Augustus
,
der erste röm.
Kaiser, ursprünglich Gajus Octavius, der Sohn des Gajus Octavius (s. Octavier) und der Attia,
einer Tochter der Julia, der jüngern Schwester des Julius
Cäsar, der also sein Großoheim war, wurde 23. Sept. 63
v. Chr. geboren.
Nach dem frühen
Tode des
Vaters (58
v. Chr.) wurde der erst vierjährige Sohn durch seine
Mutter und
Lucius
Marcius Philippus, mit dem sich diese in zweiter
Ehe vermählt hatte, sorgfältig erzogen. Seine
Talente erwarben ihm die Gunst
des Julius
Cäsar, der ihn im J. 45 zum Haupterben einsetzte und testamentarisch an Kindesstatt annahm. Augustus
befand
sich, als
Cäsar ermordet wurde (15. März 44), zu
Apollonia in Illyrien, wo er bei dem Redner Apollodor in der
Beredsamkeit unterrichtet
wurde und auf den zum Parthischen
Krieg abziehenden
Cäsar, der ihn mitnehmen wollte, warten sollte.
Nach Cäsars Tod ging er nach Italien. [* 2] Bei Brundisium erfuhr er im April 44 den Inhalt von Cäsars Testament und nannte sich nun Julius Cäsar (Octavianus). Ende April oder Anfang Mai traf Octavian in Rom [* 3] ein, wo der Konsul Antonius (s. d.) eine fast unbeschränkte Gewalt übte. Von diesem forderte Octavian die Ausantwortung von Cäsars Nachlaß. Auf des Antonius Weigerung kam es zwischen beiden zu Streitigkeiten, die, kurze Zeit scheinbar ausgeglichen, bald zu offener Gegnerschaft führten.
Als Antonius Rom verlassen hatte, um die von seinem Bruder nach Brundisium geholten Legionen zu übernehmen und mit ihnen das Cisalpinische Gallien dein Decimus Brutus zu entreißen, begann Octavian ein Heer zu bilden, und hierbei bewahrte sich schon die schlaue Politik, durch die er später sich zum Herrn des röm. Staates machte. Er warb in Campanien und Samnium 10000 Veteranen des Cäsar an, erreichte, daß ein Teil der aus Macedonien zurückgekehrten, für Antonius bestimmten Legionen sich ihm anschloß, gewann Senat und Volk durch Cicero, der für die Republik zu wirken und Octavian zu benutzen meinte, während er in der That für diesen wirkte.
Octavian war dann seit Anfang 43 zusammen mit den Konsuln Hirtius und Pansa an der Leitung der militär. Maßregeln in dem von dem Senat gegen Antonius geführten sog. Mutinensischen Kriege beteiligt; als dieser mit der Niederlage des Antonius, aber auch mit dem Tode der Konsuln geendigt hatte, weigerte sich Octavian, Antonius zu verfolgen, und setzte sich in Oberitalien [* 4] fest. Jetzt offenbarte er seine wahre Gesinnung und trat den Republikanern feindlich entgegen. Er söhnte sich mit Antonius aus, als dieser mit Lepidus aus Gallien nach Italien zurückkehrte, und begründete in Gemeinschaft mit beiden bei Bologna (Ende Okt. 43) ein Triumvirat, worauf sie zusammen, nachdem sie Tausende ihrer Gegner in Rom und Italien hatten hinrichten lassen, 42 v. Chr. das republikanische Heer unter Brutus und Cassius bei Philippi in Macedonien besiegten. Bei der Teilung der Provinzen erhielt Antonius den Osten, Octavian den Westen mit Ausnahme Italiens, [* 5] das neutral sein, und der afrikanischen Provinzen, die Lepidus erhalten sollte.
Nach seiner Rückkehr nach Italien erregte 41 v. Chr. Fulvia, des Antonius Gemahlin, in Gemeinschaft mit dessen Bruder Lucius Antonius einen Krieg (den Perusinischen) gegen Octavian. Dieser hatte unter die Veteranen Ländereien zu verteilen und deren bisherige Inhaber mit Geldern zu entschädigen, die M. Antonius liefern sollte, aber nicht schickte, so daß Octavian jenen wie diesen gegenüber in eine schwierige Lage geriet. Dies benutzte Lucius Antonius. Aber Agrippa, der Feldherr des Octavian, zwang den anfangs erfolgreichen Lucius Antonius, sich nach Perusia zu werfen.
Dort wurde er belagert. Im Frühjahr 40 mußte er sich ergeben, Perusia ging in Flammen auf und eine größere Anzahl Ritter und Senatoren wurde hingerichtet. Fulvia entwich nach Griechenland. [* 6] Schon drohte der Krieg zwischen Antonius, der nach Italien zurückkehrte, und Octavian auszubrechen, als der Tod der Fulvia eine Aussöhnung erleichterte. Durch den Brundisinischen Vergleich im J. 40, der durch die Verheiratung des Antonius mit Octavia, Octavians Schwester, befestigt ward, erhielt der letztere den Westen des Reichs. Er vermählte sich, nachdem er (39) seine Gemahlin Scribonia verstoßen hatte, mit Livia Drusilla (s. d.), der Gemahlin des Claudius Nero (38 v. Chr.), den er nötigte, sich von ihr scheiden zu lassen.
Mit Sextus Pompejus (s. d.), dem
Antonius die im
Vertrage von Misenum 39
v. Chr. gemachten Zusagen nicht hielt, kam es 38 zu
einem
Kriege, den Octavians Feldherr
Agrippa im J. 36; durch die
Siege bei
Mylä und Naulochus glücklich beendete. Lepidus (s. d.),
der
Sicilien in
Anspruch nahm, verlor, da ihn seine
Truppen verließen, jetzt auch
Afrika,
[* 7] das ihm 40 übergeben worden war,
und mußte sich an Augustus
ergeben. So war nun Gewalt und
Reich nur noch unter zwei
Männer geteilt. Doch während
Antonius im
Orient
allen Genüssen der Liebe und des Luxus sich hingab, verfolgte Octavian unausgesetzt seinen
Plan, sich
zum alleinigen Herrscher zu machen.
Bestrebt, sich die Liebe des Volks zu erwerben, zeigte er Milde und Großmut, ohne den Schein zu haben, als strebe er nach der höchsten Gewalt; vielmehr erklärte er sich bereit, die Herrschaft niederzulegen, sobald Antonius von dem Kriege gegen die Parther zurückgekehrt sein würde, natürlich vorausgesetzt, daß sich Antonius bereden lasse, das Gleiche zu thun. Als Antonius durch den unglücklichen Partherkrieg, durch offenen Bruch mit der edeln Octavia und durch Preisgebung aller röm. Interessen an Kleopatra (s. d.) in Rom alles Ansehen verloren hatte, ließ Octavian 32 v. Chr. durch den Senat der Königin von Ägypten [* 8] den Krieg erklären.
Antonius wurde seiner Würde für verlustig erklärt und 31 v. Chr. in der Schlacht bei Actium (s. d.) völlig besiegt. Von nun an war Octavian Alleinherrscher, er verfolgte seinen Nebenbuhler nach Ägypten und endigte hier den Krieg. Antonius und Kleopatra gaben sich in Alexandria selbst den Tod. Octavian machte Ägypten zur röm. Provinz und ordnete die Verhältnisse des Orients während eines zweijährigen Aufenthalts. Bei seiner Rückkehr nach Rom im Aug. 29 v. Chr. hielt er einen dreitägigen Triumph, und die Schließung des Janustempels, die Auflösung vieler Legionen bezeichnete die Herstellung eines dauernden Friedens.
Im folgenden Jahre zum Censor ernannt, erlangte Octavian die Macht, aus dem Senat alle ¶
mehr
ihm abgeneigten Mitglieder zu entfernen; aber so von seinen Nebenbuhlern befreit und unbestrittener Herr des Römischen Reichs,
legte er unerwartet 13. Jan. 27 v. Chr. die bisher geführte außerordentliche Gewalt scheinbar nieder und erklärte, hinfort
eine solche nicht mehr bekleiden zu wollen. Zum Dank dafür verlieh ihm der Senat, der das Anerbieten
nicht annahm, die Auszeichnung, daß er Augustus
heißen solle, ein Name, der mit der Zeit zu einem die kaiserl. Majestät
bezeichnenden Titel wurde.
Natürlich war es nicht die Absicht des Augustus
gewesen, die alten verrotteten Zustände wiederherzustellen, er wollte vielmehr,
indem er in seiner Hand
[* 10] die damals in Wahrheit bedeutsamsten ordentlichen Amtsgewalten vereinigte, eine
Art von Monarchie in der Art gründen, daß der Apparat der Verfassung mit dem Senat an der Spitze neben ihr formell fortbestände
und fortarbeitete. Die Macht sollte in der Theorie wenigstens zwischen Kaiser und Senat geteilt sein (Dyarchie).
Dies war aber unmöglich, ohne daß Augustus
, wenn auch wieder auf gesetzlichem Wege, von den
Schranken entbunden wurde, welche einzelne Gesetze jener Vereinigung von Machtfülle in einer Hand in den Weg stellten. Er
übernahm sofort wieder mit einer die gewöhnlichen Grenzen
[* 11] weit überschreitenden prokonsularischen Gewalt die Regierung
über die Provinzen, in denen Heere standen, und damit zugleich den Oberbefehl über die gesamte Militärgewalt
des Reichs. Die Provinzen im Innern des Reichs, die eine Besatzung nicht mehr brauchten, blieben unter der Verwaltung des Senats.
Außerdem besaß Augustus
, nachdem er die Rechte der Tribunen schon seit 36 v. Chr. gebabt, seit 23 v. Chr. in der von allen Schranken
befreiten «tribunicischen Gewalt» (s.
Tribun) eine Machtvollkommenheit, die ihrer Natur nach alle Rechte des der Verfassung nach souveränen Volks in sich aufnahm.
Endlich ward er, nach dem Tode des Lepidus 12 v. Chr. als «Pontifex Marimus», nachdem er schon lange vorher alle politisch wichtigen
Priesterämter in sich vereinigt, Oberhaupt aller religiösen Angelegenheiten. So wurde durch ihn diejenige
Form der röm. Monarchie festgestellt, die im ganzen bis auf Diocletian bestand.
Die Grenzen des Römischen Reichs zu erweitern beabsichtigte Augustus
nicht; dennoch mußte er, um sie zu sichern, Kriege in Afrika,
Asien
[* 12] und Europa
[* 13] führen; in Spanien
[* 14] währte der Kampf seit 27 v. Chr. mehrere Jahre, bis Augustus
nach großen
Anstrengungen über die Cantabrer und Asturer 19 v. Chr. Herr ward. Durch Tiberius, den ältern Sohn der Livia, wurden Pannonien
und Dalmatien, durch Drusus, seinen jüngern Stiefsohn, 12-9 v. Chr. die westl. Germanen bis zur Elbe unterworfen.
Armenien wurde von den Parthern zurückgewonnen, die Alpenstämme wurden vollends unterworfen. Den
schwersten Mißerfolg erlitt Augustus
9 n. Chr. durch die Niederlage des Varus imTeutoburger Walde (s. Arminius). Während des Friedens
erließ Augustus
viele nützliche Verordnungen und ordnete die Verwaltung. Er säuberte den Senat von unwürdigen Elementen, beschäftigte
sich mit der Verbesserung der Sitten, besonders durch Begünstigung der Ehen (die Lex Julia und Lex Papia
Poppaea), war dabei auch bemüht, die alte Religion wieder zu beleben, und stellte die Kriegszucht bei den Heeren wieder her.
Zudem verschönerte er Rom; er durfte sich rühmen, daß er die Stadt, die er aus Ziegelsteinen erbaut gefunden hatte, aus
Marmor erbaut hinterließ. In mehrern Gegenden gründete er Städte und Kolonien. Die
durch Krieg und Parteiwirren
erschöpften Völker errichteten ihm für dieses wohlthätige Walten, regelmäßig zusammen mit der Göttin Roma,
[* 15] Altäre und
Tempel,
[* 16] und durch ein Dekret des Senats ward dem Monate Sextilis der Name Augustus
gegeben. Augustus besaß keine Söhne und verlor
auch durch den Tod sowohl seinen Schwestersohn Marcellus als seine Tochtersöhne Gajus und Lucius, die
er zu seinen Nachfolgern bestimmt hatte. Drusus, der jüngere seiner Stiefsöhne, den er liebte, starb 9 v. Chr. in Deutschland;
[* 17] nur Tiberius, der ältere, der ihm immer antipathisch war, blieb übrig. Er begleitete diesen, als er 14 n. Chr.
nach Illyrien ging, bis Benevent und starb auf der Rückreise zu Nola 19. Aug.
Wenn Augustus
nicht Cäsars geniale Größe besaß, so war er sich doch stets klar über das, was er zu erreichen vermochte, und
über die Mittel, die ihm zur Durchführung eines Planes zu Gebote standen, und zeigte in deren Benutzung
eine sichere und geschickte Hand. Er schätzte die Wissenschaften, übte die Dichtkunst auch selbst; die Überreste seiner
prosaischen und poet. Schriften hat Weichert herausgegeben (Grimma
[* 18] 1841-46). Die berühmtesten Dichter seiner Zeit (des Augusteïschen
Zeitalters) zog er zu sich heran, so Virgil, Horaz und viele andere. Von den Denkschriften, die Augustus
hinterließ,
ist die eine inschriftlich namentlich an den Resten des Tempels des Augustus
zu Ancyra (s. d.) fast vollständig erhalten. - Unter
den antiken Bildwerken des Augustus
ist berühmt die schöne, 1863 in der Kaiservilla ad Gallinas (Primaporta) gefundene,
jetzt im Vatikan
[* 19] befindliche Marmorstatue, die den Imperator in einem mit Reliefs geschmückten Panzer
zeigt; ferner der Bronzekopf in der vatikanischen Bibliothek und der Marmorkopf in der Münchener Glyptothek.
Vgl. Beule, Augustus
, seine Familie und seine Freunde (Halle
[* 20] 1873);
Duruy, Geschichte des röm. Kaiserreichs, aus dem Französischen von Hertzberg, Bd. 1 (Lpz. 1885);
H. Schiller, Geschichte der röm. Kaiserzeit, Bd. 1 (Gotha [* 21] 1883);
Gardthausen, und seine Zeit, Bd. 1 und Bd. 2, Tl. 1 (Lpz. 1891).