Böhmert
,
Karl Victor, volkswirtschaftlicher Schriftsteller, geb. zu Quesitz bei Leipzig, [* 2] studierte zu Leipzig 1848-52 Rechtswissenschaft und Volkswirtschaft und wandte sich dann ganz nationalökonomischen Arbeiten zu, wobei er sich auch praktisch im Sinne von Schulze-Delitzsch an der Gründung eines Vorschuß- und Kreditvereins in Meißen [* 3] beteiligte. Nach einer Reise durch Sachsen, [* 4] Rheinland und Westfalen, [* 5] Belgien [* 6] und Frankreich ging er 1856 nach Heidelberg, [* 7] um dort eine von Rau und Röscher mitbegründete nationalökonomische Wochenschrift herauszugeben und sich an der Universität als Docent zu habilitieren.
Ein Jahr darauf folgte Böhmert
einem Rufe nach
Bremen,
[* 8] wo er 1857-60 das
«Bremer Handelsblatt» redigierte, von 1861 bis 1866 als
Syndikus der
Bremer Handelskammer fungierte und sich in hervorragender
Weise an der
Bewegung für Einführung
der
Gewerbefreiheit und Freizügigkeit und an der Gründung des
Kongresses deutscher Volkswirte beteiligte. Im Herbst 1866 wurde
Böhmert
zum Professor der Nationalökonomie und
Statistik am eidgenössischen Polytechnikum und an der
Universität Zürich
[* 9] ernannt und
im April 1875 in gleicher Eigenschaft an das Polytechnikum in
Dresden
[* 10] und als Direktor des königlich
sächs.
Statistischen
Bureaus berufen.
Von seinen nationalökonomischen Arbeiten sind zu erwähnen: «Freiheit der Arbeit» (Brem. 1858),
«Beiträge zur Geschichte des Zunftwesens» (Lpz. 1861; von der Fürstlich Jablonowskischen Gesellschaft zu Leipzig mit dem Preise gekrönt),
«Beiträge zur Fabrikgesetzgebung. Untersuchung und Bericht über die Lage der Fabrikarbeiter, erstattet an die Gemeinnützige Gesellschaft des Kantons Zürich" (Zür. 1868),
«Der Socialismus und die Arbeiterfrage» (ebd. 1872),
«Arbeiterverhältnisse und Fabrikeinrichtungen der Schweiz» [* 11] (2 Bde., ebd. 1873). Seit 1873 redigiert er in Gemeinschaft mit Gneist den in Berlin [* 12] erscheinenden ¶
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«Arbeiterfreund, Zeitschrift des Centralvereins in Preußen
[* 14] für das Wohl der arbeitenden Klassen». Böhmert
bekennt sich in seinen
Schriften entschieden zu den freihändlerischen Grundsätzen von Adam Smith, Cobden und Bastiat, sucht jedoch in dem «Arbeiterfreund»
in dem Kampfe der Manchesterschule und der socialpolit. Partei einer neuen socialstatist. Richtung Bahn zu brechen.
Auch hat Böhmert
eine internationale Enquete über die Versuche mit Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer angeregt; die Resultate derselben
veröffentlichte er u. d. T. «Die Gewinnbeteiligung.
Untersuchungen über Arbeitslohn und Unternehmergewinn» (Bd. 32 u. 33 der «Internationalen wissenschaftlichen Bibliothek», Lpz.
1878). Seit 1875 giebt auch die «Zeitschrift des königlich sächs.
Statistischen Bureaus» und seit 1877 die «Social-Correspondenz»
heraus. Seit 1879 ist Böhmert
besonders mit an der Reform der deutschen Armenpflege und an dem Kampf gegen die Trunksucht und Unsittlichkeit
schriftstellerisch und praktisch beteiligt und hat im Auftrage des Deutschen Vereins für Armenpflege und Wohlthätigkeit das
Werk «Das Armenwesen in 77 deutschen Städten und Landarmenverbänden» (2 Bde., Dresd. 1886) herausgegeben.
Böhmert
steht in Dresden an der Spitze des Vereins gegen Armennot und Bettelei, des Bezirksvereins gegen den Mißbrauch geistiger Getränke
und des Vereins für Volkswohl.