Ausfuhrprämien
(frz. primes d'exportation; engl. bounties),
staatliche Unterstützungen, die gewissen Gewerbezweigen zum Zwecke der Förderung ihrer Ausfuhr gewährt werden.
Sie entstanden zur Zeit des herrschenden
Merkantilsystems (s. d.), als es sich in erster Linie
darum handelte, Industriezweige, die im Inlande noch gar nicht, oder doch nicht in genügendem
Umfange betrieben wurden, ins
Leben zu rufen, zur
Blüte
[* 2] zu bringen oder exportfähig zumachen. Die Ausfuhrprämie
kann in verschiedener Form gewährt werden.
Am klarsten erscheint sie, wenn sie ohne weitere
Bedingung lediglich auf
Grund der Ausfuhr einer gewissen
Ware bewilligt wird.
Derart waren die in England bereits um 1688 eingeführten Ausfuhrprämien
für Weizen, Gerste,
[* 3] Malz und Hafergrütze.
Sie wurden indes nur gezahlt, wenn der Preis des Getreides unter eine bestimmte Grenze gefallen war, und nach mehrfachen
Abänderungen und
Suspensionen 1806 ganz aufgehoben. Als solche Prämie besteht gegenwärtig nur noch
diejenige, die in
Frankreich für die Ausfuhr der von franz. Fischern gelieferten
Stockfische gegeben wird, gleichviel ob diese
direkt aus
Neufundland oder aus franz. Specialentrepots ausgeführt werden. In
Deutschland
[* 4] wurde 1887 eine unmittelbare Getreideausfuhrprämie
in
Vorschlag gebracht, und es wurde im
Reichstage auch darüber verhandelt, jedoch ohne Erfolg.
Das Gesetz vom betreffend die Aufhebung des
Identitätsnachweises (s. d.) beim Getreideexport, gewährt keine
Prämien, sondern hat die Einfuhrscheine geschaffen, in der
Absicht, auf diesem Wege den Getreidehandel zu erleichtern und
die
Landwirtschaft, namentlich die des
Ostens und Nordens, zu fördern. Größtenteils erscheinen die Ausfuhrprämien
heute
in der Form der
Rückerstattung eines die Ausfuhrware belastenden
Steuer- oder Zollbetrags. Handelt es sich nur darum, daß
die thatsächliche Belastung zurückgezahlt wird, so spricht man von
Zoll- oder
Ausfuhrvergütung, Exportbonifikation (s. d.),
drawback. Erst wenn die gewährte Vergütung die wirkliche Belastung übersteigt, zeigen sich in mehr oder weniger versteckter
Gestalt die Prämien.
Solche Ausfuhrprämien
sind nach dem Vorgange
Frankreichs, das zuerst für den
Kolonialzucker, seit 1826 auch für den
Rübenzucker erhebliche
Prämien bewilligte, heute in vielen
Staaten üblich, namentlich auf dem Gebiete der Zuckerindustrie. Sie werden teils offen,
teils indirekt gewährt. Ersteres geschieht auf
Grund der Fabrikatsteuer, indem ein bestimmter
Satz für
jede zur Ausfuhr gelangte Gewichtseinheit bezahlt wird. Derart gewährt
Österreich-Ungarn
[* 5] für 100 kg Zucker
[* 6] eine offene
Prämie von 1,50
Fl. bei mindestens 88 Proz. Polarisation,
[* 7] von 1,60
Fl. bei mindestens 93 Proz. und von 2,30
Fl. bei
Raffinade
mit mehr als 99,5 Proz. Zuckergehalt. In
Deutschland sind die seit 1861 üblich gewesenen und wiederholt
geänderten
Steuerrückvergütungen bei der Ausfuhr 1892 beseitigt worden.
Dafür wird vom bis eine feste Prämie («Ausfuhrzuschuß»)
von 1,25 M. pro 100 kg Rohzucker von 90 bis 98 Proz. Zuckergehalt, von 2 M. für Kandis,
Brot- und Krystallzucker
von mindestens 99,5 Proz. Zuckergehalt, von 1,65 M. für allen übrigen satten Zucker bewilligt.
Vom bis sollen diese
Sätze auf 1 M., 1,75 M. und 1,40 M. vermindert werden und später ganz fortfallen.
Die Höhe der wirklich gezahlten deutschen Ausfuhrprämien
berechnete sich
pro Metercentner Rohzucker:
1883/84 auf | 3,72 M. |
1884/85 " | 4,15 " |
1885/86 " | 4,88 " |
1886/87 " | 4,55 " |
1887/88 " | 4,98 " |
1888/89 " | 2,22 " |
1889/90 " | 2,39 " |
1890/91 " | 2,28 " |
1891/92 " | 2,27 " |
1892/93 " | 1,25 " |
Indirekte Ausfuhrprämien
ergeben sich auf
Grund der Rübengewichts-, Saft- und Typensystemsbesteuerung aus einer zu
niedrigen gesetzlichen Ausbeuteannahme der Rohprodukte (Rüben- und Rübensäfte) und Halbfabrikate (Rohzucker). So geschieht
es in
Belgien,
[* 8] den
Niederlanden,
Frankreich und
Rußland. Die in
Frankreich gezahlte Prämie berechnete sich durchschnittlich
pro 100 kg Rohzucker:
1884/85 auf | 6,30 M. |
1885/86 " | 10,19 " |
1886/87 " | 11,65 " |
1887/88 " | 9,58 " |
1888/89 " | 7,43 " |
1889/90 " | 8,20 " |
1890/91 " | 4,50 " |
Die Verschiedenartigkeit der Prämiensätze hat von jeher zu außerordentlich häufigen
Veränderungen in der Gesetzgebung
Veranlassung geboten. Um die unsichern Zustünde im internationalen Zuckerhandel zu beseitigen und rationelle Grundsätze
der
Besteuerung in die Gesetzgebung einzuführen, traten wiederholt wichtige Produktions- und Konsumtionsländer
zu Konferenzen zusammen, so 1862 und 1864 in
Paris,
[* 9] 1871-75 in
London,
[* 10] ohne indes das erstrebte Ziel, die Beseitigung der Ausfuhrprämien
, zu
erreichen. Auch die
Londoner Zuckerkonvention vom führte nicht zu dem gewünschten Resultat.
Eine dritte Form der Ausfuhrprämien
entsteht im Anschluß an den Veredelungsverkehr (s. d.).
Sie zeigen sich hier namentlich dann, wenn nicht an der
Identität des eingeführten Rohstoffes festgehalten wird, sondern
irgend ein anderer in verarbeiteter Form ausgeführt werden darf. Die Prämie wird hier nicht unmittelbar vom
Staate gezahlt,
sondern erscheint in Form eines Zollausfalls bei der Einfuhr der rohen
Stoffe. Derartige Ausfuhrprämien
haben oft
Unzufriedenheit erregt und zu
Repressalien der Nachbarstaaten Veranlassung geboten. (S.
Acquit-à-caution.)
Im allgemeinen hat sich in neuerer Zeit die Überzeugung
Bahn gebrochen, daß die Ausfuhrprämien
zur
Hebung
[* 11] des gesamten wirtschaftlichen
Lebens kein geeignetes
Mittel sind. Allerdings sind z. B. die Zuckerindustrie und die
Landwirtschaft durch
sie in hohem
Maße kapitalkräftig und entwicklungsfähig gemacht worden, auch die Verbilligung der Zuckerpreise innerhalb
der letzten Jahrzehnte dürfte vorzugsweise auf sie zurückzuführen sein; aber man kann doch nicht in Abrede stellen, daß
andere Staatsinteressen dadurch nachteilig berührt werden.
Vgl. Leris, Die französischen Ausfuhrprämien
(Bonn
[* 12] 1870), sowie desselben
Abhandlungen: und
Identitätsnachweis (im
«Handwörterbuche der
Staatswissenschaften»);
von Kaufmann, Die Zuckerindustrie in ihrer wirtschaftlichen und steuerfiskalischen Bedeutung für die Staaten Europas (Berl. 1878);
Herbertz, im Wochenblatt «Die deutsche Zuckerindustrie», Jahrg. 1887-39 (Berlin); [* 13]
Paasche, Zuckerindustrie und Zuckerhandel der Welt (Jena [* 14] 1891),
und desselben Abhandlung: Zuckerindustrie und Zuckersteuer im «Handwörterbuch der Staatswissenschaft» (Bd. 6, Jena 1894).