Augurn
,
bei den
Römern
Priester, welche aus allerlei vermeintlichen
Anzeichen, namentlich aus dem
Flug der
Vögel,
[* 2] die Zukunft vorher verkündigten. Das
Institut ist ein altitalisches; die Einrichtung der Augurn
wird auf
Romulus
oder
Numa zurückgeführt. Im
Lauf der Zeit bildete sich eine systematische Auguraldisziplin aus, wonach die Augurn
die atmosphärischen
Erscheinungen, wie
Donner,
Blitz,
Wetterleuchten,
Sternschnuppen etc., den
Flug und den
Ruf der
Vögel, das Fressen
der heiligen
Hühner
[* 3] (tripudium), das Begegnen vierfüßiger
Tiere, widerwärtige
Töne, welche sich in bedeutsamen
Momenten
vernehmen ließen, zu beobachten hatten.
Als die bedeutendsten Zeichen galten die am Himmel [* 4] sowie die, welche durch die Vögel gegeben wurden. Übrigens galten nicht alle Vögel als Weissagevögel; am meisten gab man acht auf Raben, Krähen, Geier, Adler, [* 5] Spechte, und zwar unterschied man diese Vögel, je nachdem sie durch den Flug oder durch die Stimme Vorzeichen gaben. Zum Tripudium gebrauchte man gewöhnlich junge Hühner: wenn diese gierig auf das vorgeworfene Futter losstürzten, so galt dies für ein glückliches Zeichen;
fraßen sie wenig oder nichts, so drohte Unglück.
Ein ungesuchtes Augurium war die
Erscheinung
eines
Tiers an einem ungewöhnlichen
Orte, das
Über-den-Weg-laufen eines
Fuchses,
Wolfs u. dgl.; auch hier hatten die Augurn
ihre
Erklärungen abzugeben. Weitere Vorzeichen, die aber nicht eigentlich als Augurien bezeichnet werden können,
lagen in jedem
¶
mehr
unangenehmen oder auffallenden Vorfall, worüber man dann auch die Augurn
befragte. Da keine öffentliche Handlung ohne Auspizien
(d. h. Beobachtung der genannten Zeichen) vorgenommen werden durfte, so war die Stellung der Augurn
eine sehr wichtige und einflußreiche.
Zwar waren sie insofern nicht ganz selbständig, als sie bloß aus Befehl eines Magistrats ihre Beobachtungen
vornehmen konnten; indessen auch so hatten sie Gelegenheit genug, durch ihr Gutachten, z. B. bei Wahlen, in den Gang
[* 7] der Dinge
einzugreifen. Es lag daher auch sehr nahe, daß (zumal in späterer Zeit) dieses Institut für Parteizwecke ausgebeutet und
mißbraucht wurde.
Für die einzelnen Funktionen, namentlich die Beobachtungen des Himmels, war ein genaues Zeremoniell in Bezug
auf Zeit, Ort und die einzelnen einzuhaltenden Formalitäten vorgeschrieben. Die Zahl der Augurn
, welche ein geschlossenes Priesterkollegium
bildeten, wird für die ältere Zeit verschieden angegeben, zu 4 oder 6; seit dem Ogulnischen Gesetz (300 v. Chr.) gab es 9 Augurn
, wovon 5 Plebejer
sein konnten. Sulla erhöhte ihre Zahl auf 15, Cäsar auf 16; die Kaiser änderten die Zahl willkürlich.
Die Wahl geschah ursprünglich durch Kooptation (d. h. Selbstergänzung) des Kollegiums, zur Zeit des Sulla eine Zeitlang durch
das Volk, später durch die Kaiser. Im allgemeinen nahm man die Augurn
aus den angesehensten und vornehmsten
Familien. Als Auszeichnung trugen die Augurn
die Trabea, ein altertümliches, purpurgestreiftes Gewand, und den Lituus,
[* 8] einen Krummstab
[* 9] ohne Knoten; auch waren ihnen die Einkünfte von gewissen Grundstücken zugewiesen. Das Amt war ein lebenslängliches.
Ihr Amtslokal hieß auguraculum. Nachdem Institut und Disziplin der in früherer Zeit das höchste Ansehen genossen
hatten, wurde seit der Aufklärung des 2. Jahrh. v. Chr. der Glaube daran bedeutend erschüttert, und wenn man auch von seiten
der konservativen Partei alles anwandte, um das Institut aufrecht zu erhalten, so wurden die Auspizien doch mehr und mehr eine
leere Formalität, welche nur für die Zwecke der politischen Parteien ausgebeutet wurde. Gleichwohl waren
dieselben mit der ganzen römischen Religion und daher auch mit dem Staatsorganismus so eng verwachsen, daß sie erst mit
dem Umsturz des römischen Staats- und Religionswesens aufhörten. Von den öffentlichen Augurn
zu unterscheiden sind die sogen.
Privataugurn
, welche auf eigne Hand
[* 10] die Vorzeichen für Privatleute auslegten und, da auch im Privatleben
nichts Wichtiges ohne solche Förmlichkeiten geschah, ein einträgliches Geschäft getrieben haben mögen.