Titel
Augsburgische
Konfession
,
Confessio Augustana, die wichtigste
Bekenntnisschrift der luth.
Kirche.
Nachdem
Kaiser
Karl V. zur gütlichen Beilegung der seit 1517 in
Deutschland
[* 2] entstandenen Kirchenspaltung auf den einen
Reichstag nach
Augsburg
[* 3] ausgeschrieben und verordnet hatte, daß die
Stände dort persönlich erscheinen sollten, forderte Kurfürst
Johann von
Sachsen
[* 4]
Luther,
Jonas,
Bugenhagen und
Melanchthon auf, ihm bis zum 20. März in
Torgau
[* 5] ein Verzeichnis
der streitigen Punkte im
Glauben und in äußern Kirchengebräuchen vorzulegen. Sie übergaben dem Kurfürsten einen gemeinsam
festgestellten
Entwurf,
Torgauer Artikel genannt (in Förstemanns «Urkundenbuch» unter A verzeichnet,
«Verzeichnis der
Artikel, so der
Religion halber streitig sind»).
Außer diesen sind auch zwei ältere
Stücke,
die sog. 15
Marburger und 17
Schwabacher Artikel, zum
Teil wörtlich in die Konfession
übergegangen. In jenen war auf dem
Religionsgespräch
zu
Marburg
[* 6] (1. bis zusammengefaßt, in welchen
Lehren
[* 7]
Reformierte und
Lutheraner übereinstimmten, und worin sie betreffs
des
Abendmahls voneinander abwichen.
Luther hatte sie für den
Konvent zu
Schwabach
[* 8] umgearbeitet
zu den
Schwabacher
Artikeln, in denen er bei allen
¶
mehr
streitigen Punkten seine eigentümliche Lehrauffassung hervorhob. Auf Grund dieser Vorarbeiten, zu denen auch noch einige
andere Aufsätze (namentlich das Stück B bei Förstemann «über Glauben und Werke») gekommen sein müssen, wurde Melanchthon
mit Ausarbeitung der verlangten Schrift beauftragt. Er begann damit schon auf der Reise und fuhr mit Verbesserungen und
Umarbeitungen zu Augsburg fort, zumal das längere Ausbleiben des Kaisers (bis 20. Juni) ihm Zeit dazu gab. Die Schrift, ursprünglich
nur im Namen und Auftrage des Kurfürsten verfaßt, sollte auf Wunsch der übrigen Stände als gemeinsames Bekenntnis überreicht
werden. Seitdem ward sie nicht mehr «Apologie», «Sächsischer Vorschlag», «Sächsischer Unterricht» oder
«Sächsischer Ratschlag», sondern allgemein «Konfession»
genannt, und an der letzten Feststellung des Textes beteiligten sich auch die andern evang. Stände. Dann wurde der Text an
Luther, der wegen der Reichsacht in Coburg
[* 10] zurückgeblieben war, geschickt. Der Text wurde zugleich deutsch und lateinisch ausgearbeitet.
Die Konfession
war nicht das Sondersymbol einer bereits getrennten Kirchengemeinschaft, sondern ein Friedensvorschlag
an die Gegner, die evangelischerseits dargebotene Grundlage der Verständigung. Daher wird das Gemeinsame mit den Gegnern
stark hervorgehoben, die Differenz namentlich in der Lehre
[* 11] auf die Stücke beschränkt, worin man durchaus nicht nachgeben
konnte, und auch hier mit größter Schonung und Milde ausgesprochen. Der erste Teil der Schrift enthält
daher folgende 21 Artikel des Glaubens und der Lehre: 1) von Gott, 2) von der Erbsünde, 3) vom Sohne Gottes, 4) von der Rechtfertigung,
5) vom Predigtamte, 6) vom neuen Gehorsam, 7) von der Kirche, 8) was die Kirche sei? 9) von der Taufe, 10)
vom Abendmahl, 11) von der Beichte, 12) von der Buße, 13) vom Gebrauche der Sakramente, 14) vom Kirchenregiment, 15) von der
Kirchenordnung, 16) von Polizei und weltlichem Regiment, 17) von Christi Wiederkunft zum Gericht, 18)
vom freien Willen, 19) von der Ursache der Sünde, 20) vom Glauben und von guten Werken, 21) von dem Dienste
[* 12] der Heiligen. Diese Abschnitte (mit Ausnahme der beiden letzten) sind möglichst kurz behandelt, der zweite Teil ausführlicher.
Er enthalt sieben «Artikel, von welchen Zwiespalt ist, da erzählt werden die Mißbräuche, so geändert seynd», nämlich:
22) von beider Gestalt des Sakraments, 23) vom Ehestande der Priester, 24) von der Messe, 25) von der Beichte, 26) vom Unterschiede der Speise, 27) von Klostergelübden, 28) von der Bischöfe Gewalt.
Dieses Bekenntnis wurde unterschrieben von Johann, Kurfürst zu Sachsen, Georg, Markgraf zu Brandenburg,
[* 13] Ernst, Herzog zu Lüneburg,
[* 14] Philipp, Landgraf zu Hessen,
[* 15] Wolfgang, Fürst zu Anhalt,
[* 16] von den Reichsstädten Nürnberg,
[* 17] Reutlingen,
[* 18] Kempten,
[* 19] Windsheim, Heilbronn,
[* 20] Weißenburg,
[* 21] wahrscheinlich auch von Johann Friedrich, Kurprinz zu Sachsen, und Franz, Herzog von Lüneburg.
Sonnabend, nachmittags 4 Uhr,
[* 22] wurde nach einer einleitenden lat. Rede des sächs.
Kanzlers Brück das deutsche Exemplar der Konfession
von dem sächs. Kanzler Bayer verlesen.
Der Kaiser erließ den Katholiken, da sie ja treu beim Alten geblieben, die Vorlegung eines Bekenntnisses,
ließ sich von den Evangelischen beide Exemplare der Konfession
übergeben und versprach, nach reiflicher Erwägung ihnen
seinen Entschluß mitzuteilen. Des kaiserl. Verbots ungeachtet und
ohne Vorwissen der evang.
Stände erschien noch während des Reichstags die Augsburger Konfession
gedruckt, und noch 1530 folgten
sich sieben Ausgaben (sechs deutsche und eine lateinische). Um Fälschungen und Ungenauigkeiten entgegenzutreten, nahm Melanchthon
jetzt die Ausgabe selbst in die Hand,
[* 23] und schon 1530 erschien von ihm in Wittenberg
[* 24] die sog. editio principes in deutscher
und lat. Redaktion (die nicht Original und Übersetzung, sondern zwei selbständige Bearbeitungen sind).
In den folgenden Jahren erschien eine Ausgabe nach der andern, und in jeder brachte Melanchthon Änderungen an; dogmatisch bedeutsame
enthält erst die lat. Ausgabe von 1540 (Confessio variata), in Art. 4, 5, 6, 18, 20, 21, vor allem aber im Art. 10 vom Abendmahle,
wo er im Interesse der Versöhnung eine die Luthersche und Calvinsche Ansicht vereinigende Formel aufstellte.
Diese «erklärte, in etwas gemehrte» Konfession
ist von Luther stillschweigend gebilligt, von den evang. Theologen und Reichsständen
aber als authentische Auslegung der Konfession
vom J. 1530 wiederholt ausdrücklich anerkannt und mit kirchlichem Ansehen
bekleidet worden.
Erst seit dem Religionsgespräche zu Weimar,
[* 25] 1560, wo Flacius die Veränderungen als ebensoviel Verfälschungen
der reinen luth. Lehre brandmarkte, begann ein Kampf der luth. Orthodoxie gegen die «veränderte» (variata) Augsburger Konfession
,
der zum Teil unter den maßlosesten Schmähungen gegen Melanchthon bis gegen die Mitte des 18. Jahrh, fortgeführt wurde. Die
wörtliche Feststellung des ursprünglichen Textes ist überhaupt nicht mehr möglich, da beide zu Augsburg
übergebenen Originale der Augsburger Konfession
verloren gegangen sind. Von den in die Sammlungen der Symbolischen Bücher
aufgenommenen Texten steht der lateinische der Urgestalt nahe; hinsichtlich des deutschen gilt der von Tittmann (Dresd. 1830)
nach der Ausgabe Melanchthons herausgegebene Text als der vergleichungsweise authentische.
Seit den Zeiten der Konkordienformel (s. d.) hat sich die luth. Kirche stets zu der «ungeänderten» Augsburger Konfession
gehalten,
nachdem sie auch auf Grund dieser Bekenntnisschrift durch den Religionsfrieden (s. d.) zu Augsburg 1555 zur staatsrechtlichen
Anerkennung gelangt war. Dagegen blieb das Verhältnis der Reformierten zur Augsburger Konfession
von jeher
streitig. Sie selbst haben sich meist unbedenklich, obgleich nicht ausschließlich, zur Augsburger Konfession
bekannt, sogar
zur «ungeänderten», wie bei Abschluß der Wittenberger Konkordie (1536, auch in der Schweiz
[* 26] anerkannt 1538). Calvin unterschrieb
die «erklärte» Augsburger Konfession
1541 auf dem Religionsgespräche zu Regensburg,
[* 27] 1557 Farel und Beza auf dem Kolloquium
zu Worms.
[* 28]
Der zur reform. Kirche übergetretene Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz unterschrieb 1561 die ungeänderte Augsburger Konfession
,
wurde auch von den evang. Ständen, dem Kaiser Maximilian II. gegenüber, als Augsburgischer Konfession
sverwandter auf dem
Reichstage zu Augsburg 1566 verteidigt. Als 1614 Johann Sigismund, Kurfürst von Brandenburg, zur reform.
Kirche übertrat, erklärte er sich ausdrücklich für die Augsburger Konfession, und ebenso 1645 die Reformierten in Polen auf dem
Religionsgespräche zu Thorn,
[* 29] unter ausdrücklicher Nichtigkeitserklärung eines Unterschieds zwischen einer veränderten und
unveränderten Augsburger Konfession. Auf Grund dieser
¶
mehr
Vorgänge setzte es der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm im Westfälischen Frieden 1648 durch, daß die Reformierten ausdrücklich
und offiziell als zu den Augsburgischen
Konfessionsverwandten gehörig anerkannt wurden. Dagegen haben die orthodoxen luth.
Theologen meist hartnäckig die Wahrheit dieser Verwandtschaft abgestritten. Von ihnen ist auch im 19. Jahrh, eine erneuerte
Betonung
[* 31] der «ungeänderten» (invariata) Augsburger Konfession als des allein gültigen Ausdrucks des luth.
Glaubens ausgegangen. Dagegen hat eine vermittelnde Richtung wiederholt versucht, die Augsburger Konfession zu einem Unionssymbol
für alle Evangelischen zu erheben (so namentlich auf dem Berliner
[* 32] Kirchentage 1853), was aber immer wieder an dem Proteste
der strengen Lutheraner scheiterte.
Vgl. G. G. Weber, Krit.
Geschichte der Augsburger Konfession (2 Bde., Frankf. 1785);
Förstemann, Urkundenbuch zu der Geschichte des Reichstags zu Augsburg, Bd. 1 (Halle [* 33] 1833);
Plitt, Einleitung in die Augustana (2 Bde., Erlangen [* 34] 1807 u. 1808);
Zöckler, Die Augsburger Konfession als symbolische Lehrgrundlage der deutschen Reformationskirche (Frankf. 1870);
Briefe und Akten zu der Geschichte des Religionsgesprächs zu Marburg 1529 und des Reichstags zu Augsburg 1530, hg. v. Schirrmacher (Gotha [* 35] 1876);
Virck, Melanchthons polit.
Stellung auf dem Reichstage zu Augsburg (in der «Zeitschr. f.
Kirchengesch. », 1887); Brieger, Die Torgauer Artikel (in den «Kirchengeschichtl. Studien, H. Reuter gewidmet», Lpz. 1887);
eine gute populäre Darlegung von Rinn, Die Entstehung der Augsburgische
Konfession (Halle 1888).
(S. auch Apologie der Augsburgischen Konfession.)