Titel
Böckh
,
1) Christian Friedrich von, bad. Staatsmann, geb. zu Karlsruhe, [* 2] studierte, nachdem er sich 1792-98 notdürftig als Schreiber seinen Lebensunterhalt erworben und dann noch das Gymnasium besucht hatte, 1799-1802 in Jena [* 3] und Heidelberg [* 4] Kameralien, ward 1803 nach dem Reichsdeputationshauptschluß Sekretär [* 5] bei der Besitzergreifungskommission, 1807 Kammerrat in Mannheim, [* 6] 1810 Finanzrat in Karlsruhe und 1815 Geheimer Referendar. Auf dem ersten Landtag fungierte er als Regierungskommissar, wurde 1820 Direktor der Oberrechnungskammer, 1821 Staatsrat und provisorischer, 1824 definitiver Chef des Finanzministeriums und wirklicher Finanzminister. Trotz der verschwenderischen Neigungen und der Kabinettsregierung des Großherzogs Ludwig gab er dem Staatshaushalt eine neue, bessere Organisation. Ein Gegner des Feudalwesens und des alten ¶
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Abgabensystems, machte er besonders durch den Gesetzentwurf über Zehntablösung seinen Namen populär, erwarb sich 1832 durch freimütige Verteidigung der Verfassung allgemeine Achtung, zerfiel aber mit der liberalen Partei, als er das Recht der Kammer, sich in finanzielle Fragen zu mischen, im Sinn der Wiener Konferenzbeschlüsse zu deuten suchte. Nachdem er 1844 das Departement der Finanzen ausgegeben, übernahm er nach dem Rücktritt Blittersdorffs, dessen reaktionäre Absichten er mitunter erfolgreich bekämpft hatte, als Präsident die Leitung des Ministeriums, wurde aber schon im März 1846 pensioniert und starb in Karlsruhe.
2) Philipp August, berühmter Philolog und Altertumsforscher, Bruder des vorigen, geb. zu Karlsruhe, vorgebildet daselbst, studierte seit 1803 unter Wolf in Halle, [* 8] promovierte mit der »Commentatio in Platonis qui vulgo fertur Minoem« (Halle 1806), wurde 1806 durch Schleiermacher Mitglied des pädagogischen Seminars zu Berlin, [* 9] 1807 außerordentlicher und 1809 ordentlicher Professor der Philologie in Heidelberg, 1811 in Berlin, daneben Direktor des philologischen, 1820 auch des pädagogischen Seminars.
Seit 1830 zum Geheimen Regierungsrat ernannt, auch Mitglied der Berliner
[* 10] wie der meisten europäischen Akademien, starb er in
Berlin als einer der gefeiertsten Gelehrten seiner Zeit. Böckh
war der erste, welcher der höhern Auffassung der Philologie Geltung
verschaffte, wonach dieselbe in der umfassenden Kenntnis und Reproduktion des Altertums in seiner Gesamtheit
bestehen soll (s. Philologie). Seine Hauptwerke sind: »Die Staatshaushaltung der Athener« (Berl. 1817, 2 Bde.;
engl. von Lewis, Lond. 1828; 2. Aufl. 1843; franz. von Laligand, Par. 1828);
die beiden dem oben genannten Werk in der 2. Auflage (Berl. 1851 bis 1852, 2 Bde.) teilweise eingefügten Schriften: »Metrologische Untersuchungen über Gewichte, Münzfuße und Maße des Altertums« (das. 1838) und »Urkunden über das Seewesen des attischen Staats« (das. 1840);
die Ausgabe des Pindar (Leipz. 1811 bis 1821, 4 Tle.) und das »Corpus inscriptionum graecarum« (Berl. 1828-77, 4 Bde.; Bd. 3 u. 4 von Franz, Curtius, Kirchhoff und Röhl, 1877).
Aber auch seine kleinern Schriften sind höchst beachtenswert, als: »Graecae tragoediae principum, Aeschyli, Sophoclis, Euripidis, num ea quae supersunt et genuina omnia sint« (Heidelb. 1808);
»Die Versmaße des Pindar« (Berl. 1809);
»Die Lehren [* 11] des Pythagoreers Philolaos nebst den Bruchstücken« (das. 1819) und die Ausgabe der Sophokleischen »Antigone« (das. 1843, neue Ausg. 1884);
ferner die aus der »Zeitschrift für Geschichtswissenschaft« abgedruckten Untersuchungen: »Manetho und die Hundssternperiode« (das. 1845);
»Untersuchungen über das kosmische System des Platon« (das. 1852);
»Zur Geschichte der Mondcyklen der Hellenen« (Leipz. 1855);
»Epigraphisch-chronologische Studien« (2. Beitrag zur Geschichte der Mondcyklen, das. 1856);
»Über die vierjährigen Sonnenkreise der Alten« (Berl. 1863).
Auch die Memoiren der Berliner Akademie, die Dissertationen der Philologischen Gesellschaft und andre Zeitschriften enthalten
reichhaltige Aufsätze von Böckh.
Daneben hat er als Professor der Beredsamkeit an der Universität wie als erster Sekretär der Akademie
eine Reihe ausgezeichneter Reden in lateinischer und deutscher Sprache
[* 12] gehalten. Diese »Kleinen Schriften«
wurden von Ascherson, Bratuscheck und Eichholtz gesammelt herausgegeben (Leipz. 1858-74, 7 Bde.).
hat auch wesentlichen Anteil
an der neuen Ausgabe der Werke Friedrichs d. Gr. Aus den Originalheften seiner 1809-65 gehaltenen
Vorlesungen veröffentliche Bratuscheck die »Encyklopädie und Methodologie der philologischen Wissenschaften«
(Leipz. 1877). Der »Briefwechsel zwischen August und Karl Otfried Müller«, einen 20jährigen Zeitraum umfassend, erschien Leipzig
[* 13] 1883. Sein
Leben beschrieb Klausen in Hoffmanns »Lebensbilder berühmter Humanisten« (Leipz.
1837).
Vgl. Sachse, Erinnerungen an Böckh
(Berl. 1868);
Stark (in den Verhandlungen der Würzburger Philologen-Versammlung von 1868).
3) Richard, Statistiker, Sohn des vorigen, geb. zu Berlin, trat 1845 nach Vollendung seiner staatswissenschaftlichen Studien in den preußischen Staatsdienst, wurde 1852 Regierungsassessor, arbeitete am königl. Statistischen Büreau, seit 1855 an der Regierung in Potsdam, [* 14] seit 1861 nochmals am Statistischen Büreau zu Berlin, wurde 1864 zum Regierungsrat, 1875 zum Direktor des Statistischen Büreaus der Stadt Berlin, 1881 zum außerordentlichen Professor ernannt. Von seinen Arbeiten beziehen sich einige auf die Feststellung und genaue Abgrenzung der Sprachgebiete, so die »Sprachkarte vom preußischen Staat« (Berl. 1864); »Die statistische Bedeutung der Volkssprache als Kennzeichen der Nationalität« (das. 1866); »Der Deutschen Volkszahl und Sprachgebiet« (das. 1870) und die im Verein mit H. Kiepert herausgegebene »Historische Karte von Elsaß-Lothringen« [* 15] (das. 1871). Von seinen andern Schriften sind hervorzuheben: »Ortschaftsstatistik und historisch-geographische Übersicht des Regierungsbezirks Potsdam« (Berl. 1861);
»Die geschichtliche Entwickelung der amtlichen Statistik des preußischen Staats« (das. 1863);
»Sterblichkeitstafel für den preußischen Staat im Umfang von 1865« (Jena 1875);
»Die Bevölkerungs-, Gewerbe- und Wohnungsaufnahme vom in der Stadt Berlin« (Berl. 1878);
»Die Bewegung der Bevölkerung [* 16] der Stadt Berlin in den Jahren 1869-78« (das. 1884).
Seit 1877 gibt er das »Statistische Jahrbuch der Stadt Berlin« heraus.