Winde die Schiffahrt gefährlich.
Von Ende Oktober bis ins Frühjahr ist der See zugefroren, und der Verkehr wird dann durch Schlitten vermittelt. Um die südliche Spitze des Sees führt seit kurzem eine etwa 200 km lange, an landschaftlichen Schönheiten reiche Straße. Im übrigen sind die Ufer wild und öde. Unzählige Scharen von Möwen, Seeraben (Baklan) und höher von Turmschwalben nisten in den Felsen. An Fischen, namentlich Herbstlachsen (Salmo omul) und Stören, ist der Baikalsee sehr reich und versorgt beinahe das ganze Gouvernement.
Ein dem Baikalsee eigentümlicher Fisch ist der einem fliegenden Fisch ähnliche Callonimus baical (Glomynka). Von größern Wassertieren findet man nur Robben (Nerpa). Muscheln gibt es im B. nicht, aber auf den Steinen am Grunde des Sees wächst eine eigentümliche Art Schwamm, der hinsichtlich der Form den Korallen gleicht, von gelbgrauer Farbe und im Wasser weich ist, an der Luft aber rauh und spitzig wird und von den Silberarbeitern in Irkutsk zum Polieren der Metalle gebraucht wird. In der Bucht zwischen der Insel Olchon und dem festen Land gibt es auch Mollusken. - Der Ursprung des Sees ist auf vulkanische Thätigkeit zurückzuführen; Erderschütterungen und Seebeben bei ganz ruhiger See kommen jetzt noch vor.
Die größte Tiefe des Sees beträgt 1248 m und liegt am südwestlichen Ende. Eine merkantile Bedeutung kommt dem Baikalsee dadurch zu, daß die große Karawanenstraße von Kiachta durch das von S. her ausmündende Selengathal ihn berührt; dies bringt vielen Bewohnern seiner Ufer bedeutenden Erwerb, und berücksichtigt man die Ausbeute an Pelztieren, den Herdenreichtum im obern Selengathal, die Fischerei im See sowie den Überfluß an Bauholz, so erscheint der Baikalsee um so bedeutender in seiner Einwirkung auf den russisch-sibirischen Handel.
Vgl. Radde, Beschreibung des Baikal und seiner Uferländer (in »Extraits des publications de la Société géographique de Russie en 1856-57«).