Ausdehnung
,
in der Physik die Eigenschaft der Körper, Raum zu erfüllen. Die
Größe dieses Raumes
heißt der Rauminhalt oder das
Volumen des Körpers. Diese
Größe ist aber keineswegs absolut, sie kann vielmehr durch Einwirkung
von Kräften vermehrt oder vermindert werden; eine
Vermehrung des Rauminhalts wird ebenfalls Ausdehnung
,
[* 2] eine Verminderung dagegen
Zusammendrückung genannt. Die Eigenschaft der Körper, solche Volumenveränderungen bei gleichbleibender
Masse zuzulassen,
wird in dem erstern Falle
Ausdehnbarkeit oder Expansibilität, im letztern Falle Zusammendrückbarkeit oder
Kompressibilität
genannt.
Alle Körper werden durch die Wärme
[* 3] ausgedehnt und ziehen sich beim Erkalten wieder zusammen. Wenn feste Körper sich
durch Erwärmung ausdehnen, so kann man entweder nur die Ausdehnung
ihrer Länge (lineare Ausdehnung
) oder
die
Vermehrung ihres räumlichen
Inhalts (Ausdehnung
des
Volumens) in Betracht ziehen. Die der festen Körper ist
bei derselben Temperaturerhöhung geringer als die der tropfbarflüssigen, die der letztern, unter sonst gleichen Umständen,
geringer als die der gasförmigen Körper. Die lineare der festen Körper bei der Erwärmung ersichtlich und meßbar zu
machen, dazu dient ein besonderer
Apparat (s. umstehende
[* 1]
Fig. 1). Der zu erwärmende
Stab
[* 4] t stößt mit dem einen Ende gegen
einen festen
Widerstand v, mit seinem andern Ende gegen den kürzern
Arm eines Winkelhebels, dessen längerer
Arm l auf einer
Skala s die Ausdehnung
des
Stabes
t in vergrößertem Maßstabe zeigt. Je mehr sich der
Stab t
¶
mehr
ausdehnt, desto mehr erhebt sich der Hebelarm l. Aus der an der Skala s abgelesenen Zahl für die Erhebung von l kann man die
Ausdehnung
des Stabes für eine bestimmte Temperaturerhöhung berechnen.
Derartige messende Versuche haben gelehrt: 1 m Zink verlängert sich, wenn seine Temperatur zwischen 0°
und 100° C. um 1° C steigt, um 0,0000294 m. Man nennt die Zahl, die angiebt, um den wievielten Teil ihrer Länge sich die
Längeneinheit eines Körpers bei der Temperaturerhöhung von 1° C. (zwischen 0° und 100° C.) ausdehnt, den Ausdehnungskoefficienten
des betreffenden Körpers. Diese Zahl hat man mit t zu multiplizieren, wenn man die Ausdehnung
für
die Temperaturerhöhung von t° C. berechnen soll.
Der Ausdehnungskoefficient für 1° C. beträgt bei Messing 0,0000188, Kupfer [* 6] 0,0000171, Eisen [* 7] 0,0000122, Platin 0,0000088 und Glas [* 8] 0,00000861. In der Regel erfolgt die der festen amorphen Körper und der Krystalle des regulären Systems (s. Krystalle) nach allen Richtungen hin gleichmäßig, bei den andern Krystallen findet dies jedoch nicht statt. Die Zahl, die angiebt, um den wievielten Teil ihres Volumens sich die Volumeneinheit eines Körpers bei der Temperaturerhöhung von 1° C. (zwischen 0° und 100° C.) ausdehnt, heißt kubischer Ausdehnungskoefficient; er beträgt (wie in [* 5] Fig. 2 durch den Zuwachs angedeutet ist) fast das Dreifache des linearen Ausdehnungskoefficienten.
Ein Glasgefäß, das um 1° C. erwärmt wird, erhöht also sein Volumen um 3 mal 0,00000861 des ursprünglichen Volumens. Die
der festen Körper muß im praktischen Leben, z. B. beim Legen der Eisenbahnschienen, die
für die Ausdehnung
Zwischenräume erhalten müssen, berücksichtigt werden. Die Angaben von Präcisionsmaßstäben
müssen nach den Temperaturen korrigiert werden; die Normaltemperatur, bei welcher dieselben genau richtig sind, muß angegeben
sein.
Die der tropfbaren Flüssigkeiten wird dadurch ersichtlich, daß sie sich stärker ausdehnen als ihre Gefäße; man erhält
also zunächst nur ihre scheinbare Volumenausdehnung
, aus der die wahre berechnet wird, indem man zur
erstern die der Gefäße addiert. Um die Ausdehnung
zu messen, bedient man sich entweder thermometerartiger Gefäße (Dilatometer),
oder man bestimmt das Gewicht der zu untersuchenden Flüssigkeit, die ein kleines Glasgefäß bei verschiedenen Temperaturen
(z. B. 0° und 100° C.) enthält. Solche Gefäße
[* 5]
(Fig. 3 und 4) füllt man bei 0° C. mit der Flüssigkeit
[* 5]
(Fig. 4 bis zur Marke a) und bestimmt dann das Gewicht der letztern bei 0° C.
Erhöht man hierauf die Temperatur auf 100° C., so tritt ein Teil der Flüssigkeit
[* 5]
(Fig. 3) aus dem Gefäß
[* 9] oder
[* 5]
(Fig. 4) über die Marke, von wo sie bis zur letztern entfernt wird. Wenn jetzt bei 100° C. wieder das Gewicht der zurückgebliebenen
Flüssigkeit bestimmt wird, so läßt sich aus den beiden Wägungen
die scheinbare der Flüssigkeit für den Temperaturunterschied
von 0° bis 100° C. berechnen. Man erhält hierdurch den kubischen Ausdehnungskoefficienten, der für
die meisten Flüssigkeiten bei verschiedenen Temperaturen verschieden ist; nur für Quecksilber ist er so gut wie konstant gleich
0,00018153=1/5509, weshalb sich das Quecksilber besonders gut als Thermometerflüssigkeit eignet. Sehr unregelmäßig ist
die Ausdehnung
des Wassers, das bei +4° C. seine größte Dichte besitzt und sich von hier an sowohl bei der
Erwärmung, als auch bei der Abkühlung ausdehnt (s. Wasser). Die Kraft,
[* 10] mit der sich das Wasser beim Gefrieren ausdehnt,
ist so mächtig, daß es die stärksten Gefäße und selbst eiserne Bomben
[* 5]
(Fig. 5 und 6), die man mit
Wasser gefüllt der Kälte aussetzt (Williams in Quebec 1785 und Hagenbach 1879), sprengen kann.
Die Gase und
[* 11] Dämpfe dehnen sich noch bei weitem stärker aus als die tropfbaren Flüssigkeiten, und zwar alle in nahezu gleichem
Maße. Ihre Ausdehnung
beträgt für je 1° C. Temperaturerhöhung 0,003665=1/273 des jeweiligen
Volumens. Die Ausdehnung
oder Zusammenziehung der Gase wächst proportional den Angaben des Quecksilberthermometers (Gay-Lussacsches Gesetz
1802). Sind die Gase allseitig durch feste Wände abgesperrt, so wächst ihre Spannkraft, also ihr Druck auf die Wände proportional
mit der Temperaturzunahme. Die der Gase wird zu wissenschaftlichen Zwecken bei Luft- und Gasthermometern
verwendet. (S. Thermometer
[* 12] und Dimension.)
[* 13]
Im philosophischen Sinne ist Ausdehnung bei Descartes und dessen Nachfolgern der Ausdruck für das Außereinander oder den Raum (s. d.); bei Spinoza sind und Denken die Attribute der einen Substanz.