Bad.
[* 3] Eine größere Bedeutung haben in der neuesten Zeit die
Volksbrausebäder erlangt, welche
den unbemittelten Volksklassen die Wohlthat gesundheitsfördernder Reinigungsbäder gewähren sollen. Während das in
England
seit etwa 40, in
Deutschland
[* 4] seit ungefähr 35
Jahren in
Aufnahme gekommene öffentliche Bad
ewesen die Brausebäder früher
nur in
Verbindung mit andern Bäderarten, Wannen-,
Schwimm- und sonstigen
Bädern, kannte, haben sich dieselben als
selbständige und ausschließliche Form für Volksbad
eanstalten erst neuerdings, insbesondere seit der 1883 in
Berlin
[* 5] veranstalteten
Hygieneausstellung, Eingang verschafft und sind seitdem mehr und mehr in Zunahme begriffen.
Die
Bedingung, ein warmes Reinigungsbad
für einen dem
Einkommen der ärmern Bevölkerungsklassen entsprechenden
Preis liefern
zu können, wird durch das Brausebad
erfüllt. Für 10
Pf. läßt sich zur Zeit ein Brausebad
von 20
Lit.
und 25-28° C., Lieferung von Handtuch und
Seife eingeschlossen, verabfolgen. Die technische Einrichtung des
Bades ist selbstverständlich
so einfach und raumsparend wie möglich.
Zellen von etwa 1,5 m
Länge und 1,10 m
Breite
[* 6] werden mit einer festen Brause für
warmes
Wasser u. einer Schlauchbrause für kaltes (bei Frauenbädern auch für warmes)
Wasser versehen.
Die festen Brausen haben eine schräge Stellung, um alle Körperteile dem Strahle bequem aussetzen zu können, ohne gezwungen zu sein, Kopf und Haupthaar zu benetzen. Wände und Decken werden in Ölfarbe gestrichen oder mit Fliesen [* 7] bekleidet, der Fußboden erhält einen Estrich oder Fliesenbelag mit entsprechendem Gefälle und wird unter der Brause mit einem Lattengitter bedeckt. Ein einfacher Ecksitz, darüber ein Kleiderrechen und kleiner Spiegel [* 8] sowie ein in der Nähe der Brause befestigter Seifenapf vervollständigen die Ausstattung der Zellen.
Diese Einfachheit, besonders aber das Fehlen jeden Bad
egefäßes und somit der Gelegenheit zur
Ablagerung
von Unreinlichkeiten und Ansteckungsträgern machen die Brausebäder namentlich vom hygienischen Standpunkt aus zu einer
überaus geeigneten Form für Volksbäder. Durch
Zusammenlegung einer größern Zahl von
Zellen wird die Bad
eanstalt
[* 9] gebildet,
zu deren Vervollständigung dann noch eine Wäscherei, eine bei kleinen
Anlagen wohl gleich mit Trockenvorkehrungen
verbundene Heizeinrichtung,
Kasse und Warteraum, Aborte und Gerätegelasse gehören.
Eine zweckmäßige Plananordnung mit Männer- und Frauenabteilung (die letztere etwas kleiner, weil die Frauen diese Badeanstalten erfahrungsmäßig weniger benutzen) gibt die Abbildung [* 1] (Fig. 1 u. 2). Einfacher noch war die Anlage, mit welcher D. Grove und Lassar in Berlin auf der Hygieneausstellung daselbst 1883 das Volksbrausebad einführten. Sie bestand aus je fünf in ein kleines rechteckiges Wellblechgebäude eingebauten Zellen für Männer und Frauen. Die Zellen lagen Rücken an Rücken, mündeten auf je einen Flurgang und wurden auf der einen Schmalseite des Häuschens durch den Heiz- und Trockenraum und die Kasse, auf der andern durch den Waschmaschinenraum und je einen Abort begrenzt.
Während der Ausstellungszeit vom 10. Mai bis 30. Juli haben dort 5730 Männer und 1570 Frauen, im ganzen 7300 Personen, zum Preise von je 10 Pf. gebadet. Wesentlich billiger noch stellt sich das Bad für den Einzelnen bei Anstalten, wo mehrere Personen gleichzeitig in einem größern, mit zahlreichen Brausen ausgestatteten Raume baden können, wie z. B. in Kasernen, Arbeiter-Barackenlagern, Fabriken, Bergwerken etc. Wie anderorts, so ist das Volksbrausebad neuerdings besonders in Berlin und Wien [* 10] in Aufnahme gekommen. In erstgenannter Stadt hat sich seine Pflege namentlich der seit 1872 bestehende Berliner [* 11] Verein für Volksbäder angelegen sein lassen. Er hat mit Unterstützung der Stadtgemeinde 1888 zwei Badeanstalten eröffnet, in
[* 1] ^[Abb.: Fig. 1. Längenschnitt einer Badeanstalt (Brausebäder).
Fig. 2. Grundriß. A Warteraum für Frauen, B für Männer, C Kasse, D 1-5 Badezellen für Frauen, E 1-7 für Männer, F Wäscherei, a Waschmaschine, [* 12] b Waschkessel, c Badeofen, d Bottich mit Ringmaschine, G Trockenraum, e Rolle, f Tisch, H Utensilienkammer, J schmutzige, K reine Wäsche.] ¶
mehr
denen im ersten Betriebsjahr zusammen 175,998 Bäder verabfolgt worden sind, zum Teil allerdings auch Wannenbäder, die der Verein noch nicht ganz aufgeben will, weil sich die Bevölkerung [* 14] nur langsam an das Brausebad gewöhnt. Die größte Frequenz im Jahre zeigte der Ostersonnabend mit zusammen 2400 Bädern. Von den Badenden waren durchschnittlich ¾ Männer, ¼ Frauen. Das finanzielle Ergebnis ist nicht ungünstig gewesen und hat die Stadtverwaltung veranlaßt, nunmehr auch selbständig mit der Errichtung von Volksbrausebädern, deren zunächst zwei in Aussicht genommen sind, vorzugehen. In Wien wurde die erste öffentliche Brausebadeanstalt 1887 eröffnet. Eine zweite folgte bald, und es ist jetzt, da die Ergebnisse ermutigen, beschlossen worden, in der Leopoldvorstadt zwei und in jedem andern Stadtbezirk vorläufig je eine Anstalt zu errichten, so daß bis 1894 alle Bezirke mit Bädern versehen sein werden. Über Badeanstalten im allgemeinen vgl. Osthoff, Die Bäder und Badeanstalten der Neuzeit (Leipz. 1887,4 Hefte).