Aufschub
der Strafvollstreckung, s. Strafaufschub.
482 Wörter, 3'793 Zeichen
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
der Strafvollstreckung, s. Strafaufschub.
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
der Strafvollstreckung. Voraussetzung für die Vollstreckung der Strafe ist das rechtskräftig gewordene Urteil, also dasjenige Urteil eines Strafgerichts, das mit ordentlichen Rechtsmitteln (Berufung, Revision) nicht mehr angefochten werden kann. Die ordentlichen Rechtsmittel des Strafprozesses bedingen wegen des ihnen anhaftenden Suspensiveffekts einen S. Durch den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird, weil dabei ein rechtskräftiges Erkenntnis vorausgesetzt ist, die Vollstreckung von Rechts wegen nicht gehemmt, doch kann das Gericht einen Aufschub anordnen, was vornehmlich dann notwendig sein wird, wenn es sich um ein Todesurteil handelt. Ohnehin erleidet der Vollzug jedes rechtskräftigen Todesurteile dadurch einen Aufschub, daß die Entschließung des Staatsoberhaupts - und, im Fall des Hoch- oder Landesverrats gegen Kaiser und Reich, des Kaisers - von dem Begnadigungsrecht keinen Gebrauch machen zu wollen, abgewartet werden muß. Im übrigen gilt die Regel, daß rechtskräftig gewordene Strafurteile alsbald zur Vollstreckung gebracht werden müssen. Nur aus besondern Gründen ist ein Aufschub zulässig. Solche Gründe liegen teils in dem Vorhandensein von Hindernissen, die den Gang der Strafanstaltsverwaltung hemmen, z. B. zeitweise herrschende Überfüllung der Strafanstalten oder der Ausbruch gefährlicher Gefängnisepidemien, teils in Rücksichten der Billigkeit, denen sich der Richter und die Staatsanwaltschaft nicht entziehen dürfen. So kann ein Aufschub bis zu einem Zeitraum von 4 Monaten auf Antrag des Verurteilten zugestanden werden, wenn ihm oder seiner Familie erhebliche, außerhalb des Strafzwecks liegende Nachteile durch sofortige Vollstreckung erwachsen würden, was unter Umständen auch bei der rücksichtslosen Einziehung einer Geldstrafe der Fall sein könnte. Zuweilen muß die Strafvollstreckung ausgesetzt werden. So darf an schwangern oder geisteskranken Personen ein Todesurteil nicht vollstreckt werden. Bei Freiheitsstrafen bewirkt Geisteskrankheit ebenfalls von Rechts wegen einen Aufschub. Dasselbe gilt von andern Krankheiten des Verurteilten, von denen eine nahe Lebensgefahr im Falle der Vollstreckung zu besorgen ist. Ist dagegen der Verurteilte mit einer zwar nicht lebensgefährlichen, aber doch ansteckenden Krankheit behaftet, so kann von der Vollstreckung der Freiheitsstrafe nur im Interesse der Strafanstaltsverwaltung abgesehen werden. Durch die Einreichung eines Begnadigungsgesuchs wird der Vollzug von Rechts wegen ebensowenig gehindert, wie durch die Einholung gerichtlicher Entscheidung über Zweifel bei der Auslegung eines Strafurteils oder bei Berechnung der erkannten Strafe, über Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung oder gegen Ablehnung des auf Krankheit gestützten Strafaussetzungsgesuchs. Doch kann das Gericht in solchen Fällen Aufschub oder Unterbrechung der Strafvollstreckung anordnen. (Vgl. Strafprozeßordn. §§. 357, 383, 400, 481, 485, 487, 488, 490.)
Nach der Österr. Strafprozeßordnung haben die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung aufschiebende Wirkung (§§. 284, 294, 346, 397). Geisteskrankheit, schwere körperliche Krankheit, Schwangerschaft hemmen gleichmäßig den Vollzug der Todesstrafe und der Freiheitsstrafen §§. 398). Freiheitsstrafen von nicht mehr als 6 Monaten können aufgeschoben (aber nicht unterbrochen) werden, wenn durch die unverzügliche Vollstreckung der Erwerb des Verurteilten oder der Unterhalt seiner schuldlosen Familie gefährdet würde (§. 401). Gnadengesuche haben keine aufschiebende Wirkung (§. 411), doch kann bei Übertretungen die Strafvollstreckung aufgesetzt werden, insofern sonst der Zweck des Gesuchs vereitelt würde (§. 482).