Keller, ein durch die Faustsage berühmter Weinkeller in AuerbachsHof
[* 2] zu
Leipzig.
[* 3] Dieser, 1530 erbaut und
genannt nach dem Erbauer Heinr.
(Stromer aus)
Auerbach
[* 4] (in
Bayern),
[* 5] Professor der
Medizin und Senator in
Leipzig, 1482-1542, in der
Grimmaischen
Straße gelegen, ist eine Gebäudegruppe mit öffentlichem Durchgang, in deren Räumen früher das
Neueste und Schönste ausgestellt war, was die
LeipzigerMesse aufwies.
Schon damals hatte er zahlreiche Verkaufsgewölbe, war
weltberühmt und wurde z. B. von Fr.
Taubmann besungen. Aus Auerbachs Keller ist der Sage nach
Faust (s. d.) auf einem vollen Fasse die
Treppe
[* 6] emporgeritten.
Goethe hat in seinem
«Faust» diese Sage benutzt. Noch jetzt dient Auerbachs Keller als Weinstube
und besitzt zwei auf Holz
[* 7] gemalte Ölbilder mit der (gefälschten) Jahreszahl 1525, die
Fausts Anwesenheit und Faßritt verewigen.
[* 4] 1) Heinrich (eigentlich Stromer), Professor der Medizin und Senator in Leipzig, geb. 1482 zu Auerbach in der bayr.
Oberpfalz, gest. 1542. Das von ihm 1530 in der Grimmaischen Gasse nahe am Markt erbaute große Haus mit seinem langen, winkeligen
Hof (AuerbachsHof) war sonst der Sammelplatz des Neuesten und Schönsten, was von Waren auf die Messen kam.
Besonders berühmt aber ist der noch jetzt bestehende Weinkeller daselbst (Auerbachs Keller) durch seine Beziehung zur Faustsage,
die Goethe poetisch verwertet hat. Von hier aus nämlich läßt die Sage den DoktorFaust zum Erstaunen der Anwesenden
auf einem gefüllten Faß
[* 12] hinausreiten, das herauszuziehen die sogen. Weißkittel vergebens versucht hatten.
Noch heute besitzt der Keller zwei alte, auf Holz gemalte, Ölbilder mit der Jahreszahl 1525, welche sich auf die Sage beziehen.
2) Berthold, hervorragender Schriftsteller, geb. in dem Dorf Nordstetten im württembergischen
Schwarzwald von jüdischen Eltern, verlebte daselbst seine Jugend bis zum zwölften Jahr, wo man ihn auf
die Talmudschule nach Hechingen schickte. In Karlsruhe,
[* 13] wo er seine jüdisch-gelehrte Bildung vollenden sollte, verband er mit
den Lerngegenständen orientalischen Ursprungs klassische Studien; dann absolvierte er in Stuttgart
[* 14] das Gymnasium und bezog
mit dem Vorsatz, die Rechte zu studieren, die UniversitätTübingen,
[* 15] wo er, besonders von DavidStrauß
[* 16] angezogen,
zur Philosophie überging, deren Studium er später in München
[* 17] bei Schelling und zuletzt in Heidelberg
[* 18] bei Daub fortsetzte. Die
Verfolgungen, welche die Burschenschaft um jene Zeit zu erdulden hatte, trafen auch der dieser Verbindung angehörte und
zu einer mehrmonatlichen Festungshaft auf dem Hohenasperg verurteilt wurde. Auerbach trat damals, veranlaßt durch die Gehässigkeiten,
welche
¶
als Schriftsteller auf, eine Laufbahn, die er in seinen Romanen: »Spinoza« (das. 1837, 2 Bde.;
neueste Aufl. mit dem Beisatz: »Ein Denkerleben«,
1880) und »Dichter und Kaufmann« (das. 1839 f., 2 Bde.; 4. Aufl.
1860), von denen der erstere das Leben des Philosophen, der zweite das Leben des Epigrammendichters MosesEphraimKuh zum Vorwurf
hat, mit Glück verfolgte. Seit dem Frühling 1838 lebte er in Frankfurt
[* 21] a. M., begann und vollendete die Übersetzung der Werke
Spinozas, welcher eine kritische Lebensgeschichte dieses Denkers vorangeht (Stuttg. 1841, 5 Bde.;
neue Ausg., das. 1871, 2 Bde.).
Aus diesen rein wissenschaftlichen Bestrebungen öffnete sich Auerbach die Rückkehr auf das belletristische Gebiet
mit einem Versuch der Vermittelung zwischen der abstrakten Philosophie und der Poesie in den Erzählungen: »LiebeMenschen« und
»Was ist Glücke«, die später in die Sammlung »Deutsche
[* 22] Abende« (1850, 4. Aufl. 1855) aufgenommen wurden, während er in dem Werk »Der
gebildete Bürger, Buch für den denkenden Mittelstand« (Karlsr. 1842) die höchsten Resultate der Philosophie dem schlichten
Verstand anzunähern versuchte.
Den allgemeinsten Beifall aber fand Auerbach mit der Sammlung seiner zuerst in Zeitschriften erschienenen »Schwarzwälder
Dorfgeschichten« (Mannh. 1843), die ein ganzes Heer von Nachahmern hervorriefen und in fast sämtliche SprachenEuropas übersetzt
wurden. Zwar hatte Auerbach das Gebiet des dörflichen und vorwiegend des bäurischen Lebens für die Dichtung nicht entdeckt, aber
die von UlrichHegner, Immermann und Jeremias Gotthelf begonnene Eroberung desselben mit Bewußtsein und entschiedenstem
Talent fortgesetzt.
Die Fülle, Freiheit und Schärfe in der Beobachtung und Wiedergabe der bäuerlichen Lebenskreise seiner Heimat, die tiefe Mitempfindung
für die eigenartigsten Menschengestalten und Entwickelungen, der Reiz einer stimmungsvollen und dabei klar eindringlichen
Darstellung ließen das gelegentliche Übergewicht der Reflexion,
[* 23] ja schulmäßiger Weisheit leicht übersehen. Die
Verwandtschaft der Tendenz einzelner Dorfgeschichten mit den politischen Tagestendenzen wurde nebenbei sehr beifällig begrüßt.
In den spätern Folgen der »Dorfgeschichten« (Mannh. 1848-53)
traten die idyllischen und heiter anekdotischen Geschichten der ersten Sammlung, in denen eine köstliche Frische herrschte,
hinter größer angelegten, schärfere und tiefere Konflikte darstellenden Erzählungen zurück. Einzelne, wie:
»Die Frau Professorin«, »Luzifer«, »Diethelm
von Buchenberg«, »Der Lehnhold«, erhoben sich sogar zu wirklich
tragischer Wirkung, während die köstliche Geschichte von »Brosi und Moni« die
Vorzüge der ersten Erzählungen verstärkt aufwies. Es war nun natürlich, daß der Autor auf dem Boden zu verharren suchte,
der ihm so reiche Früchte getragen. Er gründete den »Gevattersmann«,
einen Volkskalender, der in vier Jahrgängen erschien (1845-48) und große Verbreitung fand, und veröffentlichte das Buch
»Schrift und Volk, Grundzüge der volkstümlichen Litteratur« (Leipz. 1846), worin er, anschließend
an eine CharakteristikHebels, gewissermaßen von seinem eignen Produzieren Rechenschaft gab.
Nachdem er abwechselnd in Weimar,
[* 24] Leipzig, Dresden
[* 25] und Berlin
[* 26] gelebt, verheiratete er sich 1847 in Breslau
[* 27] und besuchte nun mit seiner Frau den Süden, längere Zeit in Heidelberg verweilend, kehrte aber in der Revolutionszeit nach
Breslau zurück. Häusliche Leiden,
[* 28] Krankheit und Tod seiner Frau ließen ihn in der bewegtesten Zeit ein einsiedlerisches Leben
führen. Im Herbst suchte er durch eine Reise nach Wien
[* 29] Zerstreuung und hatte hier die Oktoberrevolution
zu durchleben, deren Eindrücke sein »Tagebuch aus Wien« (Bresl. 1849) schilderte. Im J. 1850 ließ sich Auerbach, zum zweitenmal
verheiratet, in Dresden, 1859 in Berlin nieder, zum Zweck größerer Produktionen von Zeit zu Zeit in eine ländliche oder
kleinstädtische Einsamkeit flüchtend, auch sonst zahlreiche Reisen unternehmend. Die Versuche, zum Drama überzugehen, welche
mit dem Trauerspiel »AndreeHofer« (Leipz. 1850) begonnen und später mit dem Schauspiel »Der Wahrspruch« (das. 1860) fortgesetzt
wurden, fielen nicht glücklich aus; die strenge Geschlossenheit und Objektivität sowie die rasche, leidenschaftliche Steigerung
der dramatischen Handlung widerstrebten Auerbachs ganzem Naturell. Mit dem Roman »NeuesLeben« (Mannh. 1851, 3 Bde.)
begann die Reihe der größern RomaneAuerbachs. Die ungünstige Aufnahme dieses Buches ließ ihn zunächst noch einigemal nach
den kleinern Formen greifen, welche er mit so sicherer und anerkannter Meisterschaft beherrschte. So wurden die kleinern Geschichten
und Aufsätze aus dem »Gevattersmann« im »Schatzkästlein
des Gevattersmanns« (Stuttg. 1856) gesammelt; so entstanden die größern Erzählungen: »Barfüßele« (das. 1856),
das in
alle lebenden Sprachen übersetzt, durch Vautier auch illustriert ward, »Joseph im Schnee«
[* 30] (das. 1861) und »Edelweiß« (das. 1861),
mit denen Auerbach auf das Gebiet der Dorfgeschichten zurückkehrte, ohne jedoch die objektive
Unbefangenheit und frisch anmutende Naturstimmung der ersten zu erreichen. Auch gab er von 1858 bis 1869 jährlich einen
neuen »Volkskalender« heraus. Mit den großen Romanen: »Auf der Höhe« (Stuttg. 1865, 3 Bde.; 9. Aufl.
1873),
»Das Landhaus am Rhein« (das. 1868, 3 Bde.; 4. Aufl.
1874) und »Waldfried. Eine vaterländische Familiengeschichte«
(das. 1874, 3 Bde.),
denen »Landolin von Reutershöfen« (Berl. 1878),
»Der Forstmeister« (das. 1879, 2 Bde.)
und die Erzählung »Brigitta« (Stuttg. 1880) folgten, begann darauf eine zweite Periode von AuerbachsSchaffen, in welcher die
dem Schriftsteller eigentümlichen glänzenden Vorzüge und seine charakteristischen Mängel in einer schwer zu
definierenden Mischung auftraten. Die reiche Erfindung, der tiefe und scharfe Blick für Welt und Leben, die sichere Gestaltenzeichnung,
das poetische Stimmungsleben wurden in diesen Werken von der mosaikartigen Darstellung derHandlung, von der Einwirkung einer
optimistischen Schönfärberei unsrer öffentlichen und häuslichen Lebenszustände, von der immer stärker überwuchernden
Reflexion, welche Nachdruck auf die nichtigsten Vorkommnisse und Aussprüche zu legen sucht, durchkreuzt
und in ihren vollen Wirkungen gehemmt. Am stärksten machten sich die angedeuteten Mängel in dem Versuch geltend, in den »Nach
dreißig Jahren« (Stuttg. 1876) betitelten neuen Dorfgeschichten die Gestalten der frühern
Novellen wieder auftreten zu lassen.