Hauptstadt des gleichnamigen asiatisch-türk.
Wilajets, unter 33° 20' nördl.
Br. zu beiden
Seiten des
Tigris gelegen, die weltberühmte Kalifenstadt, einst die Metropole der mohammedanischen Herrschaft, die einzige
noch übriggebliebene der großen
Städte dieses
Landes. Der neuere und größere Teil derselben liegt am östlichen
Ufer des
Tigris und ist mit den
Ruinen des alten an der Westseite des
Flusses durch eine 200 m lange
Schiffbrücke
verbunden.
Vom
Fluß aus gewährt Bagdâd noch heute einen großartigen Anblick; allein die Täuschung verliert sich, sobald
man das
Innere der Stadt betritt. Sie hat einen
Umfang von etwa 14 km und ist von einer 13 m hohen, zum Teil verfallenen, von
halbkreisförmigen
Türmen überragten Ziegelmauer und einem tiefen, trocknen
Graben umgeben. Gegen den
Tigris hin liegt die nicht sehr umfangreiche
Citadelle. Die Bauwerke der
Kalifen sind meist verschwunden, nur einzelne
Moscheen
sowie die
Türme und die drei
Thore erinnern noch an die einstige
Größe der Stadt.
Üppige Dattelpflanzungen und
Gärten erscheinen zwischen den mit bunten
Ziegeln gedeckten
Kuppeln und schlanken
Minarets der
Moscheen. Die
Häuser sind um einen
Hof
[* 2] herum, mit
Hallen gegen denselben, fast durchgängig aus kleinen Lehmziegeln
erbaut, die
Straßen, wie in allen
Städten des
Orients, eng, krumm und ungepflastert, zu beiden Seiten kahle
Wände darbietend,
mit schmalen
Thoren und spärlichen, vergittertenFenstern. Bagdâd besaß einst eine unglaubliche
MengeMoscheen,
Kapellen und
Bethäuser, viele moslemische Klöster (Tekkie), besonders vom Derwischorden, sowie zahlreiche berühmte Koranschulen
(Medressen).
Letztere sind nur noch dem
Namen nach vorhanden; von den
Klöstern bestehen noch zwei, und auch von den
Moscheen liegen die meisten
längst in Trümmern. Unter den (30) noch vorhandenen verdienen die Dschamah el Suk el Gazel als die
älteste und die Dschamah el Merdschamiah mit Resten von altem Arabeskenwerk Erwähnung.
Chane
(Karawanseraien) besitzt Bagdâd gegen
30, die jedoch hinsichtlich ihrer Bauart denen in
Diarbekr und
Orfa nachstehen. Die berühmten
BazareBagdâds bilden lange,
ziemlich breite, mit gewölbtem
Mauerwerk gedeckte
Gänge und enthalten einen großen
Reichtum an orientalischen
Waren (s. unten).
Die öffentlichen
Bäder (mehr als 50), einst aufs beste eingerichtet, sind gegenwärtig weniger gut als in andern
StädtenMesopotamiens.
Reich ist an Grabstätten berühmter und heiliger
Personen, die es von alters her zu einem vielbesuchten Wallfahrtsort
gemacht haben. Vom alten
Palast der
Kalifen ist keine
Spur mehr vorhanden; aber noch wölbt sich malerisch der
Dom des
Grabmals
der Zobeide, der Gemahlin
Harun al Raschids, ein einzelner Rest aus der alten glorreichen Zeit.
Die Zahl der Einwohner Bagdâds betrug um 1650 nur an 15,000, dagegen in der zweiten Hälfte des vorigen
Jahrhunderts an 100,000. Durch eine furchtbare
Pest 1773
verlor die Stadt an 60,000
Menschen, hob sich darauf wieder bis auf
150,000 Einw., bis sie 1831 von neuem durch eine schreckliche
Pest heimgesucht ward, welche, verbunden mit
Hungersnot und einer
Überschwemmung des
Tigris, die Einwohnerzahl wieder auf weniger als ein Drittel herabbrachte. Gegenwärtig
wird dieselbe auf 50-80,000 geschätzt.
gegenwärtig
verfertigt man für den auswärtigen
Handel nur noch grobe Baumwollzeuge für die
Beduinen und seidene Umschlagtücher.
Dagegen
behauptet Bagdâd als Handelsplatz immer noch eine große Bedeutung, wiewohl sich dieselbe während
der letzten Jahrzehnte beträchtlich vermindert hat. Die
Bazare und
Chane der Stadt enthalten eine reiche Auswahl an
Waren,
insbesondere auch persische
Shawls und
Teppiche, indische
Stoffe von
Seide und
Baumwolle
[* 8] und europäische Manufakturwaren (gestreifte
Kattune,
Garne,
Waffen,
[* 9] besonders Doppelflinten und lange Flintenläufe,
Kupfer- und Tuchwaren). Die große
Anzahl von persischen
Pilgern, die jährlich nach den unfern Bagdâd liegenden Wallfahrtsorten
Kerbela und
Meschhed Ali sowie nach
Mekka ziehen, machen daselbst starke Ankäufe.
VonBagdâd nachBasra gehen
Handelsdampfer, welche dort an die Dampferlinie zwischen dieser Stadt,
Karatschi und
Bombay
[* 14] Anschluß haben.
Bagdâd wurde 762-766 von
Almansor, dem zweiten abbassidischen
Kalifen, als
Residenz erbaut.
Harun al Raschid
erweiterte die anfangs auf das westliche Tigrisufer beschränkte Stadt und verband beide Stadtteile durch eine
Schiffbrücke.
Auch als Sitz höchster
Bildung und
Gelehrsamkeit war das glänzende und reiche Bagdâd bald berühmt. Der
KalifAl Mostanser stiftete
eine reich ausgestattete
Akademie, namentlich für
Heilkunde,
Alchimie und Apothekerkunst, die das
Muster
aller islamitischen
Akademien ward.
Zur Zeit seines
Glanzes (10. und 11. Jahrh.) soll Bagdâd 12,000
Mühlen,
[* 15] 12,000
Karawanseraien, 100,000
Moscheen, 60,000
Bäder und
80,000
Bazare und 2 Mill. Einw. gehabt haben. 1258 wurde mit dem Kalifat auch Bagdâd durch
den Mongolenfürsten
Hulagu,
Dschengischans Enkel, zerstört. Zwar blühte es wieder auf, wurde aber 1401 von
Timur erstürmt und von neuem völlig verwüstet. Außer den
Imamen,
Richtern und
Professoren wurde niemand verschont; aus den
gefallenen 90,000
Köpfen wurden vor den
Thoren Schädeltürme als
Trophäen errichtet.
Später kam in die
Gewalt¶
mehr
persischer Herrscher und zuletzt in die der Sufi. 1534 ward es von den Osmanen unter dem GroßwesirSuleimanIbrahim Pascha erobert,
aber 1623 unter Suleiman I. wieder von den Persern genommen. Vergeblich suchten die Türken es zurückzuerobern. Eine Belagerung
der Stadt durch den GroßwesirHafisPascha 1627 scheiterte an dem Todesmut der »todgeweihten
Schar« von 1500 Persern und einer Empörung des türkischen Heers. Erst SultanMurad IV. nahm Bagdâd mit Sturm. Bagdâd ist
seitdem im Besitz der Osmanen geblieben. Vergeblich versuchte NadirSchah im 18. Jahrh., es ihnen wieder zu entreißen
Vgl. Wellstedt,
Travels to the city of Caliphs (Lond. 1840; deutsch, Pforzh.
1841, 2 Bde.);
die Reiseberichte von H. Petermann (Bd. 2, Leipz. 1861),
Schäfli (Zür. 1864);
J. ^[Julius] Braun, Gemälde der mohammedanischen Welt (Leipz. 1870);
Rivoyre, Les vrais Arabes et leur
pays. Bagdâd etc. (Par. 1884).
Die Einwohnerzahl beläuft sich gegenwärtig auf nur 800. Im Oktober 1869 wurde Bagdad von einer Springflut
bei heftigem Sturm vollständig hinweggespült.
die Wilajethauptstadt und der Brennpunkt des Verkehrs von Mesopotamien, ist jetzt zu einer unansehnlichen türkischen
Provinzialstadt herabgesunken. Mehrfach in den jahrhundertelangen Kämpfen zwischen Türken und Persern zerstört, von Pest,
Cholera (zuletzt 1889) und Überschwemmungen heimgesucht, ist es jetzt (nach Moritz) auf etwa 80,000 Einw.
reduziert, und mehr als die Hälfte der von den Stadtmauern umschlossenen 4 qkm wird von Schuttfeldern und Gärten eingenommen.
An Wohlhabenheit steht die einstige Metropole des Welthandels jetzt hinter Kerbela zurück.
(Baghdad), im Mittelalter in der abendländ. Form auch Baldach genannt, von den Mohammedanern mit
dem Ehrennamen Dar
[* 21] as-Salâm («Stadt des Heils») ausgezeichnet, Hauptstadt des asiat.-türk. Wilajets Bagdad (142000
qkm, 850000 E.) im mittlern Mesopotamien, zu zwei Dritteilen auf dem linken Ufer, d. h. der Ostseite des in der Landessprache
Schatt genannten Tigris, über den zwei je auf 17–19 Pontons ruhende, 200–220 m lange Schiffbrücken führen,
während das alte Bagdad, die Residenz der abbâsidischen Chalifen und einst die größte Stadt der mohammed. Welt, an der Westseite
des Flusses lag.
Die ansässige Bevölkerung
[* 22] beträgt gegen 100000, eine Zahl, die vor 1831 überschritten, aber durch beständige Überschwemmungen
stark vermindert worden war. Sie ist gemischt aus Arabern, Osmanlis, Kurden, Israeliten, Armeniern, Syrern,
Nestorianern, zahlreichen Persern und wenigen Hindus. Die Mohammedaner zerfallen zu ziemlich gleichen Teilen in die feindlichen
Sunniten und Schiiten. Die Perser treiben unter dem Schutze der türk. Regierung einen ausgebreiteten Handel.
Die Israeliten (20000) sind auf einen abgesonderten Bezirk beschränkt. Die Straßen beider Stadthälften sind ebenso eng
und schlecht gepflastert als in den meisten andern türk. Ortschaften; die Backsteinhäuser
bestehen nur aus einem Keller- und einem Erdgeschoß mit darüber gelegener Terrasse. Fast alle Fenster öffnen sich nach der
Seite des Hofs, der in den Wohnungen der Vornehmen mit Springbrunnen verziert und mit Ziegelsteinen gepflastert ist. Unter
den Gebäuden der Stadt sind außer der halbverfallenen Citadelle in der nordwestl.
Stromecke der Konak (der «Palast» des Generalgouverneurs) und das engl. Konsulat, letzteres mit schönem Garten,
[* 23] zu nennen. Unter
der kurzen Statthalterschaft Midhat-Paschas (1868–72) wurde viel für Erleichterung des Verkehrs gethan: enge Gassen wurden
erweitert, die Straßen gesäubert, Aus- und Einladeplätze am Stromufer angelegt. Aber seit seiner Abberufung
ist alles wieder in den frühern Zustand verfallen. Im Zeitalter der abbâsidischen Chalifen war Bagdad der Sitz hoher Bildung
und Gelehrsamkeit.
Heute überwiegt das Handelsinteresse, und die von dem Chalifen Mostansir 1233 gegründete berühmte Medresse (Hochschule)
ist längst in eine Karawanserai verwandelt worden, deren es an 30 giebt. Nächst den Handeltreibenden,
deren Geschäfte stark von dem jeweiligen Verhältnis der Regierung zu den räuberischen Beduinenstämmen abhängen, strömen
alle Fremden, namentlich Perser und Bekenner desIslams aus Indien hier zusammen, um die Gräber der von den Muselmanen verehrten
Heiligen zu besuchen, unter denen das des von allen Mohammedanern hochgeachteten Scheich Abd el-Kader Ghilain
und die am westl. Tigrisufer in der Nähe von Bagdad befindlichen, besonders von den Schiiten
verehrten Gräber der Imam Mohammed Kâsim und Mohammed Taki Erwähnung verdienen.
Für die Handelsstellung B.s war die Eröffnung des Sueskanals von großer Bedeutung, insofern dadurch ein
kommerzieller Frontwechsel bedingt wurde. Bis zum J. 1869 liefen die Verbindungslinien B.s für den Verkehr mit Europa
[* 24] ausschließlich
durch die Syrische Wüste nach Damaskus und das armenische Hochland nach Norden.
[* 25] Jetzt kommt vor allem der Weg durch den Persischen
und ArabischenMeerbusen in Betracht. Als Handelsstation zwischen Europa und Indien hat Bagdad durch den abgekürzten
Seeweg nach Indien verloren, ist aber dafür dem Abendland bedeutend näher gerückt worden. Bagdad war seither eine Hauptniederlage
für arab., ind. und pers. Erzeugnisse
sowie für europ. Manufakturwaren und versah Kleinasien, Syrien und einen Teil Europas mit ind. Waren, die, zu Basra eingeführt,
den Tigris in Booten stromaufwärts und in Karawanen weiter nach Konstantinopel,
[* 26] Haleb, Damaskus und in
die westl. TeilePersiens gebracht wurden. Bagdad selbst bringt Wolle, Datteln und Pferde zur Ausfuhr. Auch mit Juwelen wird einiger
Handel getrieben. Einen glänzenden Anblick gewähren die besonders von Dawud Pascha erbauten, im ganzen Orient ausgezeichneten
Bazars mit ihren 1200 Läden, gefüllt mit allen Gattungen orient. Waren. Die Hauptfabrikate bestehen in
vielgerühmtem rotem und gelbem Leder, auch in seidenen,
¶
Geschichtliches. Die Stadt ward 763 vom abbasid. ChalifenAlmansor gegründet; im 9. Jahrh. erhob sie Harun al-Raschid, der
hier einen Palast baute und seiner Lieblingsgemahlin Sobeide ein Grabmal errichtete, zu hohem Glänze. 1258 eroberte
sie Dschingis-Chans Enkel, Hulagu, der den regierenden Chalifen ums Leben bringen ließ und das Chalifat vernichtete. Die Nachkommen
des Eroberers vertrieb Timur aus dem Besitze der Stadt, der sie 1393 eroberte. Zu Anfang des 16. Jahrh, bemächtigte sich ihrer
Schah Ismael, der erste RegentPersiens aus dem Hause Sofi, und fortan blieb sie ein Zankapfel zwischen den Türken und Persern.
Nach einer denkwürdigen Belagerung ward sie 1638 vom SultanMurad IV. erobert, und vergebens versuchte im 18. Jahrh. Schah
Nadir, sie den Türken zu entreißen. Als der Schauplatz vieler Märchen in «Tausendundeine Nacht» erlangte
auch romantische Berühmtheit.
Vgl. Wellstedt, Travels to the City of Caliphs (Lond. 1840; deutsch von Künzel, 2 Tle., Pforzh. 1841);
Schläfli, Reisen in
den Orient (als zweites Heft der «Mitteilungen schweiz.
Reisender», Winterth. 1864);
I. Braun, Gemälde der mohammed. Welt (Lpz. 1870): Kremer,
Kulturgeschichte des Orients unter den Chalifen, Bd. 2 (Wien
[* 32] 1877).