Titel
Azeglio
(spr. adselljo), 1) Roberto Taparelli,
Marchese d', ital. Kunsthistoriker, geb. zu
Turin,
[* 2] machte in
Siena schönwissenschaftliche
Studien und begab sich 1809 nach
Paris,
[* 3] wo er zum
Auditeur im
Staatsrat ernannt
wurde.
Später als
Kriegskommissar zu
Lauenburg
[* 4] in
Deutschland
[* 5] angestellt, kehrte er 1813 nach
Piemont zurück, wo er sich seiner
Neigung zur
Malerei hingab, mußte aber, in die piemontesische
Revolution von 1821 verwickelt, nach
Frankreich
flüchten und machte dort kunstgeschichtliche
Studien, bis er 1833 nach
Piemont zurückgerufen ward, wo ihn König
Karl
Albert
zum
Direktor der
Pinakothek zu
Turin ernannte. An den liberalen
Reformen in
Piemont (1847) nahm er lebhaften
Anteil, wurde zum
Senator ernannt, zog sich aber später vom öffentlichen
Leben zurück und starb in
Turin. Unter
seinen kunstgeschichtlichen Werken verdienen die »Studj storici e archeologici
sulle arti del
disegno«
(Flor. 1862) als ein wichtiger Beitrag zur Geschichte der Malerkunst besondere Hervorhebung. Ein andres
Werk, die »Ritratti d'uomini illustri dipinti da illustri artefici estratti
dall' antica raccolta dei
Reali di Savoia«, erschien nach seinem
Tod
(Flor. 1863). -
Sein
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Sohn Vittorio Emanuele Taparelli, Marchese d'A., geboren um 1815, widmete sich ebenfalls Kunststudien, ergriff dann die diplomatische Laufbahn und war 1850-69 sardinischer Gesandter sowie später Vertreter des Königreichs Italien [* 7] in London. [* 8]
2) Massimo Taparelli, Marchese d', hervorragender ital. Publizist und Staatsmann, auch Dichter und Künstler, Bruder des vorigen,
geb. zu Turin, folgte in seinem 15. Jahr seinem Vater, einem hochgestellten Militär, nach Rom,
[* 9] wo er sich dem Studium der Malerei und Musik widmete, mußte gegen seine Neigung als Offizier in ein piemontesisches Kavallerieregiment
eintreten, erkrankte aber infolge allzu eifrig betriebenen Studiums und nahm den Abschied. Er widmete sich
nun, von dem Vater karg unterstützt, ganz der Malerei. Bald hatte er sich einen geachteten Künstlernamen erworben; namentlich
brachte er es in der Landschaftsmalerei rasch zur Meisterschaft. Nach achtjährigem Aufenthalt in Rom kehrte er nach Turin zurück
und ging nach dem Tod seines Vaters 1830 nach Mailand.
[* 10] Alessandro Manzoni, dessen Tochter er 1831 heiratete,
führte ihn auch der Litteratur zu. Seine Romane: »Ettore Fieramosca« (1833) und »Nicolò
de' Lapi« (1841; beide deutsch von Langenn, Leipz. 1842) trugen wesentlich zur Belebung des italienischen Nationalgefühls
bei, und bald nahmen die politischen Angelegenheiten Italiens
[* 11] Azeglios
ganze Thätigkeit in Anspruch. Er bereiste mit
seinen Freunden Balbo und Gioberti das Land, um den patriotischen Sinn zu stärken, trat dem Unwesen der Konspirationen entgegen
und mahnte die Ungeduldigen zur Mäßigung, wie er auch den König für zeitgemäße Reformen geneigt zu machen suchte. In
seiner Schrift »Degli ultimi casi di Romagna« geißelte er die traurige päpstliche Regierung und that den
italienischen Fürsten die Notwendigkeit einer nationalen Politik dar.
Nach der Thronbesteigung Pius' IX. (1846) kehrte er nach Rom zurück und wirkte hier bei den Reformen mit, mit welchen Pius' Regierung begann. Im J. 1848 schloß er sich den päpstlichen Truppen an, die zur Unterstützung des italienischen Kampfes bestimmt waren, befehligte bei Vicenza eine Legion und wurde schwer verwundet. Zum Mitglied der sardinischen Deputiertenkammer erwählt, ward er nach der Schlacht bei Novara von König Viktor Emanuel II. im Mai 1849 zum Präsidenten des Kabinetts und Minister des Auswärtigen berufen.
Trotz aller äußern und innern Schwierigkeiten wußte er Sardinien [* 12] seine freien Institutionen von 1848 zu bewahren und auch den industriellen Verhältnissen einen mächtigen Aufschwung zu geben. Im Oktober 1852 legte er aber wegen einer Meinungsverschiedenheit mit Cavour sein Amt nieder. Die Ereignisse von 1859 riefen ihn wieder in das öffentliche Leben zurück. Im März d. J. ging er als Gesandter nach Paris, und im Juli wurde er als Bevollmächtigter in die Romagna gesandt, wo er eine geordnete Regierung einsetzte und der herrschenden Anarchie ein Ende machte. In einer Flugschrift befürwortete er die Einverleibung der Herzogtümer und der Romagna in den in der Bildung begriffenen italienischen Staat und die Beschränkung der weltlichen Herrschaft des Papstes auf die Stadt Rom.
Nachdem er vom Februar bis September 1860 Gouverneur von Mailand gewesen, trat er für immer in das Privatleben zurück, blieb
indes dem König fortwährend eng befreundet und ein freimütiger Ratgeber. In der Frage der Hauptstadt wich er von seinen
Gesinnungsgenossen ab, indem er sich dafür aussprach, Rom als Residenz dem Papst zu belassen, aber zur
freien
italienischen Stadt zu machen und zugleich den Sitz des neuen Königreichs Italien nach Florenz
[* 13] zu verlegen. Die Verhandlungen
im Senat über die Konvention vom gaben Azeglio
Gelegenheit, sein Programm von 1861, das Florenz anstatt
Rom als Hauptstadt Italiens in Vorschlag brachte, vor der Versammlung in glänzender Weise zu entwickeln. Er starb Azeglio
schrieb
interessante Denkwürdigkeiten, welche von seiner Tochter unter dem Titel: »I miei ricordi« (2. Aufl., Flor. 1867, 2 Bde.; deutsch,
Frankf. a. M. 1869) herausgegeben wurden. Ergänzungen dazu bilden:
»Lettere a Giuseppe Torelli con frammenti in continuazione dei miei ricordi« (hrsg. von Paoli, Mail. 1870);
»Lettere a sua moglie Luisa Blondel«, seine zweite Gattin (hrsg. von Carcano, das. 1870);
»Massimo d'A. L'italie de 1847 à 1865; correspondance politique« (hrsg. von Rendu, Par. 1866);
»Lettere a Carlo di Persano« (Tur. 1878) und »Lettere inediti al marchese Emanuele d'A.« (das. 1883).
Azeglios
nachgelassene Schriften gab M. Ricci (Flor. 1871), eine Sammlung seiner kleinern Schriften Tabarrini
(das. 1873, 2 Bde.) heraus.
Vgl. die Biographien von Giuliani (Flor. 1866), Massari (Tur. 1867), Pavesio (Flor. 1871) und Bianchi, La politica di Massimo d'A. dal 1848 al 1859 (Briefe, Aktenstücke etc., Tur. 1884).