Autonomie
(grch., d. i. Selbstgesetzgebung), die Befugnis, sich selber das Gesetz zu geben, individuelle Freiheit des Handelns, im philosophischen Sinne (Kant) die Eigenschaft des sittlichen Willens, sein Gesetz aus einem ihm eigenen, selbständigen Princip zu schöpfen und nicht von irgend einer andern Macht (der Lust und Unlust u. s. w.) sich diktieren zulassen (Gegensatz Heteronomie, s. d. und Ethik). - Im rechtlichen Sinne bedeutet Autonomie die befugte Selbstbestimmung einzelner Familien, Stände, Körperschaften in Festsetzung besonderer Rechtsvorschriften für ihren Verein im Rahmen der Staatsgesetzgebung, an welcher alle Autonomie ihre Schranke hat.
Das Mittelalter bat die freieste und mannigfaltigste Autonomie zugestanden, bis zur Auflösung der Staatseinheit durch dieselbe. Der moderne Staat ist demgemäß mit Recht vorsichtiger in Zulassung der Autonomie. Aber auch jetzt noch besteht die der Gemeinden, sowohl der Einzel- (Stadt- oder Land-) wie der Kreis- und Provinzialgemeinden, welche gesetzlich genau geordnet ist (s. Gemeinde). Neben dieser der Gemeinden ist für das moderne Rechtsleben von besonderer Wichtigkeit die der Religionsgesellschaften und Kirchen, insofern die neuere Staats- und Rechtsentwicklung principiell deren Selbständigkeit, allerdings unter selbstverständlicher Voraussetzung der Staatsaufsicht, anerkannt hat (s. Kirchenhoheit).
Für das Gebiet des Gewerbewesens ist reichsgesetzlich durch mehrere Specialvorschriften der Gewerbeordnung die der Gemeinden (Ortsstatuten) anerkannt. Eine solche Autonomie schützt die freie Bewegung und Anordnung dieser Verbände und wirkt dadurch wohlthätig. Außerdem gesteht der Staat auch noch die überlieferte Autonomie des hohen Adels mit Bezug auf bestimmte Institute des Familien- und Erbrechts zu (Hausgesetze, Fideïkommisse, Abfindung der Töchter u. s. w.). Durch Art. 14 der Bundesakte, der auch heute noch gilt, ist diese Autonomie garantiert; einzelne Gesetzgebungen (Preußen, Bayern, Baden) fordern jedoch die Genehmigung des Souveräns. -
Vgl. Scholly, Das Autonomierecht des hohen Adels (Münch. 1894).