Avérnus
(Averner See), kleiner, kreisrunder See bei Cumä in Kampanien, westlich von Neapel, [* 2] 3 km im Umfang, 65 m tief, 1,2 m hoch gelegen, ein alter Vulkankrater, den das Altertum zum Mittelpunkt fast aller Sagen vom Schattenreich machte und so mit einem düster-poetischen Nimbus umkleidete. Hier war die Stätte des cumanischen Totendienstes;
hierher verlegte man Homers Nekyia (»Odyssee«, 11. Buch);
hier wohnten die Kimmerier in tiefen Höhlen;
hier waren Styx und Pyriphlegethon, der Hain der Hekate, [* 3] die Elysäischen Gefilde und des Äneas Hinabgang in den Tartarus.
Agrippa (unter
Augustus) lichtete
das mysteriöse
Dunkel; er ließ den dichten
Wald um den
See aushauen, die schauerliche Gegend in anmutige Kulturanlagen verwandeln
und den Avérnus
mit dem südlicher liegenden Lukriner
See (und weiter mit dem
Meer) verbinden. Die Entstehung des
Monte Nuovo 1538 zerstörte
diesen Zusammenhang wieder und verengerte den
Umfang des vorher kreisrunden
Kraters bedeutend. Was die
Alten von der unergründlichen Tiefe und von giftigen Exhalationen, die darüberfliegende
Vögel
[* 4] töten sollten, berichten,
entbehrt der Begründung; aber noch heute herrscht eine unheimliche
Stille über der Gegend, und die
Ufer des
Sees sind der
Malaria unterworfen. An der Ostseite finden sich
Ruinen, angeblich eines Apollotempels; an der Südseite
der Eingang zur
Grotta della Sibilla
Cumana, einem 4 m breiten und 5 m hohen unterirdischen, größtenteils verschütteten
Gang,
[* 5] der wohl zu
Agrippas Bauten gehört. - Avernalisch, zum Avernus
gehörig, höllisch.