(Verdampfen, Abrauchen, Einengen, Verdunsten, Evaporieren), die teilweise oder vollständige Verflüchtigung
eines Lösungsmittels, um eine konzentriertem Lösung oder den gelösten Körper in fester Form zu erhalten.
Aus wässerigen Lösungen verdunstet das Wasser beim Stehen an freier Luft, der Prozeß verläuft aber sehr langsam und um so
langsamer, je kleiner die Oberfläche der Lösung, je feuchter die Luft, je niedriger die Temperatur ist, und je unvollständiger
die an der Oberfläche der Lösung gebildeten Wasserdämpfe durch Luftzug fortgeschafft werden.
Man gießt daher, um die Verdunstung möglichst zu beschleunigen, die Lösung in flache Gefäße (Schalen, Pfannen) oder breitet
sie, wie in den Salzgärten an der Küste, in welchen Meerwasser verdunstet, über noch sehr viel größere Flächen aus. Man
erbaut auch gegen den herrschenden Wind gerichtete Wände aus Dorngestrüpp (Gradierwerke) und läßt die
zu verdunstende Lösung über diese Wände herabrinnen. Indem die Lösung hierbei alle Zweige befeuchtet, erhält sie eine sehr
große Oberfläche, und der Wind, welcher die Wand durchweht, führt die gebildeten Dämpfe sehr schnell fort.
Weitaus in den meisten Fällen verdampft man Lösungen unter Anwendung erhöhter Temperatur. Man erhitzt
sie in offenen Pfannen oder Kesseln zum Kochen und heizt mit Spiritus,
[* 6] Petroleum, Gas, Holz,
[* 7] Kohle etc. unter dem Gefäß
[* 8] (Verdampfen
mit Unterfeuer). Eine für viele Zwecke geeignete Konstruktion dieser Abdampfvorrichtungen, die Bootpfanne, zeigt
[* 4]
Fig. 2. Sehr
große Vorzüge bietet aber die Heizung
[* 9] mit Dampf,
[* 10] den man entweder in einen Mantel leitet, welcher den
untern Teil der Pfanne umgibt, oder in ein Schlangenrohr, welches in die Pfanne gelegt wird. Letztere Einrichtung ist nur anwendbar,
wo nicht zu häufige Reinigung des Abdampfgefäßes in Frage kommt, und wo keine Ausscheidungen während
des Verdampfens erfolgen. Wetzels Verdampfpfanne
[* 4]
(Fig. 3) besteht aus einer halbcylindrischen Pfanne mit Dampfmantel, in welcher
ein aus Dampfleitungsröhren gebildeter cylindrischer Körper rotiert, der in die zu verdampfende Flüssigkeit eintaucht, zum
größern Teil aber aus derselben hervorragt.
Dieser Körper vergrößert die Oberfläche der Flüssigkeit bedeutend, und auf den in der Luft befindlichen
heißen Röhren
[* 11] findet eine sehr lebhafte Verdampfung statt. Bei allen Verdampfpfannen muß man für gute Ableitung der Dämpfe
sorgen, und vorteilhaft leitet man mit Hilfe eines Ventilators einen starken Luftstrom, besonders von erhitzter Luft, über
oder durch die Flüssigkeit. Wo die Berührung mit den heißen Feuerungsgasen und eine Verunreinigung
durch Asche nicht nachteilig sind, können
die Feuerungsgase direkt über die zu verdampfende Flüssigkeit hinweggeleitet werden (Verdampfen mit Oberfeuer). Dies geschieht
sowohl im Flammofen, dessen
Sohle die Flüssigkeit aufnimmt, als beim in Pfannen, und um Verunreinigung der Flüssigkeit zu
vermeiden, wendet man Generatorgase an. Erträgt die zu verdampfende Flüssigkeit nicht die Siedetemperatur, oder soll das
Anbrennen oder Spritzen vermieden werden, so erhitzt man sie meist in Bädern, besonders im Wasser- oder Dampfbad (s. Bad).
[* 12] Ganz
allgemein beschleunigt man das Verdampfen nicht siedender Flüssigkeiten durch Rühren, welches entweder mit der
Hand
[* 13] oder mittels eines Rührwerks ausgeführt wird.
Mit großem Vorteil verdampft man Flüssigkeiten, welche hohe Temperaturen oder die Einwirkung der Luft nicht ertragen, im luftverdünnten
Raum. Hierzu dienen Vakuumapparate, wie sie besonders in der Zuckerfabrikation üblich sind. a
[* 4]
(Fig. 4) ist eine
sehr große, aus Kupferblech getriebene Hohlkugel mit dem Dom b und der Heizschlange c. Die aus dem Apparat
entweichenden Wasserdämpfe gelangen durch das Rohr d in den Kondensator,
[* 14] wo sie durch kaltes Wasser, welches aus dem ringsum
durchlöcherten Rohr e einspritzt, verdichtet werden.
Das gesamte Wasser wird durch eine Luftpumpe, welche mit dem Rohrf inVerbindung steht, fortgeschafft. Das
Rohr g dient zur Füllung und h zur Entleerung des Apparats. Steigt bei zu lebhaftem Kochen die Flüssigkeit in den Kondensator
über, so sammelt sie sich an dem äußern Rohr und kann bei i abgelassen werden. Der aus einer verdampfenden Flüssigkeit
sich entwickelnde Dampf entweicht gewöhnlich in die Luft; Rillieux schlug zuerst vor, diesen Dampf noch
weiter zum Verdampfen andrer Flüssigkeiten zu benutzen. Er konstruierte einen Apparat aus drei liegenden Cylindern, durch deren
untere Hälfte, ähnlich wie bei Lokomotivkesseln, Siederöhren in großer Zahl hindurchgingen. In die Siederöhren des ersten
Cylinders wurde Dampf aus dem Dampfkessel
[* 15] geleitet, während der zweite und dritte Cylinder mit dem aus der
im ersten Cylinder verdampfenden Flüssigkeit sich entwickelnden Dampf geheizt wurden. Eine Luftpumpe stellte in der oben angegebenen
Weise ein Vakuum her, so daß der Siedepunkt der verdampfenden Flüssigkeit¶
mehr
hinreichend erniedrigt wurde. Derartige Apparate fanden, wesentlich verbessert, seit 1850 besonders durch Tischbein und Robert
Verbreitung. Man konstruierte mehrere im Detail voneinander abweichende Apparate mit drei Körpern, leitete in den ersten direkten
Dampf und heizte mit dem Dampf des ersten Körpers den zweiten und mit dem in diesem sich entwickelnden
Dampf den dritten Körper.
Einen Schritt weiter geht das Rittingersche System, bei welchem eine und dieselbe Wärmemenge wiederholt ausgenutzt wird. Eine
gewöhnliche Abdampfpfanne mit doppeltem Boden ist durch einen Deckel luftdicht verschlossen, und der über der Flüssigkeit
befindliche Raum steht mit dem Raum im doppelten Boden durch Röhren in Verbindung, zwischen welche eine doppelt
wirkende Luftpumpe eingeschaltet ist. Der ganze Apparat ist mit schlechten Wärmeleitern umgeben und wird aus einem Dampfkessel
mit Dampf gefüllt, bis die zu verdampfende Flüssigkeit die Temperatur dieses Dampfes angenommen hat.
Die abgegebene Wärme aber dient zur weitern Entwickelung von Dampf aus der Flüssigkeit. Durch fortgesetzte Arbeit der Luftpumpe
tritt ein gewisser Beharrungszustand ein, während dessen sich ein konstanter Unterschied zwischen der Temperatur des im Bodenraum
verdichteten Dampfes und jener der darüber befindlichen Flüssigkeit herstellt. Während dieses Zustands
gibt der im Bodenraum verdichtete Dampf genau so viel Wärme ab, wie der im Pfannenraum entwickelte Dampf zu seiner Bildung bedarf.
Es ist aber notwendig, die Luftpumpe durch Wasserkraft zu betreiben, da die Anwendung von Dampfkraft die Vorteile der Brennmaterialersparung
mehr als aufheben würde. Das diesem System zu Grunde liegende Prinzip ist durch Piccard weiter ausgebildet
worden, und sein Apparat hat auf Salinen bereits vorteilhafte Anwendung gefunden. Sollen beim Abdampfen die entweichenden Dämpfe wieder
kondensiert werden, um das Lösungsmittel nicht verloren gehen zu lassen (bei alkoholischen, ätherischen Lösungen), so wird
die Operation in Destillationsgefäßen ausgeführt, und das Abdampfen verwandelt sich somit in
eine Destillation.
[* 18]
In den gewöhnlichen Abdampfapparaten kann die Arbeit intermittierend oder kontinuierlich betrieben werden. Im ersten Fall füllt
man die Gefäße mit der abzudampfenden Flüssigkeit und erhitzt, bis die gewünschte Konzentration erreicht ist, bisweilen
unter Nachfüllen von Flüssigkeit, um zuletzt eine vollständige Füllung des Gefäßes mit konzentrierter
Flüssigkeit zu erreichen. Bei kontinuierlichem Betrieb dagegen fließt beständig konzentrierte Flüssigkeit ab, während
frische an einer andern, möglichst entfernten Stelle des Gefäßes zugeleitet wird.
Diese Methode ist besonders bei sehr großen Pfannen anwendbar, in welchen man überdies durch Anbringung von Scheidewänden
den von der Flüssigkeit zurückzulegenden Weg möglichst verlängert. Bei Benutzung kleinerer Pfannen
werden mehrere zu einer Batterie vereinigt und terrassenförmig aufgestellt. Die schwache Flüssigkeit tritt in die eine am
Ende der Batterie
gelegene Pfanne ein und gelangt aus einer in die andre Pfanne, bis sie hinreichend konzentriert am andern
Ende der Batterie abfließt. Dabei befindet sich die Feuerung unter der stärksten, resp. niedrigsten Pfanne,
so daß die Feuerungsgase die schwächste Pfanne mit der frischen kalten Beschickung zuletzt bestreichen. Dieselbe Einrichtung
kommt auch zur Anwendung, wenn man zum VerdampfenRetorten benutzt. Auch im Robertschen Apparat durchströmt die zu verdampfende
Flüssigkeit kontinuierlich die drei Körper.
Das beim Gradieren benutzte Prinzip wird auch für höhere Temperaturen verwertet. Man läßt die zu verdampfende
Flüssigkeit in einem Turm
[* 19] über Koks, Steingutscherben od. dgl. herabrieseln, so
daß sie eine große Oberfläche erhält, und leitet heiße Luft in den untern Teil des Turms. Der aufsteigende Luftstrom kommt
dann der Flüssigkeit entgegen, und es wird eine sehr energische Verdampfung erzielt (Glover Turm der Schwefelsäurefabriken).
In einem andern Apparat (Ungerers Turm) hängen mehrere HundertDrahtseile oder Ketten von der Decke
[* 20] vertikal herab, und während
die Flüssigkeit an diesen herabrinnt, steigen die Feuerungsgase in dem Turm auf.
Die Gefäße, welche man zum Abdampfen benutzt, bestehen aus Metall, Glas
[* 21] oder Thon. Sie müssen mehr flach als
tief sein, um die Dampfbildung zu befördern, und möglichst dünnwandig behufs leichterer Übertragung der Wärme auf die Flüssigkeit.
In dieser Hinsicht sind Metallgefäße vorzuziehen, doch werden die Metalle (mit Ausnahme der kostbarern) von vielen Flüssigkeiten
angegriffen. Man benutzt gußeiserne (oft emaillierte), besser schmiedeeiserne Pfannen, welche bei bedeutender
Größe aus Blechplatten zusammengenietet werden.
Glasgefäße und namentlich Porzellan- und Steingutschalen finden ausgedehnte Verwendung. Die Feuerung muß möglichst vollständige
Verbrennung des Heizmaterials und möglichst vollständige Übertragung der Wärme auf die Flüssigkeit gestatten. 1 qm
Kesselfläche liefert, wenn das Wasser im Kochen erhalten wird, etwa 0,5 kg Dampf in der Minute. Erfahrungsgemäß verdichtet 1 qm
dünnes Kupferblech etwa 1,5 kg Dampf in der Minute, wenn der Temperaturunterschied zu beiden Seiten des Blechs
50° beträgt.
Soll 1 qm Heizfläche 0,5 kg Dampf in der Minute liefern, so muß also die Differenz 16,66° betragen und, da das siedende Wasser
100° besitzt, der Dampf in der Dampfschlange 116,66° heiß sein, was einem Druck von 1,7 Atmosphäre entspricht. Wollte man
mit Dampf von nur 108° arbeiten, so müßte man die Oberfläche der Dampfschlange auf 2 qm bringen.
Sehr häufig benutzt man zum Heizen der Abdampfpfannen die heißen Gase
[* 23] (Abhitze), welche aus andern Feuerungen, Öfen
[* 24] etc.
entweichen, und zum Heizen von Dampfschlangen den Dampf, welcher in der Dampfmaschine
[* 25] bereits Dienste
[* 26] geleistet hat.
Vgl. Schultz,
Die Berechnung der Abdampfapparate (Berl. 1863);