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Verfassung und
Verwaltung. Die Bestrebungen, eine engere Verbindung der
austral.
Kolonien her- beizuführen, wurden nach längerer
Pause 1894 von Victoria
[* 3] von neuem angeregt, und im Jan. 1895 trat in.yobart
(Tasmanien) eine Konferenz der
Premier- minister
aller
Kolonien zusammen und einigte sich dahin, daß zehn
Vertreter jeder
Kolonie zu einer
Kon- vention zusammentreten
lollten, um eine
Bundes- verfassung zu entwerfen, die dann der engl. Negie- rung zur Genehmigung vorgelegt
werden soll.
Die Landmacht der austral. Kolonien betrug 1894: 16 593 Mann, die Flotte 23Fahrzeuge mit 1686Mann Bemannung, 247 Geschützen, 25343 t und 58 350 Pferdestärken, worunter jedoch 5 gedeckte Kreuzer und 2 Torpedokanonenbootc der engl. Marine. Die Einnahmen, Steuern, Ausgaben und Schul- den betrugen 1894 in Pfd. St.: An dem Rückgang hat also der Handel mit Eng- land nicht teilgenommen;
ebenso ist auch der Kandel mit Japan [* 4] außerordentlich rasch gewachsen. Im all- gemeinen herrscht das Bestreben nach Freihandel vor. In den letzten Jahren haben bereits Victoria und Ncusüdwales ihre Zölle bedeutend erniedrigt, und in letzterer Kolonie sollen sie bis auf Tabak, [* 5] Opium und Alkohol allmählich ganz abgeschafft werden. Verkehrswesen. Das Eisenbahnnetz hatte eine Länge von 22202 kiu; auf je 100 hkm Flächeninhalt kamen 0,3 km und auf je 10000 E. 52,21 Die Zunahme in den letzten vier Jahren betrug 3255 kin oder 17,2 Proz. Von den Bahnen lagen 3478 km auf Neuseeland, 3943 in der Ko- lonie Victoria, 4200 in Neusüdwales, 3026 in Südäustralien, 3828 in Queensland, 763 in Tas- manien, 1850 in Westaustralien und 114 km auf Kolonien Gesamteinnahmen Davon Zölle u. Steuern Gesamtausgaben Schulden insgesamt per Kopf insgesamt per Kopf Neusüdwales Victoria Queensland Südaustralien Westaustralien Tasmanien 9 300 711 6 559 601 3 413 172 2 433 689 863 680 696 795 2 688 693 2 497 567 1 417 490 518 510 415 083 281 945 2,15 2,12 3,18 1,47 5,05 1,79 9 178 706 7 087 674 3 308 434 2 533 245 755 564 789 805 58 204 253 46 939 328 30 639 534 22 306 500 3 417 339 7 779 145 46,51 39,89 68,82 63,29 41,63 49,40 Zusammen j 23267648 Landwirtschaft. Im allgemeinen ist in den letzten Jahren kein Fortschritt zu verzeichnen.
Das Areal der Weinberge hat zwar eine geringe Zunahme er- fahren; es betrug 1893/94 in Victoria 12 261, in Südaustralien 7054, in Neusüdwales 2978, in Queensland 810, in Westaustralien 665 da; aber die Ernte [* 6] hatte um fast ein Drittel gegen das Vor- jahr abgenommen. Es ernteten 1894 Victoria 1490184, Südaustralicn 712 845, Neusüdwales 748 949, Oucensland 101528 und Westaustralien 77484 Gallonen Wein. Umgekehrt bat sich die Zahl der Schafe [* 7] in den letzten Jahren vermindert, da- gegen der Ertrag der Schur vermehrt.
Beträchtliches Wachsen zeigt nur die Ausfuhr von gefrorenem und gedörrtem Fleisch und von Butter. In den letzten Jahren wurden von Chaffey Bro- thers am Murray Verieselungskolonicn angelegt, die außerordentlich günstige Erfolge aufwcifen. Tie früher wüstenähnlichen Gegenden sind jetzt von Obst- und Weingärten bedeckt. Gewaltige Maschinen pumpen das Wasser aus dem Fluß in unzählige Berieselungskanäle. So entstanden bereits die An- siedelungen Mildura in Victoria mit 3500 und Ren- mark in südäustralien mit 6-700 E. Es werden hauptsächlich Aprikosen, Pfirsiche, Feigen, Oliven, Orangen, Simonen, Nektarinen [* 8] und besonders Wein- trauben kultiviert, deren Ausfuhrwerte bereits sich auf mehrere Millionen Mark belaufen.
Handel. Auch in kommerzieller Hinsicbt ist ein Rückschritt zu verzeichnen: 2,25 , 23 653 428 169 286 099 > 48,82 Hawaii. Tie Australische Transkontinentalbahn ist bis Oodnadatta, im Nordwesten vom Lake Eyre, vollendet (1895). Telegraphen [* 9] wareil Ende 1894: 59 634 km (Drahtlänge 123056 km) im Betrieb. Schiffsverkehr 1894: 16338 Schissemit 15944696 t, davon 6563 mit 5 738 554 t in Neusüdwales, 4128 mit 4 291459 t in Victoria. Litteratur. Hughes, ^uäti-Älia lLvisitßä in 1890 (Lond. 1891);
Kinglake, 1^6 ^iiLtraiian at !iom6 (ebd. 1891);
G. Ranken, 1k6 k^Isi-ai ß6o- Ai-apii^ ol Vi-itiäd ^U8ti-a1^3i3 (Sydney [* 10] 1891); von Lcndenfeld, Austral.
Reise (Innsbr. 1892); Coghlan, ^ LtÄtistic acccnmt of td6 7 coloniez (Sydney 1892);
Wallace und Guillemard, ^u^tral- H8ia (2 Bde., Lond. 1893-94);
Ienks, 1k6 digwr)' of tlie ^.iiZti'^iaäiHn colonieä (Cambr. 1895); Sievers, und Oceanien (Lpz. 1895; Laurie, IKe Ltorv
ol ^iiLtraiiH, it8 (1i8c0V6r^ coloui^tiou ancl äevOlopmsut. (Lond. 1896).
«Austritt aus der Kirche. Das klassische kanonische
Recht, wie es bis zur
Reformation auch von den
Staaten anerkannt war, kannte
die Mög- lichkeit eines rechtlichen K. Austritt
aus der Kirche
nicht, vielmehr fiel die
Thatsache unter den strafrechtlichen
Begriff der
Apostasie.
Die nachreformatorische
Entwicklung führte in Teutschland allenthalben zu einer staats- gesetzlichen
Regelung der Frage, die durchweg auf einer dem Princip des kanonischen
Rechts entgegen- gesetzten Grundlage erfolgte. Im einzelnen
sind die deutschen Gesetzgebungen allerdings sehr ver-
Kolonien Einfuhr in 1000 Pfd. St. im ganzen 1893 i 1894 ans England
1893 ! 1894 Ausfuhr in 1000 Pfd. St. im ganzen 1893 1894 nach England
1893 1894
Neu süd Wales Victoria Qneensland
Südaustralien
Westaustralien
Tasmanien Zusammen 13 107 13 284 4 353 7 934 1494 1058 15 802 12 471 4 337 »227 2 114 980 9 249 6 079 3 310 2 646 264 253 10 760 6 559 2 734 2 328 319 347 22 921 13 309 9 633 8 464 918 1 352 20 578 14 027 8 796 7 302 1251 1 489 4 832 3 353 1333 1405 524 328 5 011 3 774 1689 1597 589 305 46 230 41931 21801 23 547 56 597 53 443 I 11775 12 965
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schieden, insbesondere bezüglich der wichtigsten Rechtsfolge des K., Austritt
aus der Kirche
, der Frage der religiösen
Kindererziehung. Allgemein anerkannt ist heute, daß ein K. Austritt
aus der Kirche
überhaupt erfolgen kann, ohne daß die strafrechtlichen
Folgen des kanonischen Rechts irgend welchen Einfluß auf das bürgerliche Gebiet haben könnten. Dies ist eine logische Konsequenz
aus der Bekenntnissreihcit. Allgemein anerkannt ist ferner, daß der K. Austritt
aus der Kirche
zugleich ein übertritt zu einer andern Kirche oder
Religionsgesellschaft sein kann.
Nicht ganz ebenso allgemein anerkannt ist dagegen die Zulässigkeit des K. Austritt
aus der Kirche
ohne übertritt
zu einer andern Kirche oder Religionsgesellschaft; für die Verfassungen seit Mitte dieses Jahrhunderts
folgt sie zweifelsohne aus dem Princip der Bekennt- nisfreiheit, nachdem seitdem das Streben nach Kon- fessionslosigkcit häusiger
wurde, also im Sinne der Zeit unier Vekenntnisfreiheit auch Religionslosig- keit zu verstehen war. Für den K. Austritt
aus der Kirche
haben die Staatsgesetze zum Teil bestimmte Formen vorgeschrieben, von deren Einhaltung erst die Befreiung
von Abgaben an die betreffende Religionsgemeinde eintritt.
Das preußifche Gesetz vom schreibt für den K. Austritt
aus der Kirche
ohne gleichzeitigen übertritt
zu einer andern mit Korporationsrechten versehenen Religionsgesellschaft vor, daß die Austritt
serklärung von dem Austretenden
in Person vor dem für Auf- nahme von Handlungen der freiwilligen Gerichts- barkeit bestimmten Richter
(Amtsrichter) seines Wohnortes abzugeben ist. Der Aufnahme der Er- klärung hat ein hierauf gerichteter mündlich zu Pro- tokoll
gegebener oder schriftlich eingereichter Antrag voranzugehen.
Der für vollständig befundene An- trag ist seitens des Richters unverzüglich dem Vor- stande (nicht dem Geistlichen) der Kirchengemeinde, welcher der Antragsteller angehört, in Abschrift nach- richtlich zuzustellen. Die Aufnahme der Austritts- erklärung sindet nicht vor Ablauf [* 12] von vier Wochen nach Eingang des Antrags zu gerichtlichem Proto- koll statt. Die Anberaumung eines besondern Termins zu jener Aufnahme findet nicht statt, der Antragsteller kann sich an jedem Geschäftstagc vom 29. bis 42. Tage nach Eingang des Antrags melden.
Auf Verlangen wird eine Vcscheiniguug des Aus- tritts erteilt. Außer baren Auslagen werden nur Abschriftsgebühren erhoben.
Die Austritt
serklä- rung bewirkt Befreiung von den pekuniären Pflichten gegenüber dem bisherigen Neligionsverband. Für
Austritt mit übertritt zu einer andern anerkannten Religionsgesellschaft läßt es das Gesetz vom beim
bestehenden Recht. Dies ist für die ver- schiedenen Rechtsgebiete Preußens
[* 13] verschieden. Nach Preuß.
Landrecht II, 11, §. 41, erfolgt der Übergang zu einer andern Religionspartei durch jede ausdrück- liche, d. h.
bestimmte Willenserklärung. Zu einer solchen Erklärung genügt die Eintrittserklärung; es bedarf keiner Austritt
serklärung.
Die Erklärung bedarf keiner besondern Form. Für das kurhess. Gebiet
gilt noch das kurhess. Gesetz vom hiernach hat eine Austritt
serklärung an den
Pfarrer zu erfolgen. Für die übrigen preuß. Pro- vinzen fehlen gesetzliche Bestimmungen. - In Bayern
[* 14] ist Erklärung an die
geistlichen Vorstände beider Kirchen zu richten. - In Sachsen
[* 15] ist der Konfessionswechsel zwischen zwei
ausdrücklich aner- kanntcn christl. Konfessionen
[* 16] nach Mandat vom bedingt durch persönliche Anzeige beim Pfarrer
der bisherigen Konfession, der hierüber
aber erst nach einer dem Anzeigenden aufzuerlegen- den vierwöchentlichen Bedenkzeit
und erst nach Berichterstattung an den Vorgesetzten Zeugnis er- statten darf, und durch Aufnahme in die
andere Kirche, für welche der Staat keine Form vorschreibt. Für den Austritt aus einer anerkannten Religions- gesellschaft
ohne gleichzeitigen übertritt in eine an- dere anerkannte christl. Konfession gilt nach Gesetz,
vom 20. Iuui 1870, daß der Austretende seinen Austritt seinem ordentlichen Nichter persönlich zu Protokoll anzeigt und dabei
glaubhaft nachweist, daß er dem Pfarrer seiner Parochie vier Wochen vorher die Absicht auszutreten persönlich
zu erkennen gegeben hat. - In Württemberg
[* 17] ist jeder Aus- tritt aus der evang. Kirche beim Vorsitzenden des Kirche
ngemeinderats,
der Austritt aus der kath. Kirche beim Vorsitzenden des Kirche
nstiftungsrats (Gesetze vom vom Austretenden selbst
schriftlich oder mündlich anzuzeigen. - In Ham- burg ist der Austritt vor dem Standesbeamten zu erklären. - In Österreich
[* 18] (Gesetz vom ist der Austritt aus einer anerkannten Reli- gionsgemeinschaft der polit.
Behörde erster Instanz (Vezirkshauptmannschaft, Stadtmagistrat) zu mel- den, welche dem Vorsteher oder Seelsorger der ver- lassenen Religionsgesellschaft die Anzeige übermittelt. Den Eintritt in eine neugewählte anerkannte Reli- gionsgemeinschaft muß der Eintretende dem Vor- steher oder Seelsorger persönlich erklären. Im allgemeinen ändert sich mit der Religion der Eltern auch die der Kinder, d. h. der Vater bestimmt, ob und in welcher Religion das Kind unterrichtet werden darf. Es ist dies die Frage der religiösen Kindererziehung (s. d., Bd. 10). Das Einfüh- rungsgefetz zum Vürgerl.
Gefetzbuch Art. 134 hat hier das vielgestaltige Landesrecht aufrecht erhalten^ teils weil die Frage nicht rein privatrechtlich
ist, sondern auch öffentlichrechtliche Verhältnisse, daK interkonfessionelle Kirche
nstaatsrecht, berührt, teils weil der
Versuch, die Frage im Bürgerl. Gesetzbuch zu ordnen, wegen der in dieser Frage bestehenden scharfen konfessionellen
und polit. Gegensätze zu einer Gefahr für das Zustandekommen des Bürgerl. Ge- setzbuches geworden wäre.
Die preuß. Verwaltungs- praris zwingt der Verfassung wohl zuwider auch die Kinder konfessionsloser Eltern zum Besuch des- Religionsunterrichts
einer anerkannten Glaubens- gesellschaft, weil dieser obligatorischer Volksschul- lehrgegenstand sei.
In Österreich zieht der Austritt der Eltern oder eines der Elternteile nicht den Aus- tritt der bereits geborenen Kinder aus
ihrem Reli- gionsbekenntnisse nach sich. Von welchem Zeitpunkt ab selbständig der K. und Austritt
aus der Kircheund
die Religionswahl erfolgen kann,
ist streitig. Im alten Reiche hatte sich eine allerdings bestrittene Observanz für das 14. Lebensjahr
als «Unterschei- dungsaltcr» (annu8äi8e gebildet. Späterhin wurde diefe
Frage in den Einzelstaaten in sehr ver- schiedener Weise geordnet; einige Staaten, so ins- besondere Preußen,
[* 19] Württemberg,
Hessen,
[* 20] Mecklen- burg, Oldenburg,
[* 21] haben das 14. Jahr beibehalten, andere sind bis zum Volljährigkeitsalter hinaufge- gangen,
fo besonders Bayern, Sachsen und eine Reihe von Kleinstaaten; ferner räumen die meisten Gesetzgebungen
der empfangenen Firmung oder Konfirmation eine gewisse rechtliche Wirkung ein.
Vgl. Austritt
Schmidt, Der K. Austritt
aus der Kirche (Lpz. 1893); Artikel
Konfessionslose Personen im «Osterr. Staats- wörterbuch», Bd. 2 (Wien
[* 22] 1896).
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