mehr
hatten ihn zu keiner ruhigen und sichern Existenz gelangen lassen. Seine Zeitgenossen erkannten in ihm aber den größten Orgelspieler und begabtesten Komponisten nach seinem Vater, und sein Bruder Emanuel war der Überzeugung, daß Friedemann allein im stande sei, wenn er wolle, ihren Vater zu ersetzen. Von seinen jetzt fast verschollenen Kompositionen nennen wir: eine Pfingstmusik (»Lasset uns ablegen«),
eine Adventsmusik, mehrere Klavierkonzerte, 4 Orgelfugen, 8 Fugetten, 6 Klaviersonaten, 2 Sonaten für zwei konzertierende Klaviere, 12 Polonäsen für Klavier u. a. Außerdem schrieb er ein Werkchen über den harmonischen Dreiklang. E. Brachvogel behandelte sein Leben in einem Roman.
5)
Karl
Philipp
Emanuel, J. S. Bachs
dritter Sohn, geb. zu
Weimar,
[* 3] wurde in
Leipzig
[* 4] auf der Thomasschule
gebildet, in der
Musik von seinem
Vater unterrichtet, studierte dann zu
Leipzig die
Rechte und setzte dieses
Studium in
Frankfurt
[* 5] a. O. fort. Hier errichtete er eine musikalische
Akademie, in welcher seine eignen
Kompositionen öfters
aufgeführt wurden, und gab Klavierunterricht. Im J. 1738 ging er nach
Berlin,
[* 6] von wo ihn der
Kronprinz
Friedrich nach
Neuruppin
[* 7] berief.
Nach dessen Thronbesteigung wurde er als Kammermusikus beim König angestellt, wo er nun im
Verein mit Männern wie Quantz,
Fasch,
Franz
Benda zur
Ausbildung des
Geschmacks einflußreich wirkte. Im J. 1767 folgte er einem
Ruf als Musikdirektor
nach
Hamburg,
[* 8] wo er fortan trotz mancher vorteilhaften Anerbietungen blieb. Bei seinem
Abgang von
Berlin erteilte ihm die
Prinzessin
Amalie von
Preußen
[* 9] den
Titel eines
Kapellmeisters. Von seinem Aufenthalt in
Berlin und
Hamburg wird
Emanuel der
Berliner
[* 10] oder der
Hamburger Bach
genannt. Er starb in
Hamburg an einer
Brustkrankheit.
Sein
Leben, von ihm selbst beschrieben, findet sich in
Burneys
»Tagebuch einer musikalischen
Reise«
(a. d. Engl., Leipz. 1772, 3 Bde.).
Emanuel Bach
hatte sich die kunstvolle
Manier seines großen
Vaters vollständig zu eigen gemacht, besaß aber nicht entfernt
dessen Erhabenheit und Tiefe; er war mehr elegant und gefällig als gewaltig und ergreifend. Dabei konnte er sich in seiner
Wirksamkeit dem Einfluß des Zeitgeschmacks und der weitern
Ausbildung der überlieferten Tonformen nicht entziehen.
Indem er daher die Strenge des alten Stils mit den Forderungen der Anmut und des sinnlichen Wohllauts zu verschmelzen sucht, bildet er das Mittelglied zwischen der polyphonen Kunst des Vaters und dem homophonen Stil der folgenden Haydn-Mozartschen Epoche. Wieviel diese beiden Meister ihm verdankten, haben sie selbst wiederholt ausgesprochen und unter anderm auch dadurch bewiesen, daß sie die von ihm überkommene Sonatenform in ihren cyklischen Werken unverändert beibehielten.
Unter seinen zahlreichen Werken sind hervorzuheben: viele Sonaten, Phantasien und andre Stücke für Klavier allein (darunter die sechs Sammlungen »Sonaten für Kenner und Liebhaber«) und mit Begleitung andrer Instrumente;
dann Trios und Symphonien für Orchester, ein Morgengesang am Schöpfungstag, eine Passionsmusik, das Oratorium »Die Israeliten in der Wüste«, das doppelchörige »Heilig«, Melodien zu Gellerts geistlichen Liedern, Cramers Psalmen u. a. Eine neue Ausgabe seiner Klavierkompositionen wurde von Baumgart veranstaltet (Leipz., bei Leuckart);
eine andre besorgte H. v. Bülow (das., bei Peters).
Besonderes
Verdienst
erwarb sich Bach
durch sein Unterrichtswerk
»Versuch über die wahre Art, das
Klavier zu spielen« (Leipz. 1753
u.
1763, 2 Bde.), welches zu seinen Lebzeiten den größten Einfluß
ausübte und noch jetzt zur Beschämung vieler
Virtuosen zeigen kann, einen wie hohen
Grad künstlerischer Durchbildung Bach vom
Klavierspieler verlangte.
Vgl. Bitter, Karl Phil. Emanuel und Wilh.
Friedemann und deren Brüder (Berl. 1868).
6) Johann Christoph Friedrich, geb. zu Leipzig, studierte erst Jura, wendete sich jedoch später der Musik zu und wurde Kapellmeister des Grafen von Schaumburg, als welcher er glücklich, zufrieden und geehrt in Bückeburg [* 11] (daher er auch der Bückeburger Bach genannt wird) lebte und starb. Er war ein vorzüglicher Klavierspieler und komponierte Instrumental- und Vokalstücke verschiedenster Art. Unter den letztern waren zwei Kantaten: »Ino« (von Ramler) und »Die Amerikanerin« (von Gerstenberg),
zu ihrer Zeit besonders beliebt. Ein Sammelwerk von Klavierstücken: »Musikalische Nebenstunden«, gab er 1786 heraus. Er folgte der Richtung seines Bruders Emanuel, ohne demselben an Talent gleichzustehen.
7) Johann Christian, jüngster Sohn J. S. Bachs, geb. 1735 zu Leipzig, zur Unterscheidung von seinen Brüdern der Londoner, auch der Mailänder Bach genannt, ging nach dem Tod seines Vaters nach Berlin, wo er von seinem Bruder Emanuel erzogen und im Klavierspiel und in der Komposition mit Erfolg unterrichtet wurde. Im J. 1754 ging er nach Mailand [* 12] und wurde dort Organist am Dom, wandte sich jedoch 1759 nach London, [* 13] wo er Kapellmeister der Königin wurde. Er komponierte eine Reihe von Instrumentalstücken für Klavier und andre Instrumente, kleinere Gesangsachen und Opern, von denen »Orione, ossia Diana vendicata« (1763) großen Beifall fand; eine andre, »La clemenza di Scipione«, wurde noch 1805 aufgeführt. In allen diesen Arbeiten zeigt er sich noch mehr als sein Bruder Emanuel geneigt, dem Zeitgeschmack Zugeständnisse zu machen, wie er auch persönlich dem leichten Lebensgenuß sehr zugethan war. Er starb im Januar 1782 in London. - Seine Frau, eine Italienerin, Cecilia, geborne Grassi, war seit 1767 Primadonna der Londoner Oper.
Der letzte Sprößling der berühmten Familie ist:
8) Wilhelm Friedrich Ernst, Sohn des Bückeburger Bach, geb. Erst unter der Leitung seines Vaters, dann seines Oheims Christian in London, machte er in der Musik die glänzendsten Fortschritte und trat in Frankreich und Holland konzertierend mit großem Beifall auf. Später ließ er sich in Minden [* 14] nieder und komponierte hier zur Bewillkommnung des Königs Friedrich Wilhelm III. eine Kantate: »Die Nymphen der Weser«, infolgedessen er 1798 Kapellmeister der Königin Luise und in der Folge Musiklehrer aller königlichen Kinder wurde. Er starb in Berlin. Sein Oratorium »Vater unser« (Text von Mahlmann),
die Kantate »Kolumbus«, seine Symphonien, Lieder, Quartette, Sonaten verschafften ihm großes Ansehen beim Hof; [* 15] im Druck ist nur einzelnes davon erschienen.