Azeglio
(spr. adseljo), Massimo Tapparelli, Marchese d'A., ital. Staatsmann und Dichter, aus altadliger piemont. Familie, geb. zu Turin, [* 2] ging, nachdem er kurze Zeit als Offizier in einem piemont. Reiterregiment gedient hatte, gelegentlich einer Gesandtschaftsreise seines Vaters Cesare Tapparelli d'A. nach Rom und [* 3] widmete sich hier während eines achtjährigen Aufenthalts der Malerei und daneben dem Studium der Geschichte. Nach Turin 1829 zurückgekehrt, siedelte er nach des Vaters Tode (1830) nach Mailand [* 4] über, wo er Manzonis Freund und Schwiegersohn wurde.
Durch ihn in den Kreis [* 5] der dortigen Schriftsteller eingeführt, veröffentlichte er die patriotischen Romane «Ettore Fieramoasca» (1833) und «Niccolò de' Lapi» (1841; beide deutsch von von Langenn, Lpz. 1842, der zweite auch anonym, Stuttg. 1845). Um den Fürsten Italiens [* 6] die Notwendigkeit einer nationalen und liberalen Politik zu beweisen und um päpstl. und österr. Mißwirtschaft zu geißeln, ließ er die Flugschriften «Degli ultimi casi di Romagna» (deutsch Lpz. 1846),
«Susi casi di Lombardia» (1846) und «I lutti di Lombardia» (1848) erscheinen. Infolgedessen zur Flucht gezwungen, begab er sich nach Rom, wo zum Teil unter seinem Einfluß Pius IX. seine Reformen begann. 1848 kämpfte er mit den röm. Freischaren gegen Österreich [* 7] in der Lombardei, später im Venetianischen und wurde als Oberst bei Vicenza schwer verwundet. Nach der unglücklichen Schlacht bei Novara übertrug ihm Victor Emanuel II. die Bildung des Ministeriums, in dem er die Verwaltung der äußern Angelegenheiten und die Präsidentschaft übernahm.
Durch seine abwartende und kluge Politik, namentlich
Frankreich gegenüber, erwarb er sich damals ebensoviele Feinde, darunter
Rattazzi, als später Bewunderer. Nachdem unter seinem Ministerium trotz des
Widerspruchs der päpstl. Kurie die freisinnigen
Kirchengesetze Siccards zu stande gekommen, folgte ihm
Cavour als Ministerpräsident. der 1848 und aufs neue 1853 in
den Senat berufen wurde und dazwischen im subalpinen Parlament saß, übernahm 1859 die Regierung der
Romagna, das
Amt eines Gouverneurs von Mailand, dann eine vertrauliche Sendung nach
London
[* 8] und zog sich hierauf ins Privatleben
zurück. 1861 trat er im Gegensatze zu
Cavour, der
Rom als Hauptstadt des neuen Staatswesens erstrebte, in den «Questioni urgenti»
für Verlegung der Hauptstadt nach
Florenz
[* 9] ein. Azeglio
starb In
Turin wurde ihm 1873 ein Bronzestandbild
errichtet. Als Dichter und Künstler von vielseitiger Begabung und leichter
Auffassung, hat er als Staatsmann durch Klugheit
und Mäßigung
Italien
[* 10] große Dienste
[* 11] geleistet. -
Vgl. A.s Denkwürdigkeiten: I miei ricordi (2. Aufl., 2 Bde., hg. von C. Paoli, Flor. 1867; deutsch Frankf. a. M. 1869) und A.s Briefe an seine Frau Luisa Blondel (hg. von Carcano, Mail. 1870), an Gius. Torelli (hg. von Paoli, ebd. 1870), an Carlo di Persano ¶
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(Tur. 1878), an Emanuele d'A. (hg. von Bianchi, ebd. 1883), an D. Pantaleone (ebd. 1889);
namentlich aber: L'Italie de 1847 à 1865, Correspondance politique de Massimo d'A (hg. von Rendu, Par. 1866) und Bianchi, La. politica di Massimo d'A. 1848 - 59 (Tur. 1884).
A.s Scritti postumi gab Ricci (Flor. 1871; 2. Aufl., ebd. 1872), seine Scritti politici e letterari Tabarrini (2 Bde., ebd. 1872) heraus. Unter den Lebensbeschreibungen sind hervorzuheben die von Camerini (Tur. 1861), Giuliani (Flor. 1866), W. Lang (in den «Preuß. Jahrbüchern», Bd. 17, Berl. 1866), Ciro d'Arco (Flor. 1866), Massari (Tur. 1867), Ratti (Asti 1868), Pavesio (Flor. 1871), Morozzo (ebd. 1884); Reumont, Charakterbilder aus der neuern Geschichte Italiens (Lpz. 1886); vgl. auch Bismara, Bibliografia di Massimo d'A. (Mail. 1878).
Roberto d'A., älterer Bruder Massimo d'A.s, geb. 1790 zu Turin, gest. ebenda, wurde 1809 zu Paris [* 13] Auditeur im Staatsrat Napoleons I., später Kriegskommissar zu Lauenburg; [* 14] 1814 wieder nach Italien gekommen, zog er sich vom öffentlichen Leben zurück und wandte sich der Malerei zu; infolge des Aufstandes von 1821 mußte er nach Genf [* 15] flüchten, von wo er 1826 nach Paris ging. 1833 wurde er zurückgerufen, und der König Karl Albert übertrug ihm die Leitung der Galleria reale zu Turin und berief ihn 1848 in den neu gegründeten Senat, wo er sich als Redner auszeichnete. Er veröffentlichte kunstgeschichtliche Werke, u. a. «Studj storici e archeologici sulle arti de disegno» (2 Bde., Flor. 1862), einen wichtigen Beitrag zur Geschichte der Malerei. - Sein Sohn Vittori Emanuele d'A., geb. um 1815, ging von der Kunst zum diplomat. Dienst über, war sardin.-ital. Gesandter in London 1850-69 und ist seit 1871 Mitglied des Senats.
Luigi Tapparelli d'A., ein anderer Bruder Massimos, gest. trat als Leiter der «Civiltà cattolica» gewandt für das Papsttum ein.