Augereau
(spr. ohsch'ro),
Pierre
François
Charles,
Herzog von
Castiglione,
Marschall von
Frankreich, geb. zu
Paris
[* 2] als Sohn eines Obsthändlers in der Vorstadt St.-Marceau, ward französischer
Karabinier, desertierte
und diente in mehreren ausländischen
Heeren, zuletzt in
Neapel,
[* 3] wo er sich seit 1787 als Fechtmeister seinen Unterhalt erwarb.
Als 1792 alle
Franzosen
Neapel räumen mußten, trat Augereau
als einer der ersten
Freiwilligen in die französische Revolutionsarmee
und wurde schon 1793 Divisionsgeneral bei dem
Heer der
Ostpyrenäen, wo er über die
Spanier 1794 und 1795 mehrere
leichte
Siege erfocht.
Ohne Erziehung, charakterlos und wenig begabt, besaß er das rastlose Streben, vorwärts zukommen, und große Kühnheit im Kugelregen. Diese bewährte er namentlich 1796 als Korpsbefehlshaber der italienischen Armee bei Millesimo und Lodi. Von Bonaparte in den Kirchenstaat geschickt, nahm er Bologna, unterdrückte einen Aufstand in der Romagna und nötigte den Papst zum Frieden. Darauf zur Hauptarmee zurückgerufen, schlug er 5. Aug. Wurmser bei Castiglione, dann mit Masséna 6. Nov. Alvinczy bei Carmignano, trug wesentlich zum Sieg bei Arcole bei und besiegte Provera vor den Thoren Mantuas. Im August 1797 kehrte er, durch schamlose Erpressungen bereichert, nach Paris zurück; wo er zum Befehlshaber der Pariser Militärdivision ernannt wurde und den Staatsstreich vom 18. Fructidor mit brutaler Gewalt durchführte.
Doch wurde er gegen seine Erwartung nicht in das
Direktorium gewählt, auch von dem ihm übertragenen
Kommando der Rheinarmee bald abberufen und nach
Perpignan versetzt. Augereau
strebte in eitler Überhebung selbst nach der höchsten
Gewalt in
Frankreich und ließ sich deshalb 1799 zum Mitglied der Fünfhundert in
Paris wählen. Doch hatte er weder das
Geschick
noch den
Mut, um seine
Pläne ins Werk zu setzen, und unterwarf sich seinem Nebenbuhler
Bonaparte nach dem 18.
Brumaire.
Zum Oberbefehlshaber in Holland ernannt, führte er das französisch-batavische Korps nach dem Mittelrhein, um Moreaus Operationen in Süddeutschland zu unterstützen, rückte über Frankfurt [* 4] nach Würzburg [* 5] und lieferte dem Feind mehrere glückliche Gefechte, die aber keinen Ausschlag gaben. Nach dem Lüneviller Frieden (1801) lebte er auf einem Landgut bei Melun, bis er 1803 den Oberbefehl über die gegen Portugal [* 6] bestimmte Armee erhielt. Da dieselbe aber nicht ausrückte, blieb er in Paris, ward 1804 zum Marschall und 1805 zum Herzog von Castiglione ernannt. Im Krieg mit Österreich [* 7] 1805 drang er an der Spitze eines Armeekorps in Vorarlberg ein, wo er Jellachich bei Dornbirn zur Kapitulation zwang. Im J. 1806 wirkte er als Befehlshaber des linken Flügels zum Sieg bei Jena [* 8] mit.
Bei Eylau drang er mit großer Tapferkeit vor, irrte aber vom rechten Weg ab, so daß bei einem Angriff der Russen sein Korps fast ganz aufgerieben und er selbst verwundet ward. Der Kaiser schickte ihn darauf zur Herstellung seiner geschwächten Gesundheit nach Frankreich. Im J. 1809 erteilte er ihm den Oberbefehl in Katalonien, wo er jedoch keine Erfolge errang; Napoleon rief ihn daher ab und ersetzte ihn durch Macdonald. Im J. 1812 erhielt er das Kommando des 11. Armeekorps, welches in Berlin [* 9] gebildet wurde; 1813 sammelte er als Generalgouverneur von Frankfurt und Würzburg die Reservearmee, welche Anfang Oktober nach Leipzig [* 10] marschierte.
Bei
Leipzig kämpfte er mit großer
Tapferkeit und
Ausdauer. Nach dem Einmarsch der Alliierten in
Frankreich
bildete Augereau
zu
Lyon
[* 11] eine
Armee, knüpfte aber schon im März, als er
Napoleons
Sturz voraussah, mit dem österreichischen
General
Bubna Unterhandlungen an, die 21. März zur
Kapitulation von
Lyon führten, unterwarf sich
Ludwig XVIII. und wirkte dadurch mit zur
ersten
Abdankung des
Kaisers, gegen welchen er sich in den schroffsten
Ausdrücken erklärte. Er wurde dafür
vom König zum Mitglied des
Kriegsrats, zum
Ritter des heil.
Ludwig und zum Pair von
Frankreich ernannt. Im März 1815 erhielt
er den Oberbefehl über die 14. Militärdivision zu
Caen.
Obgleich von
Napoleon nach seiner Rückkehr von
Elba als
Verräter bezeichnet, huldigte Augereau
dem
Kaiser in
einem Aufruf an die 14.
Division, gewann jedoch
Napoleons Vertrauen, das er nie in hohem
Grad besessen hatte, nicht wieder.
Nach der zweiten
Restauration trat Augereau
wieder in die Pairskammer, aus der
Napoleon ihn ausgeschlossen hatte, und wurde Mitglied
des
Kriegsgerichts, welches den
Marschall
Ney richten sollte, sich jedoch für inkompetent erklärte. Darauf
zog er sich auf sein
Landgut La
Houssaye zurück, wo er starb.