§. 1. Dadurch werden I) Weiden, annehmliche und mit Gras bewachsene Oerter, wo die Viehhirten ihre
Zelte aufschlagen, und das Vieh zu weiden pflegen,
Esa. 30, 23. angezeigt. In dem gelobten Lande wurden derer so viele gefunden,
5 Mos.
8, 7.
5 Mos. 11, 11. II) Ein Bild eines glückseligen Zustands,
Jer. 6, 2.
Ueber die Maulbeerbäume in den Auen war Baalhanam gesetzt,
1 Chr. 28, 28.
Das Feuer hat die Auen der Wüste verbrannt,
Joel 1, 19.
Die Auen der Hirten werden jämmerlich stehen, Amos, 5, 2.
Zacharias sah einen Mann auf einem rothen Pferde unter den Myrten in den Auen,
Zach. 1, 8.
§. 2. III) Bedeutet es figürlicher Weise die heilsame und angenehme Weide der Seele, welche durch das Wort des Evangeliums
und die Sacramente nicht allein annehmlich, sondern auch kräftig ernährt und erhalten wird.
Er weidet mich auf einer grünen Aue, und führt mich zum frischen Wasser,
Ps. 23, 2.
oder Au, entsprechend dem oberdeutschen Ach (s. d.) und dem niederländ. und niederdeutschen
Aa (s. d.), ist in Hannover,
[* 9] Oldenburg
[* 10] und Schleswig-Holstein teils einzeln, teils in Zusammensetzung mit andern Worten Name
vieler kleiner Flüsse.
[* 11] Nach gewöhnlichem Sprachgebrauch ist Aue ein fruchtbarer, durch sanfte Anhöhen
eingeschlossener Acker und Wiesengrund an kleinen und mittlern Flüssen im
Innern eines Landes, durch angeschwemmte Ablagerungen
gebildet, meist ein früheres Seebecken aus der Alluvialzeit. Man findet in den den fruchtbarsten Boden (Aueboden), so in der
Goldenen Aue (s. d.) in Thüringen. – Unter den Flüssen des Namens Aue sind zu nennen:
1) die Aue, die im preuß. Reg.-Bez. Minden
[* 12] entspringt,
den westl. Teil des Reg.-Bez. Hannover durchfließt und nach 97 km langem Laufe oberhalb Nienburg in die Weser mündet;
2) die Aue im preuß. Reg.-Bez. Stade,
[* 13] erreicht das «Alte Land» bei Horneburg, von wo ab sie (als Lühe)
schiffbar ist (10 km), und mündet beim Dorfe Lühe in die Elbe. – In Holstein giebt es zahlreiche Aue. Zur Elbe gehen z. B.
die Delvenau, die Pinnau, die Krückau, zur Eider die Wehrau, Lubnau, Halerau und Gieselau. Die Mielau mündet bei Meldorf
in die Nordsee; die Schwartau in die Ostsee. – In Schleswig
[* 14] ist besonders die in die Nordsee mündende
Königsau (s. d.) bekannt.
Hartmann von, mittelhochdeutscher Dichter, geb. um 1170, ritterlicher
Dienstmann aus Schwaben, war für einen Laien ungewöhnlich gebildet, des Französischen und Lateinischen, des Lesens und Schreibens
kundig; er scheint die Kreuzfahrt von 1190 mitgemacht zu haben und starb um 1210. Als Jüngling dichtete er den «Erec» (hg.
von Haupt, Lpz. 1871; übersetzt von Fistes, Halle
[* 17] 1851) nach einem franz. Artusgedicht Chrétiens deTroyes
(s. d.),
formell noch unsicher und mit unerträglich breiten Schilderungen. Die an die Ödipussage erinnernde christl. Legende
von «Gregorius auf dem Stein» (hg. von Lachmann, Berl. 1838; von Paul, Halle 1873 u. 1882),
die gleichfalls aus franz. Quelle
[* 18] stammt (hg. von Luzarche, Tours
[* 19] 1857),
übertrug BischofArnold von Lübeck um 1210 aus Hartmanns Gedicht
in lat. Hexameter. Für die liebliche Idylle vom «ArmenHeinrich» (hg. u. a. von Wackernagel, Bas. 1885; übersetzt von Simrock, 2. Aufl.,
Heilbr. 1875, illustriert von Führich), die die Aufopferung eines Mädchens für ihren aussätzigen
Herrn rührend erzählt, ist die (jedenfalls lat.) Quelle unbekannt. Hartmann hat die Sage auf seine eigenen
Lehnsherren übertragen. Sein reifstes Werk «Iwein, der Ritter mit dem Löwen»,
[* 20] vor 1203 gedichtet (hg. von Benecke und Lachmann,
Berl. 1843 u. ö.; von Emil Henrici, Tl. 1, Halle 1891; übersetzt von Baudissin, Berl. 1845),
hat den schwachen «ChevalierauLyon»
[* 21] Chrétiens deTroyes zur Grundlage. Hartmann ist der Klassiker des mittelhochdeutschen Artusromans: mit vollendeter
stilistischer und metrischer Meisterschaft, in «krystallhellen Wörtlein»,
stellt er die vagen Ideale des Rittertums glänzend, aber ohne feste Zeichnung dar, ohne Frische, Laune und Sinnlichkeit,
mit ängstlicher Vermeidung alles
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Anstößigen. Gottfried von Straßburg
[* 23] stellt ihn im «Tristan» hoch über den ungleich tiefern und genialern W. von Eschenbach.
In seinen Minneliedern (bg. mit den «Büchlein» von Haupt, Lpz. 1842) zeigt Hartmann nüchterne Klarheit; sein «Büchlein» in
Reimpaaren enthält einen Streit zwischen Herz und Leid, der des fruchtlos treuen Minnedienstes satt ist.
Das sog. zweite Büchlein ist nicht Hartmanns Eigentum. Gesamtausgabe von Bech (in Pfeiffers «Deutsche
[* 24] Klassiker des Mittelalters»,
Tl. 4-6, 2. und 3. Aufl., Lpz. 1870-91).