Titel
Azoren
(portug. Açores, »Habichtsinseln«, von den Engländern Western Islands genannt), eine zu Portugal [* 2] gehörige Gruppe von neun Inseln im Atlantischen Ozean, nordwestlich von Afrika [* 3] und den Kanarischen Inseln, zwischen 36° 59'-39° 44' nördl. Br. und 27° 35'-33° 27' westl. L. v. Gr. Sie bilden einen 630 km langen Zug in nordwestlich-südöstlicher Richtung und liegen in drei kleinen, durch Räume von etwa 180 km getrennten Haufen zerstreut, deren mittlerer die Inseln Fayal, Pico, San Jorge, Graciosa und Terceira umfaßt, während San ¶
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Miguel und Santa Maria die südöstliche und Flores mit Corvo die nordwestliche Gruppe bilden. Ihr gesamter Flächenraum ist
zu 2388 qkm (43,4 QM.) berechnet. Die Inseln sind vulkanischen Ursprungs und bedeckt von neuern vulkanischen Massen, Laven,
Tuffen, Bimssteinen und Schlacken; es finden sich auf ihnen nicht nur zahlreiche heiße Quellen und erloschene
Krater,
[* 5] sondern auch noch fortdauernd thätige, Lava nebst siedendem Wasser auswerfende Vulkane.
[* 6] Die bedeutendsten Ausbrüche
derselben ereigneten sich 1591, 1638, 1719 und 1841, und aus der Erscheinung, daß bei diesen Ausbrüchen kleine vulkanische
Inseln aus dem Meer emporstiegen, die bald nachher wieder verschwanden (1811 die Insel Sabrina bei San Miguel),
hat man auf das Vorhandensein eines vulkanischen Herdes unter dem Boden der Azoren
geschlossen und dieselben zu den Zentralvulkanen
gerechnet, die ihren Herd in sich selbst haben.
Die Oberfläche sämtlicher Inseln ist bergig, durch tiefe Schluchten zerrissen, pittoresk und steigt in einzelnen kegelförmigen Piks bis 2300 m empor. Auch die Küsten sind durchweg steil und hoch, häufig unzugänglich. Das Klima, [* 7] eins der gesündesten auf Erden, ist ausgezeichnet gemäßigt und fast das ganze Jahr hindurch gleichförmig, die Atmosphäre stets ungemein rein. Der Stand des Thermometers bewegt sich zwischen +10 und 23° C. Die Vegetation ist auf dem gut bewässerten, vulkanischen Boden höchst üppig ungeachtet der mangelhaften Kultur.
Vorzüglich gedeihen Orangen (einzelne Stämme tragen gegen 26,000 Früchte und geben bis 600 Mk. jährlichen Ertrag), Wein und Orseille (besonders auf Pico und Flores), daneben alle unsre Getreidearten und Hülsenfrüchte, viele Arzneipflanzen, [* 8] selbst tropische Gewächse, wie Yams, Bananen, Kaffee und Zuckerrohr. Bemerkenswert ist unter den Pflanzen noch eine immergrüne Myricee (Myrica Faya), die besonders auf der Insel Fayal in Menge vorkommt. Metalle und Schiffbauholz fehlen.
Von Tieren findet man die europäischen Haustiere, insbesondere Schafe
[* 9] und Ziegen nebst Schweinen, in sehr großer Menge (Käse
und Schinken von Terceira sind gesucht), vortreffliches Geflügel (Rothühner), mehrere schön gefiederte
außereuropäische Vogelarten etc., Fische
[* 10] und Austern in ziemlicher Menge an den Küsten. Giftige Reptilien gibt es auf den Azoren
nicht.
Die Azoren
, so weit von den Kontinenten entfernt und durch eine tiefe See von ihnen getrennt, echt ozeanische Inseln im Sinn Darwins,
sollten eigentlich, nach dem Beispiel andrer Inseln, eine eigentümliche Flora und Fauna zeigen.
Allein 80-90 Proz. der Tiere wie der Pflanzen sind mit europäischen Arten übereinstimmend, und nur unter den Landmollusken finden sich 60 Proz. endemische Arten. Als Erklärung dieser Anomalie [* 11] werden die heftigen Stürme gerade in dieser stets bewegten See angegeben, welche mit dem Wind oder den Wellen [* 12] von Europa [* 13] leicht Pflanzen und Tiere herbeiführten. Auffallend sind auf allen Inseln die guten Wasserleitungen, selbst für die kleinsten Dörfer, ferner die Brunnen, [* 14] Teiche und Zisternen an Wegen und Straßen, oft verziert und überall wohlunterhalten.
Dies erinnert an die maurischen Elemente, welche das hiesige Volksleben einst aufnahm (s. unten). Die Bewohner (1881: 269,401 an Zahl), meist portugiesischer Abkunft, sind von hagerm, aber festem Körperbau, intelligent, ausdauernd, mäßig und sparsam. Von den größern Inseln wird ein lebhafter Handelsverkehr trotz des völligen Mangels sicherer Häfen mit Portugal, England, Brasilien [* 15] und den Vereinigten Staaten [* 16] von Nordamerika [* 17] unterhalten. Hauptexporte sind: Wein und Branntwein, Orangen, Getreide, [* 18] Hülsenfrüchte, Salzfleisch, Färbermoos, Öl (gepreßt aus den Beeren von Persea azorica), Käse, Orseille, Leinwand.
Importiert werden alle europäischen Industrieerzeugnisse, da auf den Azoren
selbst keine Industrie herrscht. Bei der für den
Handel so günstigen Lage und der Wohlfeilheit der Lebensmittel verproviantieren sich hier viele Schiffe.
[* 19] Die sichersten Reeden sind die von Angra
[* 20] auf Terceira, Fayal und Ponta Delgada auf San Miguel. Die Azoren
bilden keine Kolonie, sondern
stehen unter der unmittelbaren Verwaltung des Königreichs. Sie zerfallen in drei Verwaltungsbezirke mit den Hauptorten Ponta Delgada,
Angra und Horta, die zusammen 22 Gemeinden (concelhos) und 121 Kirchspiele umfassen. Trotz des natürlichen
Reichtums der Inseln liefern sie der Krone nur geringen Ertrag, da der Grund und Boden sehr ungleich verteilt ist und Großgrundbesitz
vorherrscht. Die religiösen Angelegenheiten stehen unter dem katholischen Bischof von Angra. Der Unterricht ist sehr vernachlässigt,
die Schulen sind schlecht und für den Bedarf nicht ausreichend.
[Die einzelnen Inseln.]
Die wichtigern Inseln der Azoren-Gruppe sind:
1) San Miguel, 777 qkm (14 QM.) mit 107,000 Einw., die größte,
bestkultivierte und wichtigste Insel der Azoren
, ist gebirgig und erreicht im Pico de Vara 1175 m Höhe. Mineralquellen, kalte und
heiße, sind häufig. Hauptstadt ist Ponta Delgada, mit 3 verfallenen Forts, alten Kirchen und (1878) 17,635
Einw., worunter viele Engländer, die im Besitz des auswärtigen Handels sind. Übrigens fehlt der Insel ein Hafen; die Reede von
Ponta Delgada ist völlig offen. Südöstlich von San Miguel liegen Santa Maria (5880 Einw.) und die Felseneilande Formigas.
2) Pico, 447 qkm (8 QM.) mit 27,904 Einw., reich an schöner Waldung, gutem Rindvieh und vortrefflichem Wein. Fast auf allen Punkten steigen die Küsten senkrecht aus dem Meer empor; die Insel selbst ist nur die Basis eines gigantischen Bergkegels, dessen majestätischer, 2350 m hoher und auf 180 km sichtbarer Gipfel noch 1718 Lava ergoß und noch jetzt Schwefeldämpfe ausstößt. Außer Lagens (3310 Einw.) gibt es noch vier kleine Städte auf Pico.
3) Fayal, 179 qkm (3,2 QM.) mit 26,264 Einw.,
so genannt nach dem bei der Entdeckung in Fülle angetroffenen Strauch Myrica Faya, hat halbmondförmige Gestalt, einen fast 1000 m
hohen erloschenen Kraterberg am Südostende und einen zweiten Vulkan, der noch 1682 Lavaströme ergossen
hat. Hauptstadt ist Horta, am Meer, der Insel Pico gegenüber gelegen, ein gut gebauter, lebhafter Handelsplatz mit 7446 Einw.
(darunter viele Engländer, Nordamerikaner, Brasilier und Portugiesen) und vorzüglicher Reede, der einzigen Stelle der Azoren
, wo
Schiffe ohne Gefahr ankern können. Dabei die kleinern Inseln Flores (10,700 Einw.) und Corvo (1000 Einw.).
4) San Jorge, östlich von Fayal, 244 qkm (4 QM.) mit 18,000 Einw., sehr fruchtbar, aber häufigen Erdbeben [* 21] ausgesetzt. Im J. 1580 und in neuerer Zeit (1808) wurde fast die ganze Insel durch Lavaausbrüche verwüstet, und 1757 erschienen nahe der Küste unter Erderschütterungen 18 kleine Inseln, die bald wieder verschwanden. Hauptstadt ist Villa de Velhas, mit 2150 Einw. und Hafen.
5) Graciosa, nördlich von San Jorge, vollkommen rund, einem Blumenkorb ähnlich, 63 qkm (1 QM.) mit 8718 Einw.; Hauptort ist Santa Cruz, mit 3824 Einw.
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der Inselgruppe, 421 qkm (7,6 QM.) mit 45,391 Einw. Im Innern erhebt sich der Bagacina-Pik, der 1761 einen großen Lavastrom bis an die Küste ergoß. Vulkanische Dämpfe steigen noch jetzt aus den Schwefelhöhlen (furnas d'enxofre) fortwährend auf. Stark wird hier nur die Orseillegewinnung betrieben, im übrigen ist der Handel gering. Die Hauptstadt Angra do Heroismo wird von einem kahlen Gebirge eingeschlossen, ist gut gebaut, hat starke Festungswerke sowie große, schöne Kirchen und zählt 11,070 Einw., darunter viele Juden, welche, aus Portugal vertrieben, hierher kamen und die Stelle der Engländer vertreten.
Geschichte. Die Azoren
wurden 1431 von dem Portugiesen. Gonzalo Velho Cabral entdeckt; wahrscheinlich aber
waren sie schon im Altertum den Karthagern sowie später den Normannen und Arabern bekannt. Genauere Kunde von ihnen kam erst
seit ihrer Wiederauffindung und Bevölkerung
[* 23] durch die Portugiesen. Im J. 1431 fand Gonzalo Velho Cabral die Formigas und 1432 Santa Maria.
Im J. 1444 wurde San Miguel, 1449 Terceira, San Jorge, Fayal, Flores und Corvo, 1453 Graciosa entdeckt.
Die ersten Kolonien gründeten die Portugiesen auf Santa Maria und San Miguel. Nachdem König Alfons V. Fayal an seine Tante, die
Herzogin Isabella, Mutter Karls des Kühnen, auf deren Lebenszeit abgetreten hatte, fanden sich auf den Azoren
viele
Ansiedler aus Flandern ein. Man nannte sie deshalb auch Vlämische oder Flandrische Inseln (Ilhas Flamengas). Azoren
wurden dieselben
von den vielen Habichten (portug. acor) genannt, welche die ersten Entdecker hier antrafen. Später wanderten die aus Spanien
vertriebenen Morisken zahlreich ein und führten eine hohe Blüte
[* 24] der Kultur herbei.
Der Okkupation Portugals durch Philipp II. von Spanien (1580) unterlagen auch die Azoren
außer Terceira, welches
sich der spanischen Herrschaft hartnäckig widersetzte. Allein im Juli 1582 siegte die spanische Flotte über die französische
und den portugiesischen Kronprätendenten Antonio von Crato, und 1583 ward Terceira unterworfen. Nach der Befreiung Portugals
(1640) folgte für die Azoren
eine Zeit des Rückschritts und Verfalls, denn die portugiesische Politik vertrieb
nicht allein die hier angesiedelten Spanier, sondern beschränkte auch den Verkehr der Azoren
auf die Gestade des Tejo.
Vergebens suchte Pombal die Azoren
wieder zu heben; besser wurde es erst, als mit der Auswanderung des Hauses Braganza
nach Brasilien (1808) größere Handelsfreiheit und damit regerer Verkehr eintrat. In der neuesten Zeit zeichneten sich die
Azoren
, besonders Terceira, durch ihre Treue gegen Dom Pedro und Donna Maria da Gloria aus. Als 1828 Dom Miguel Portugals Krone an sich gerissen
hatte, landete der pedristisch gesinnte Graf Villaflor mit etwa 20 Offizieren auf Terceira, wo Besatzung und
Einwohnerschaft den Anmaßungen Miguels Trotz boten, schlug die von Miguel gesandte Flotte zurück und gewann bald sämtliche
Azoren
für seine Sache. Im J. 1832 erschien Pedro selbst mit einer Flotte auf Terceira; freudig verstärkten die Insulaner sein
Heer, das 8. Juli, 12,000 Mann stark, in Porto landete, Lissabon
[* 25] besetzte und bald darauf Dom Miguel
aus Portugal vertrieb.
Vgl. Hartung, Die in ihrer äußern Erscheinung und geognostisch geschildert (Leipz. 1860);
Kerhallet, Description nautique des Açores (Par. 1865);
Godman, Natural history of the Azores (Lond. 1870).