Aurel
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Aurel,
1) Antoninus Pius, mit welchen beiden Namen er gewöhnlich benannt wird, eigentlich Titus Aurelius Fulvus Bojonius Antoninus Pius, Sohn des Titus Aurelius Fulvus, geb. 86 n. Chr. zu Lanuvium, erzogen in Lorium, trat frühzeitig in Staatsämter als Quästor, Prätor, Konsul, war unter Hadrian einer der vier Konsularen, welchen die Verwaltung von Italien [* 4] übertragen wurde, später Prokonsul in Asien [* 5] und von Hadrian 138 nach dem Tod seines ersten Adoptivsohns, Älius Verus, adoptiert und zum Cäsar ernannt. Antoninus selbst mußte den Marcus (Antoninus) Verus, Sohn des Bruders seiner Gemahlin Annia Faustina, und den Lucius Verus, des Älius Verus Sohn, adoptieren.
Daß er dem Hadrian nach seinem Tod beim Senat göttliche Verehrung erwirkte, erwarb ihm den Beinamen Pius. Er regierte von 138 bis 161. Er hatte schon vor Antritt der Regierung zahlreiche Beweise seiner Weisheit und Milde gegeben, und so war auch seine ganze Regierung eine Kette von Beweisen gleicher Art. Er sorgte überall für Aufrechterhaltung der Ordnung und Gesetze, wählte die Statthalter der Provinzen mit Einsicht und der sorgfältigsten Rücksicht auf deren Wohl, unterstützte mit Freigebigkeit die von Unfällen betroffenen Städte und Landschaften, erweiterte in Rom [* 6] die Stiftung Trajans für arme Kinder durch Gründung neuer Stellen für Mädchen, die er nach seiner Gemahlin Faustina benannte, bewies auch den Christen eine wohlwollende Duldung und versäumte dabei nichts, was der Glanz des Reichs erforderte. Er vollendete das Mausoleum Hadrians, stellte das Amphitheater, den Tempel [* 7] des Agrippa, die Häfen in Terracina und Cajeta, den Leuchtturm auf der Insel Pharos wieder her, schmückte Lanuvium mit mehreren Tempeln u. dgl. m. Dieselben vortrefflichen Eigenschaften, welche die innere Wohlfahrt des Reichs förderten, gewannen ihm auch nach außen das größte allgemeine Ansehen. Es wird berichtet, daß Fürsten, die um den Thron [* 8] stritten, ihn zum Schiedsrichter machten, daß Völker Gesandtschaften an ihn schickten, um sich den König von ihm zu erbitten, und daß seine Briefe ausreichten, um fremde Fürsten von Einfällen in das römische Gebiet abzuhalten.
Infolge davon war auch seine Regierung eine fast durchaus friedliche; nur in Britannien wurde gegen die Briganten ein glücklicher Krieg geführt, außerdem bedurfte es nur zur Unterdrückung kleiner vereinzelter Aufstände der Anwendung der Waffen. [* 9] Er starb 161, nach 23jähriger Regierung, 74 Jahre alt. Nach seinem Tod wurden ihm vom Senat alle Ehren zuerkannt, welche je einem Kaiser erwiesen worden waren, und die nachfolgenden Kaiser, bis auf Elagabal, ehrten ihn dadurch, daß sie sich alle den Beinamen Antoninus beilegten. Sein würdiges und achtunggebietendes Äußere stellt sich uns noch in den zahlreich erhaltenen Büsten und Münzen [* 10] dar.
Vgl. Bossart und Müller, Zur Geschichte des Kaisers Antoninus (Leipz. 1868).
2) Marcus Aurelius Antoninus, geb. 26. April 121 n. Chr., ein Verwandter Hadrians und des Antoninus Pius, stammte aus einer vornehmen Familie Spaniens, wurde aber in Rom erzogen und gewann schon in seiner Jugend durch seine vortrefflichen Eigenschaften die Gunst sowohl Hadrians als des Antoninus Pius. Er hieß eigentlich Annius Verus, wurde aber noch auf Anordnung Hadrians von Antoninus Pius adoptiert und nannte sich nun Marcus Aurelius Verus Antoninus, wozu bei den Alten häufig noch der Zuname Philosophus gefügt wird. Nach seinem Regierungsantritt wurde er von Antoninus Pius zum Cäsar ernannt und lebte nun mit seinem ¶
Adoptivvater, der ihm auch seine Tochter Faustina zur Gemahlin gab, in vertrautester Freundschaft, hauptsächlich mit seinen Studien beschäftigt, aber auch an den Regierungsgeschäften thätigen Anteil nehmend. In seinen frühern Jahren widmete er sich unter der Leitung des Cornelius Fronto mit dem größten Eifer den rhetorischen Übungen, wie sie damals betrieben zu werden pflegten; von seinem 25. Lebensjahr an gab er sich aber ganz dem stoischen Philosophen Junius Rusticus hin, der ihn völlig für sich und seine Philosophie gewann. So war er also auch als Kaiser (161-180) durchaus stoischer Philosoph, aber im besten Sinn, indem er sein Leben nach den strengen sittlichen Grundsätzen dieser philosophischen Schule einrichtete und die ihm durch seine Stellung auferlegten Pflichten auf das vollkommenste erfüllte.
Gleichwohl war seine Regierung nicht so glücklich, wie es seine Gerechtigkeit, seine Milde und seine unermüdliche Thätigkeit verdienten. Zwar in den ersten Jahren (161-165) wurden nicht nur die Einfälle der feindlichen Nachbarn in Britannien und am Rhein von den dahin gesandten Feldherren abgewehrt, sondern es wurde auch gegen den Partherkönig Vologäses III. ein Krieg mit dem glänzendsten Erfolg geführt, durch den Armenien wieder der römischen Schutzherrschaft unterworfen, Mesopotamien zur römischen Provinz gemacht und sogar Seleukia und Ktesiphon erobert wurden.
Allein das aus dem Osten zurückkehrende Heer brachte von dort eine furchtbare Pest mit, welche von nun
an die ganze Regierungszeit Mark Aurels
hindurch das römische Reich verheerte, und 167 begannen die sich immer wieder erneuernden
Einfälle der Quaden, Markomannen, Jazygen und andrer germanischer und sarmatischer Völker am Rhein und an der Donau,
die den Kaiser fast ununterbrochen in Anspruch nahmen. Zunächst dauerten diese Kriege bis 175, wo ihn ein Aufstand des Avidius
Cassius nach Asien rief und ihn nötigte, ein Abkommen mit den Feinden zu treffen. Es werden aus dieser Zeit mehrere Siege der
Römer
[* 12] berichtet, unter denen einer besonders erwähnenswert ist, weil sich an ihn eine oft erwähnte
christliche Legende knüpft. Es wird nämlich erzählt, das römische Heer sei 174 in der Zeit des heißesten Sommers in einem
engen Thal
[* 13] von den Quaden eingeschlossen und nahe daran gewesen, vor Hitze und Durst umzukommen; da habe der Gott der Christen
auf das Gebet einer aus lauter Christen bestehenden Legion (die deshalb den Namen der Fulminata bekommen
haben soll) für die Römer einen erquickenden und stärkenden Regen, für die Feinde aber Hagel und Blitz und Donner geschickt,
und nun seien die Feinde mutig angegriffen und völlig geschlagen worden.
Trotz aller Siege indes war jenes Abkommen zwar nicht unrühmlich, aber doch nicht derart, daß der Krieg dadurch beendigt worden wäre. Nachdem daher der Aufstand des Avidius Cassius durch den Tod des Urhebers von selbst erloschen war, wurde der Kaiser schon 178 genötigt, den Kampf von neuem aufzunehmen, den er zwar nicht unglücklich, aber doch ohne eine völlige Entscheidung bis zu seinem am 17. März 180 erfolgenden Tod fortführte. Aus der innern Geschichte seiner Regierung werden uns nur Handlungen der Milde und des Wohlwollens berichtet. Er erweiterte die Stiftung Trajans für arme Kinder und gab ihr eine feste Einrichtung, er ordnete das Vormundschaftswesen, milderte die durch Pest und Hungersnot entstehende Bedrängnis des Volks durch freigebige Spenden und durch den Erlaß rückständiger Abgaben und traf auch sonst mehrfache wohlthätige Anordnungen und Einrichtungen.
Und eine gleiche Milde bewies er auch gegen seinen Adoptivbruder Lucius Verus, den er aus Pietät gegen Antoninus Pius, der auch ihn adoptiert hatte, zu seinem Mitkaiser ernannte (er starb 169), und dessen Fehler und Ausschweifungen er sorgfältig zu verhüllen und unschädlich zu machen suchte. Nur gegen die Christen zeigte er sich abgeneigt, so daß dieselben, vielleicht ohne sein Wissen und Zuthun, hier und da Verfolgungen erfuhren, in denen z. B. die berühmten Kirchenväter Justin und Polykarp den Märtyrertod erlitten (166). Wie aber in seiner Regierung, so drückt sich sein vortrefflicher Charakter namentlich auch in einer Schrift aus, die wir noch von ihm besitzen, in den zwölf Büchern seiner (griechisch geschriebenen) »Selbstbetrachtungen«, in denen sich seine reine und edle Sinnesweise aufs klarste abspiegelt. Er wurde deshalb nicht nur von seinen Zeitgenossen, die ihm unter andern Ehren die noch auf dem Kapitol vorhandene vortreffliche Reiterstatue widmeten, sondern auch von der Nachwelt allgemein verehrt und gepriesen. Seine »Selbstbetrachtungen« sind zuerst herausgegeben von Guil. Xylander (Zür. 1558); bessere Ausgaben sind die von Casaubonus (Lond. 1643), Gataker (Cambridge 1652), J. M. ^[Johann Matthias] Schultz (Schlesw. 1802) und Korais (Par. 1816). Übersetzungen erschienen in fast allen europäischen Sprachen; neuere deutsche von Schneider (3. Aufl., Bresl. 1875) und Cleß (Stuttg. 1866). Außerdem hat man von Antoninus einige lateinische Briefe an Fronto, die sich in den von Angelo Mai (Rom 1823) und von Naber (Leipz. 1867) herausgegebenen Schriften Frontos befinden.
Vgl. Noël Desvergers, Essai sur Marc-Aurèle (Par. 1860);
E. Zeller in den »Vorträgen und Abhandlungen« (Leipz. 1865);
Renan, Marc-Aurèle et la fin du monde antique (Par. 1882);
Watson, Life of M. Antoninus (New York 1884). -
Über das Itinerarium Antoninum s. Itinerarium.