Augier
(spr. oschieh), Emile, franz. Bühnendichter, geb. zu Valence, Enkel von Pigault-Lebrun, erkannte, sich zum Advokaten vorbereitend, bald seinen Dichterberuf. A.s erstes durch natürliche Frische und Laune ausgezeichnetes Lustspiel «La ciguë» (deutsch bearbeitet von Fitger, Oldenb. 1885) wurde von einem Publikum, das der romantischen Überspanntheiten müde war, mit warmem Beifall im Odeon begrüßt (1844),
während das gleichfalls auf attischem Boden spielende Drama «Le [* 3] joueur de flûte»" (1850) weniger Glück machte. Danach schloß sich der Richtung des «gesunden Verstandes» an und verteidigte mit Vorliebe die gute Sitte in Familie und Ehe gegen die eindringende Verderbnis. Nicht ganz den Erwartungen entsprachen «Un homme de bien» (1845) und «L'aventurière» (1848, umgearbeitet 1860; deutsch von Graf Wickenburg, Wien [* 4] 1881),
wogegen das zum Rührstück neigende Lustspiel «Gabrielle» (1849) Beifall fand und den Preis Monthyon einbrachte (s. Autran). Diese Stücke waren in Versen geschrieben, ebenso später «Philiberte» (1853; deutsch bearbeitet von Fitger, Oldenb. 1888),
«La jeunesse» (1858) und «Paul Forestier» (1868),
während Augier
nach einem
verunglückten Versuch mit dem histor.
Drama in Versen «Diane» (1852), das er für die
Rachel schrieb, vorwiegend in nüchterner Prosa in einer Reihe wirkungsvoller Sittenkomödien den in der höhern Gesellschaft
wuchernden Vorurteilen und sittlichen Verirrungen einen klaren
Spiegel
[* 5] vorhielt. Mit zwei
Stücken, deren Vorwürfe aus
Romanen
Sandeaus stammten, «La pierre
de touche» (1854) und dem vortrefflichen «Le gendre de Monsieur
[* 6] Poirier»
(1854),
beginnt die Reihe dieser Werke. Es folgen «Le mariage d'Olympe» (1855),
eine Antwort auf Dumas' «Kameliendame», der gegenüber Augier
die
Unmöglichkeit der Wiedererhebung des gesunkenen Weibes zu beweisen sucht, und «Ceinture
dorée» (1855),
wo er den Fluch der durch Börsenschwindel erworbenen Millionen schildert. Die Zerstörung des Familienlebens durch Vergnügungs- und Gefallsucht der Frau schildert in «Les lionnes pauvres» (mit Foussier; deutsch von P.Lindau); in «Les effrontés» (1861) und der Fortsetzung dieses Stückes, «Le fils de Giboyer» (1862; deutsch von Saphir, Wien 1865), behandelt er die Verbindung von Presse [* 7] und Börse, mit scharfer Spitze gegen die Klerikalen und ihren Wortführer, L. Veuillot, die heftig erwiderten.
Der Einfluß des Prinzen Napoleon setzte es gegen die kaiserl. Theatercensur durch, daß diese letztern Stücke gespielt wurden. Von nicht geringerer Wirkung waren «Maître Guérin» (1864),
wo die Advokatenverschmitztheit die Hauptrolle spielt, und die wieder mit Spekulanten und Schwindlern sich befassenden Komödien «La contagion» (1866) und «Lions et renards» (1869). In «Jean de Thomeray» (1873) überwindet die Vaterlandsliebe die durch Genuß- und Habsucht erzeugte sittliche Haltlosigkeit. In «Madame Caverlet» (1876) wird die damals schwebende Frage der Ehescheidung mit Ja beantwortet. Mit der Familienkomödie «Les Fourchambault» (1878),
durch die er noch einmal bedeutende Erfolge erzielte, schloß der Dichter seine Laufbahn. Augier
, seit 1857 Mitglied
der
Akademie, starb in
Paris.
[* 8] Sein
«Théâtre complet» (6 Bde., Par. 1876 -
78) umfaßt außer den genannten Werken noch das Proverbe «L'habit vert»
(1849, mit Musset),
«Méprise d'amour» (1852),
«Un beau mariage» (1859, mit Foussier),
«Postscriptum» (1869) und «Le prix Martin» (1876, mit Labiche). A.s «Poésies complètes» erschienen 1852 und 1856.
Vgl. de Mirecourt, Le petit-fils de Pigault-Lebrun (Par. 1863);
P. Lindau, [* 9] E. in «Nord und Süd» (1886);
Pailleron, E. Augier
(Par.
1889);
de St. Victor, E. Augier
(ebd. 1889);
Parigot, E. Augier
(ebd. 1890).