[* 2] in der
Geometrie s.
Dimension.
[* 3] In der
Metaphysik ist die Ausdehnung die allen
Körpern gleichmäßig zukommende Grundeigenschaft,
vermöge welcher sie einen bestimmten
Raum einnehmen und erfüllen. Wie klein auch ein
Körper gedacht werden möge, ganz ohne
Anspruch auf ein Teilchen des unendlichen
Raums kann er nicht sein, er muß seine
Materie irgendwo unterbringen
und für seine Form irgend einen Teil des unendlichen
Raums sich ausscheiden. Ein
Ding ohne alle Ausdehnung im
Raum hört für unsre
Vorstellung auf, ein
Körper zu sein; wir können es nur als mathematischen
Punkt denken.
[* 2] (thermische), die Raumvergrößerung, welche fast alle
Körper beim Erwärmen erleiden. Die Ausdehnung fester
Körper
ist so gering, daß es besonderer Veranstaltungen bedarf, um dieselbe bemerklich zu machen. Paßt z. B.
eine Metallkugel ganz genau in einen Metallring, so daß sie eben noch hindurchgeschoben werden kann, so geht sie nicht mehr
hindurch, wenn man sie erwärmt hat. Eine wagerecht in einem Blechtrog liegende Metallstange sei mit
ihrem einen Ende gegen ein festes
Widerlager gestemmt, mit ihrem andern Ende drücke sie auf den einen
Arm eines
Hebels, der
an seiner Drehungsachse einen kleinen
Spiegel
[* 4] trägt.
Auf diesen
Spiegel lasse man einen Lichtstrahl fallen, welcher, von dem
Spiegel zurückgeworfen, auf der
gegenüberliegenden Wand oder auf einem dort aufgestellten
Maßstab
[* 5] einen hellen Lichtfleck erzeugt. Erwärmt man nun die
Stange, so dreht sich der
Spiegel, und man erkennt an der
Wanderung des Lichtflecks, daß die
Stange sich ausdehnt.
Hat man den
Blechtrog anfangs mit schmelzendem
Eis
[* 6] oder
Schnee,
[* 7] sodann mit siedendem
Wasser gefüllt, so kann man von der
an dem
Maßstab abzulesenden
Strecke, welche der Lichtfleck durchläuft, auf die
Verlängerung
[* 8] schließen, welche der
Stab
[* 9] bei
der Erwärmung vom
Gefrierpunkt bis zum
Siedepunkt des
Wassers erlitten hat. Durch dieses oder ein ähnliches
Verfahren hat man
gefunden, daß ein
¶
mehr
aus einem der nachgenannten Stoffe verfertigter Stab von 1 m oder 1000 mmLänge bei der Erwärmung von 0 auf 100° sich um die
beigeschriebene Anzahl von Millimetern verlängert:
Nimmt man nun an, was auch sehr nahe zutrifft, daß die Ausdehnung zwischen 0 und 100° gleichmäßig erfolge, d. h.
für gleiche Erhöhungen der Temperatur gleichviel betrage, so findet man die Verlängerung, welche ein Körper bei der Erwärmung
um 1° erfährt, gleich dem hundertsten Teil der obigen Zahlen; ein Zinkstab z. B. von 1 m Länge dehnt
sich, wenn man ihn um 1° erwärmt, um 0,03 mm aus oder, was dasselbe ist, um 0,00003 m, d. h. um 3/100000
seiner ursprünglichen Länge. Diese Zahl, welche ausdrückt, um den wievielten Teil seiner Länge bei 0° ein Körper bei der
Erwärmung um 1° sich ausdehnt, nennt man seinen Längen- oder linearen Ausdehnungskoeffizienten. Nach den besten Beobachtungen
werden die Längenausdehnungskoeffizienten nachgenannter Körper durch folgende Zahlen ausgedrückt:
Bezeichnet man den linearen Ausdehnungskoeffizienten eines Körpers mit α und seine Länge bei 0° mit l0, so ist seine
Länge l bei t°: l = l0 (1+αt). Von der Verschiedenheit der Ausdehnung verschiedener fester Körper macht man
manche nützliche Anwendung. Da die Schwingungsdauer eines Pendels bei Verlängerung desselben sich vergrößert, so muß eine
mit gewöhnlichem Pendel
[* 11] versehene Uhr
[* 12] bei hoher Temperatur zu langsam, bei niedriger Temperatur zu schnell gehen. Bei dem Rostpendel
(Kompensationspendel,
[* 2]
Fig. 1) wird diese den gleichmäßigen Gang
[* 13] der Uhr störende Einwirkung der Wärme
[* 14] ausgeglichen
(»kompensiert«),
indem die kürzern, aber stärker sich ausdehnenden Zinkstangen zz die Pendellinse ebensoweit nach oben schieben,
als sie durch die längern, aber weniger ausdehnungsfähigen Eisenstangen eee nach abwärts geschoben wird. Taschenuhren,
bei welchen die Wärmeeinwirkung ausgeglichen ist, nennt man Chronometer; die Ausgleichung wird bewirkt durch Metallstreifen,
die aus zwei verschiedenen Metallen zusammengelötet sind (sogen. Kompensationsstreifen) und sich daher
bei der Erwärmung so biegen, daß das stärker sich ausdehnende Metall auf der gewölbten Seite der Biegung liegt. Solche
Streifen in Halbkreisform mit kleinen Gewichten an ihren Enden werden, das stärker ausdehnbare Metall nach außen, am Umfang
der Unruhe befestigt; bei der Erwärmung werden sich nun jene Gewichtchen dem Mittelpunkt der Unruhe nähern
und dadurch die Verschiebung nach außen, welche die Masse der Unruhe
durch die Ausdehnung erleidet, wieder ausgleichen. Derartige Streifen
werden ferner zur Herstellung von Metallthermometern benutzt (s. Thermometer).
[* 15]
Die der festen Körper beim Erwärmen und ihre Zusammenziehung bei der Abkühlung erfolgt mit großer
Gewalt. Bei der Herstellung eiserner Brücken,
[* 16] bei der Schienenlegung etc. muß man daher den einzelnen Stücken den zu ihrer
Ausdehnung notwendigen Spielraum lassen, damit sie nicht durch die Kraft,
[* 17] mit welcher sie sich ausdehnen, verkrümmt oder zerdrückt
werden. Der Schmied legt den eisernen Radreif in glühendem Zustand lose um das Rad; nach der Erkaltung
umschließt der enger gewordene Reif das Rad so fest, wie es anders kaum erreichbar wäre.
Bei festen Körpern, aus welchen sich Stäbe verfertigen lassen, war es am natürlichsten, ihre Längenausdehnung zu ermitteln;
da sie sich in demselben Verhältnis auch nach der Breite
[* 18] und Dicke ausdehnen, so kennt man hiermit auch
die Vergrößerung ihres Rauminhalts (Volumens) oder ihre körperliche Ausdehnung, und zwar beträgt der körperliche oder kubische
Ausdehnungskoeffizient, d. h. die Zahl, welche angibt, um den wievielten Teil seines Rauminhalts
bei 0° ein Körper sich ausdehnt bei der Erwärmung um 1°, sehr nahe das Dreifache des Längenausdehnungskoeffizienten.
Bei flüssigen Körpern kommt überhaupt nur die körperliche in Betracht. Um dieselbe nachzuweisen und ihrer Größe nach
zu bestimmen, kann man sich eines Glaskolbens bedienen, dessen Hals an einer Stelle verengert und hier mit einer Marke a versehen
ist (Dilatometer,
[* 2]
Fig. 2). Füllt man das Gefäß
[* 19] bei gewöhnlicher Zimmerwärme bis zur Marke mit einer
Flüssigkeit, z. B. Petroleum, und erwärmt es durch Eintauchen in warmes Wasser, so sieht man die Flüssigkeit bald über die
Marke in den darüber befindlichen trichterförmigen Teil des Halses steigen.
Die Größe der Ausdehnung lernt man kennen, wenn man ermittelt, wieviel von der Flüssigkeit bei einer bestimmten
Erwärmung, z. B. vom Schmelzpunkt des Eises (0°) bis zum Siedepunkt des Wassers (100°), über die Marke ausgetreten ist, indem
man das Gefäß, nachdem man es bei jeder dieser Temperaturen bis zur Marke gefüllt hat, beidemal abwägt. Man findet z. B.
auf diese Weise, daß von 1 Lit. oder 1000 ccmQuecksilber bei der Erwärmung von 0 auf 100° 15,4 ccm austreten.
Diese Zahl gibt aber nur die scheinbare (relative) Ausdehnung des Quecksilbers in Bezug auf Glas
[* 20] an; der Hohlraum des Glasgefäßes
dehnt sich nämlich bei der Erwärmung gerade so aus, als ob er ein massiver Glaskörper wäre, so daß
eine Glasflasche, welche bei 0° 1L. oder 1000 ccm faßt, bei 100° um 2,6 ccm weiter wird. Um die wahre (absolute) Ausdehnung des
Quecksilbers allein zu erhalten, müssen also zu den 15,4 ccm, welche ausgeflossen sind, noch die 2,6 ccm hinzugezählt werden,
welche das erweiterte Gefäßin sich aufgenommen hat. Die wahre Ausdehnung des Quecksilbers von 0 bis 100° beträgt
demnach 18 Tausendteile. Auf diese Weise hat man gefunden, daß bei der Erwärmung von der Temperatur des schmelzenden Eises
bis zu der des siedenden Wassers
sich ausdehnt. Kauft man also 1L.Öloder 1L.Petroleum einmal bei kaltem, ein andermal bei heißem Wetter,
[* 22] so erhält man
im letztern Fall merklich weniger Ware als im erstern. Die angeführten Zahlen zeigen zunächst, daß die Flüssigkeiten sich
bei gleicher Temperaturerhöhung stärker ausdehnen als die festen Körper. Wäre ihre Ausdehnung gleichmäßig,
so könnte man ihre Ausdehnung für je einen Grad aus obigen Zahlen einfach durch Division mit 100 ableiten. Für Quecksilber trifft
diese Voraussetzung zwischen 0 und 100° in der That zu, und gerade darum ist dieses flüssige Metall zur Füllung der Thermometer
von so großem Wert; sein Ausdehnungskoeffizient ist hiernach 0,00018. Die
andern Flüssigkeiten dagegen dehnen sich bei höhern Temperaturen schneller aus als bei niedrigen.
Ein besonders eigentümliches Verhalten aber zeigt das Wasser. Ein Glasgefäß, welches sich nach oben in eine Glasröhre fortsetzt
(Wasserthermometer,
[* 21]
Fig. 3), sei bis zu dem obern Strich mit Wasser von 0° gefüllt; erwärmt man nun langsam,
so sieht man die Wassersäule zunächst sinken bis zum untern Strich, um bei weiterm Erwärmen zuerst langsam wieder bis zum
ursprünglich innegehabten Stand und dann immer rascher darüber hinaus zu steigen. Unter gehöriger Berücksichtigung der
Ausdehnung des Glases ergibt sich aus diesem Versuch, daß sich das Wasser bei der Erwärmung von 0 bis 4° C. zusammenzieht
und dann erst bei weiterer Erwärmung sich ausdehnt; eine Wassermenge nimmt also bei 4° einen kleinern Raum ein als bei jeder
andern Temperatur: das Wasser hat bei 4° seine größte Dichte, es ist bei dieser Temperaturspezifisch schwerer als
bei jeder andern. 1L. oder 1000 ccmWasser von 4° dehnt sich aus beim Erwärmen
auf
8° um
1/10 Kubikzentimeter
"
16°
1
"
30°
4
"
60°
17
"
100°
43
beim Erkalten auf 0° dehnt es sich ebenfalls aus um 1/10 ccm, und beim Erstarren zu Eis findet eine plötzliche
Ausdehnung statt um 90 ccm, so daß das Eis (spez. Gew. 0,9) selbst auf kochendem Wasser schwimmt. Diesem merkwürdigen Verhalten des
Wassers ist es zu verdanken, daß unsre größern Seen niemals bis auf den Grund gefrieren können. Im Winter erkalten zuerst
die obern Wasserschichten durch Ausstrahlung und Berührung mit der kalten Luft; solange die Temperatur
der größten Dichte noch nicht erreicht ist, sinkt das schwerere kalte Wasser zu Boden und wird durch aufsteigendes wärmeresWasser ersetzt.
Dieses Spiel dauert fort, bis endlich die ganze Wassermasse die Temperatur von 4° besitzt. Erkalten jetzt die oberflächlichen
Schichten noch tiefer, so kann ihr kälteres Wasser, weil es leichter ist als das von 4°, nicht mehr hinabsinken;
es behauptet sich oben, und hier beginnt auch, wenn die Oberfläche die Temperatur des Gefrierpunktes erreicht hat, die Eisbildung;
da das Eis ebenfalls nicht untersinken kann, so überzieht sich die Wasserfläche mit einer schützenden
Eisdecke, welche das Erkalten der untern Schichten
verzögert und daher nur allmählich an Dicke zunimmt.
In der Tiefe aber behält das Wasser jahraus jahrein, auch wenn der Seeoben zugefroren ist, die Temperatur von 4° und ermöglicht
dadurch das Fortbestehen des Lebens der Wassertiere. Würde das Wasser, wie andre Flüssigkeiten, beim Erkalten
und Erstarren schwerer werden, so müßte das Gefrieren eines Sees von unten herauf erfolgen und die ganze Wassermasse rasch
zu einem ungeheuern Eisklumpen erstarren. Die Sonnenwärme des nächsten Sommers würde, statt Früchte zu reifen, kaum zum
Schmelzen dieser gewaltigen Eismassen hinreichen, und unsre Gegenden würden zur unbewohnbaren Eiswüste.
- Die der Flüssigkeiten vollzieht sich ebenfalls mit großer Gewalt; beim Füllen eines Fasses mit Öl oder Petroleum läßt man
daher noch einen kleinen, mit Luft erfüllten Spielraum übrig, weil sonst das Faß
[* 23] bei höherer TemperaturGefahr liefe, zersprengt
zu werden. Ganz ungeheuer ist die Kraft, mit welcher das Wasser beim Gefrieren sich ausdehnt; mit Wasser
gefüllte Flaschen, Wasserleitungsröhren, selbst dickwandige Bomben werden beim Gefrieren ihres Inhalts zersprengt.
Noch beträchtlicher als die der Flüssigkeiten ist diejenige der gasförmigen Körper; um sie wahrzunehmen, bedarf es daher
auch keiner feinern Hilfsmittel. Taucht man z. B. die Mündung eines
etwas langhalsigen Glaskölbchens unter Wasser, so daß die Luft im Innern durch das Wasser abgesperrt ist, so reicht die Erwärmung
des Kölbchens mit der Hand
[* 24] hin, die eingeschlossene Luft so auszudehnen, daß ein Teil derselben in Blasen aus der Mündung
entweicht. Will man aber die Ausdehnung messen, so muß man berücksichtigen, daß der Rauminhalt eines
Gases nicht bloß von seiner Temperatur abhängt, sondern auch (nach dem MariotteschenGesetz, s. d.) von dem Druck, welchem er
ausgesetzt ist, und muß daher Sorge tragen, daß die Messung des ursprünglichen und des durch Ausdehnung vergrößerten
Rauminhalts bei dem gleichen Druck vorgenommen werde. Hierzu kann man sich folgender Vorrichtung
[* 21]
(Fig.
4) bedienen.
Ein kleiner Glasballon A steht durch eine enge Glasröhre B mit dem kürzern Schenkel C eines weitern zweischenkeligen Glasrohrs
CD (Manometer)
[* 25] in Verbindung, in welches Quecksilber durch den offenen Schenkel D eingegossen und durch den Hahn
[* 26] c abgelassen
und dadurch auf einen beliebigen Stand gebracht werden kann; im kürzern Schenkel ist oben eine Marke a angebracht.
Man umgibt nun den mit trockner Luft gefüllten Ballon
[* 27] A, dessen Rauminhalt samt demjenigen der Glasröhre B bis zur Marke a
genau ermittelt ist, mit schmelzendem Eis oder Schnee und bewirkt, während derselbe durch den Hahn b noch
mit der äußern Luft in Verbindung bleibt, daß das Quecksilber im kürzern Schenkel an der Marke a und im längern gleichhoch
steht; die Luft im Ballon übt alsdann denselben Druck aus wie die äußere, welch letzterer durch den gleichzeitigen Barometerstand
angegeben wird. Nun läßt man, nachdem der Hahn b