Ausgleichu
ngspflicht
(Übertragung des Wortes Kollationspflicht), die Verpflichtung gewisser Miterben, sich mit Rücksicht auf dasjenige, was der einzelne Miterbe aus dem Vermögen des Erblassers bei dessen Lebzeiten vorweg erhalten hat, miteinander auszugleichen.
Als berechtigt, die Ausgleichung
zu fordern, werden im Gemeinen
Rechte nur angesehen
Abkömmlinge (s. d.), welche neben andern
Abkömmlingen einen gemeinschaftlichen
Vorfahren auf
Grund der gesetzlichen Erbfolge beerben, oder welche zwar auf
Grund einer
letztwilligen
Verfügung erben, aber nur sofern sie in Ermangelung einer letztwilligen
Verfügung erben
würden und soweit der
Erblasser die Ausgleichung
nicht verboten hat. Die neuern Gesetzbücher, z. B. Sächs.
Bürgerl. Gesetzb. §. 2371, Österr.
Bürgerl. Gesetzb. §. 790, beschränken die Ausgleichung
auf den Fall der gesetzlichen
Erbfolge, für das
Preuß. Allg.
Landrecht hat sich das Deutsche
[* 2] Reichsgericht gegen eine solche
Beschränkung
ausgesprochen. - Als ausgleichu
ngspflichtig bezeichnet das Gemeine
Recht nach der herrschenden
Auffassung nur die
Abkömmlinge.
Inwieweit die an
die
Stelle eines ausgleichu
ngspflichtigen
Abkömmlings Tretenden ausgleichu
ngspflichtig sind, sofern sie nicht
selbst zur Zeit des Vorwegerhaltens berechtigt sind, ist im Gemeinen
Rechte nicht unbestritten. Die neuern
Rechte bestimmen zumeist eine in Ansehung des auf den
Abkömmling Gelangten, das
Preuß. Allg. Landr. II, 2, §§. 359-363,
Österr.
Bürgerl. Gesetzb. §. 790, Sächs.
Bürgerl. Gesetzb. §. 2359, der
Code civil Art. 848 nur, wenn der entferntere
Abkömmling kraft des Eintrittsrechts (Repräsentationsrechts) erbt.
Andere
Rechte bezeichnen jeden
Noterben
als ausgleichu
ngspflichtig, der
Code civil Art. 843 «tout héritier venant
à une succession». Wegen des
Begriffs
«Erbe» im franz.
Recht vgl.
Erbe. - Gegenstand der Ausgleichung
ist alles, was mit der
Auflage, dasselbe auf den Erbteil anzurechnen (zu konferieren),
zugewendet ist; überdies, ohne solche
Auflage, nach Gemeinem
Recht namentlich das zur
Begründung einer
selbständigen Lebensstellung Zugewendete, also
Mitgift,
Ausstattung, zur Errichtung eines eigenen Hausstandes Gegebenes u. s. w.,
nur bedingt Schenkungen unter Lebenden. Der
Code civil läßt nach Art. 843 fg. alle
Vorteile anrechnen, welche dem Erden direkt
oder indirekt, aber freigebig zugewendet sind; das
Preuß. Allg. Landr. II, 2, §§. 327-329 außer der
Ausstattung u. s. w. geschenkte «Grundstücke,
Gerechtigkeiten und ausstehende Kapitalien». Ihm ist darin das Gothaer Erbgesetz von 1844 gefolgt.
Die Art der Ausgleichung ist verschieden geordnet. Im Gemeinen Rechte spricht man von einem Einwerfen, der Code civil redet von einem «rapport» in Art. 857 fg. Auch die älteste deutschrechtliche Auffassung soll die des Einbringens in die Erbschaft sein; so bestimmt noch das Sächs. Bürgerl. Gesetzb. §§. 2363, 2367, jedoch mit einem Wahlrechte des Verpflichteten. Andere Rechte entscheiden für ein Vorausverabfolgen von ebensoviel, z. B. Preuß. Allg. Landr. II, 2, §§. 303, 309, oder von «Erhalten des nämlichen Betrages vor der Teilung», z. B. Österr. Bürgerl. Gesetzb. §. 793. Im württemb. Rechte finden sich beide Arten der Ausgleichung nebeneinander. Für das Gemeine Recht wird auch von einem Anrechnen bei der Naturalteilung des Nachlasses gesprochen, jedoch bestehen über diesen Punkt Meinungsverschiedenheiten.
Verschieden bestimmen ferner die geltenden Rechte, in welcher Weise die Anordnung, daß oder daß nicht auszugleichen sei, wirksam getroffen werden kann. Zum Teil ist vorgeschrieben, daß die Ausgleichung nie dazu führen dürfe, daß der Verpflichtete mehr als seinen Erbteil zu gewähren habe, vgl. z. B. Sächs. Bürgerl. Gesetzb. §. 2361. Nach Gemeinem Rechte besteht kein Zwang zur Ausgleichung, aber eine Weigerung, der Verpflichtung zu genügen, hat die Folge, daß der Verpflichtete seinen Erbteil an die Berechtigten verliert; indessen wird häufiger die Vorschrift des Sächs. Bürgerl. Gesetzbuchs als mit dem Gemeinen Rechte übereinstimmend erachtet.
Der Deutsche Entwurf hat in den §§. 2157 fg., Motive V, 698 fg. den Gegenstand so geregelt, daß nur ein Forderungsrecht auf Ausgleichung gewährt wird, und zwar nur Abkömmlingen, welche auf Grund der gesetzlichen Erbfolge berufen sind, in Gestalt einer Wertausgleichung.
Vgl. Stobbe, Handbuch, §. 284.