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Lehrerinnen. Die Zahl der scbulbesuchenden Kinder betrug (1893) 1000 704 (d. i. 98,4 Proz. der schul- pflichtigen Kinder) gegen 1875: 787 419 Kinder liche Landeslehranstalten in Tetschen-Liebwert» identsck) und Tabor (czechisch), 10 Haudels-, 44 kauf- männische Fortbildungsschulen, 5 Staatsgewerbe- schulen, 45 gewerbliche Fachschulen, 5 Haudwerker- scbulen, 233 gewerbliche Fortdildnngssckulcn, 133 Gesang- und Musik-, 43 land- und forstwirtschaft- liche, 45 weibliche Arbeitsschulen und 56 sonstige Lebr- und Erziehungsanstalten.
Geschichte. In Böhmen dauerte der Streit zwischen den beiden Nationalitäten fort. Die Abneigung der Czc- chen, besonders der Iungczechen, gegen alle Wünsche der Deutschen rnachte sich in schroffster Weise auf dem Landtage des 1.1893 geltend. Als der Oberstland- marjchaü 17. Mai die Vorlage betreffend die Er- richtung eines für die deutschen Bezirke des östlichen V.s bestimmten Kreisgerichts in Trautcnau gegen den Willen der jungczech. Abgeordneten auf die Tagesordnung setzte, erregten diese einen solchen Tumult, dasi die Sitzung und dann auch der Land- tag geschloffen wurde.
Zugleich wurden im ganzen Lande systematische Agitationen ins Werk gesetzt und in Prag am Vorabende des Geburtstags des Kaisers (17. Aug.) Demonstrationen veranstaltet, die sich auch gegen die Person des Monarchen rich- teten. Diese wiederholten sich 12. Sept. bei der Feier des kaiserl. Reskriptes vom worauf 13. Sept. die Art. 12 und 13 des Staats- grnndgesetzes betreffend das Vereinsreckt und die Freiheit der Presse für Prag und deffen Umgebung suspendiert und die Wirksamkeit der Geschworenen- gerichte bezüglich der Preßvergehm und der polit. und einiger andern Verbrechen im Sprengel des Prager Landesgerichts für ein Jahr außer Kraft ge- setzt und 17 Vereine in Prag unterdrückt wurden. Bei den czech. Demonstrationen waren besonders die Mitglieder eines von jungen Leuten gegründeten Geheimbundes Omladina (s! d., Bd. 12) thätig ge- wesen.
Eins ihrer Häupter, Mrva, der in den Ver- dacht gekommen war, ^ent provocatsui- zu sein, wurde 24. Dez. von zwei Genossen ermordet, woranf zn Anfang des folgenden Jahres 78 Omladinisten, teilweife wegen Hochverrats, Majestätsbclcidigung, Ruhestörung und Gründung eines Geheimbundcs, angeklagt und größtenteils verurteilt wurden. Dies hinderte nicht, daß die radikale Richtung auch außer- halb Prags sich immer mehr ausbreitete und bei einzelnen Nachwahlen Erfolge errang.
Das Umsichgreifen der radikalen Strömung, das auch die Iungczechen immer weiter nach links drängte, und deren heftige Angriffe auf den Stattbalter Gra- fen Thun hatten die Folge, daß die feudalen Groft- grundbesiner sich auf den Landtagen der I. 1894 und 1895 einigermaßen den Deutschen näbcrten, frei- lich nicht so weit, daß diese einen wesentlichen Erfolg errungen hätten. Die Feudalen wollten eben keiner der nationalen Parteien zum ^)iege verhelfen, um -immer zwischen beiden den Ausschlag geben zu kön- nen.
Daber wiesen sie auch bei den im Nov. 1895 stattfindenden Wahlen für den böhm. Landtag jedco Kompromiß mit den deutsch-liberalen Groftgnuld- bcsitzern zurück, so daß diese ohne Vertretung blieben. Andererseits stellten die Deutsch-Nationalen al «Deutsche Volkspartci» zum erstenmal in einer großen Anzahl von städtischen und ländlichen Wahl- bezirken gegen die Deutsch-Liberalen selbständige Kandidaten auf, von denen allerdings nur 10 durch- drangen, die sich als selbständige Partei konstituier- ten.
Während so die bisherige Einheit der Dcut- scken zerrissen wurde, siegten die Iungczechen fast in allen Wahlbezirken und wurden nur vereinzelte An- hänger der Altczcchen und der czech. Bauernpartei gewühlt. Die Iungczechen traten denn auch auf dem Landtage, der 28. Dez. zusammentrat, noch selbstbewußter als früher auf. Während einige Reden ibrer Vertreter im Neichsrate der Hoffnung auf Herstellung des nationalen Friedens in Böhmen Raum zu geben schienen, fanden die Wünsche, die der Oberstlandmarschallstellvertrcter Lippert bei der Eröffnnng des Landtages in dieser Beziehung aus- sprach, kein Entgegenkommen.
Die Iungczechen er- klärten sich entschieden gegen den Antrag der deut- schen Abgeordneten, daß für die Vornahme der Wablen in den Landcsausfchuß, die Direktionen der Hypotheken- und Landesbank und den Verwal- tungsausschuß des Museums der Landtag in die drei Knrien des großen Grundbesitzes, der böhm. und der deutschen Wahlbezirke geteilt und von jeder dieser Kimen eine gleiche Anzahl von Personen ge- wählt werden sollte, was das einzige Mittel wäre, den Deutschen, die in keiner der bisherigen Kurieu die Majorität haben, eine Vertretung in diesen Aus- schüssen zu sichern.
Dagegen beantragten die Iung- czechen den Erlaß einer Adresse an den Kaiser, worin mit Ignorierung der Änderungen, die schon die «Vernewerte Landesordnung» von 1627 in der böhm. Verfassung eingeführt hatte, die Aufhebung der böhm. Hofkanzlei im I. 1749 und die Verfassung von 1807 und 1873 für eine schwere Verletzung der Rechte der Länder der böhm. Krone erklärt, die legis- lative und administrative Selbständigkeit für sie in Ansprnch genommen und gesagt wurde: «einzig und allein die Landtage der drei Länder der böhm. Krone könnten im Einverständnisse mit dem Kaiser rechts- gültig die Bewilligung dazu geben, was aus ihrer Gesetzgebung und Verwaltung zur gemeinsamen Beratung und Durchführung mit den übrigen Erb- ländern abgetreten werdensolle».
Die Vertreter des Großgrundbesitzes sprachen sich zwar im Adreßaus- schusse, dem die Deutschen fern blieben, gegen die Erlasfung einer Adresse aus, ehe man sich über die staatsrechtlichen Principien geeinigt hätte; aber Prinz Friedrich Schwarzenberg, ihr Wortführer, stellte eine Reihe von Grundsätzen auf, die von denen, welche die Iungczechen vertraten, sich nicht wesentlich unterschieden. Auch er bezeichnete als anzustrebendes Ziel die Wiederherstellung des sog. Böhmischen Staatsrechts (s. d.) und sprach es aus, daß dies die Beseitigung aller gesetzgeberischen Akte erheische, die mit der selbständigen Indivi- dualität des Königreichs Böhmen sich als unvereinbar darstellten.
Da aber der Kaiser durch die Sanktion der neuern Verfassungsgesetze, besonders jener von 1861 und 1807, Verpflichtungen übernommen habe, die nicht einfach beseitigt werden könnten, so solle der Versuck gemacht werden, jene unter Mitwlrkung sämtlicher beteiligterFaktoren mit demböhm. Staats- rechte in Einklang zu bringen. Endlich wurde noch der Wunsch nach der Königskrönung ausgesprochen. Diesen Grundsätzen, die von einem Subkomitee ge- nauer formuliert werden sollten, traten auch die Iung- czechcn bei. Zu weitern Verhandlungen darüber ist es zwar wegen der erfolgten Schlie- ßung des Landtags nicht mehr gekommen. Aber es war von den Feudalen wie von den Czechen der