Ausnahmegesetze,
zunächst solche in dem allgemein anerkannten Rechte enthaltene Bestimmungen, die eine Ausnahme von sonst gültigen Regeln, ein jus singulare, vorbehalten, z. B. daß Minderjährige, in Widerspruch mit dem Satze, daß abgeschlossene Verträge zu halten sind, gegen eingegangene Verpflichtungen oder Veräußerungen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (s. d.)erlangen. Man versteht unter Ausnahmegesetze aber auch Verfügungen der höchsten Exekutivgewalt, durch welche aus dem Anlasse eines wirtlichen oder vorgeblichen Notstandes verfassungsmäßige Rechte suspendiert werden.
Hierauf kam schon im alten Rom die Ernennung eines Diktators hinaus, ingleichen der Erlaß eines Senatus consultum extraordinarium, durch das den Konsuln eine ganz diskretionäre Gewalt eingeräumt wurde. Aus den neuern Zeiten sind als Ausnahmemaßregeln zunächst die zahlreichen Beispiele einer offenen oder verdeckten Kabinettsjustiz anzuführen, durch welche Angeschuldigte den gewöhnlichen Gerichten entzogen und entweder ohne alles Urteil auf bloße Lettres de cachet (s. d.) eingesperrt oder vor ein Ausnahmegericht von eifrigen Anhängern der bestehenden Gewalt gestellt und summarisch abgeurteilt wurden.
Solche Ausnahmegerichte waren unter den Stuarts die Sternkammer (s. d.), in Frankreich die Chambres ardentes (s. d.), unter Napoleon I. die verhaßten Prevotalgerichte (s. d.) zur Unterdrückung des Schleichhandels und aller Emeuten. In England begründet die Suspension der Habeas-Corpus-Akte ebenso ein Ausnahmerecht. Andere Ausnahmeverfügungen betreffen entweder einzelne Körperschaften oder Parteien, wie z. B. das Gesetz des Deutschen Reichs betreffend den Orden der Gesellschaft Jesu, vom das Reichsgesetz vom betreffend die unbefugte Ausübung von Kirchenämtern (s. Ausweisung), und das Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Socialdemokratie vom oder sie erfassen den gesamtem öffentlichen Zustand, so die Einstellung gewährleisteter Freiheiten, wie z. B. gewisser Grundrechte der Deutschen Bundesakte durch die Karlsbader Beschlüsse (s. d.) von 1819, ferner die Verkündigung des Martialgesetzes (s. d.) mit der Wirkung des
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Belagerungs- oder Kriegszustandes (s. Belagerungszustand), die Proklamierung des Standrechts, die Suspension oder selbst Aufhebung von rechtlich bestehenden, die eigenmächtige Octroyierung von neuen Verfassungen. Derartige Ausnahmegesetze setzen immer Ausnahmeverhältnisse voraus und können nur unter dieser Voraussetzung als gerechtfertigt betrachtet werden, bedingen demgemäß auch eine besonders hohe Verantwortung der sie erlassenden Staatsgewalt.