Attitüde
(franz.),
Haltung,
Stellung oder
Lage menschlicher
Figuren, in künstlerischem
Sinn zur Andeutung eines bedeutungsvollen
Seelenzustands oder Lebensmoments gewählt, daher für die bildende
Kunst (Bildhauerei wie
Malerei) von
Wichtigkeit. Der günstige
Effekt einer glücklich getroffenen Attitüde
veranlaßte neuere dramatische
Künstler zu dem
Versuch, die
in
Darstellung sogen. lebender
Bilder (tableaux vivants, s. d.) zu noch selbständigem Kunstakt zu erheben.
Die bekannte
Lady
Hamilton (s. d.) war es zunächst, die zu Ende des vorigen
Jahrhunderts das ihr eigentümliche
Talent, lebende
Personen zu kopieren, bei ihrem Aufenthalt in
Italien
[* 2] auf die
Nachbildung
der
Antiken anwendete und bald nachher auch in
Deutschland,
[* 3]
Frankreich und
England öffentliche pantomimische
Darstellungen antiker
Statuen veranstaltete, welche die allgemeinste Bewunderung erregten. Den artistischen Erfolg machte
sie so ausschließlich von der Attitüde
abhängig, daß selbst das
Material ihres Anzugs zu den verschiedensten
Darstellungen wesentlich
immer dasselbe war: eine lange, mit einem
Band
[* 4] einfach über der
Brust zusammengeknüpfte
Tunika und ein darübergeworfener
Shawl, mit welchem sie alle erforderlichen Bekleidungen und
Faltenwürfe leicht hervorbrachte.
Ihre Darstellungen wurden in Deutschland von Friedr. Rehberg gezeichnet, von Draggendorf lithographiert und von Rud. Marggraff in München [* 5] mit Text versehen. Vielfach erhöht und erweitert ward diese Kunsterfindung durch die deutsche Schauspielerin Händel-Schütz (s. d.), welche durch Rehbergs Zeichnungen in Frankfurt [* 6] angeregt wurde, ihr Nachahmungstalent auf diese belebte Plastik zu richten. Ein gewandter, schön gebauter Körper, eine feine Beobachtung- und eine echt künstlerische Erfindungsgabe vereinigten sich in dieser Darstellerin, um das Höchste in diesem Kunstzweig zu leisten.
Die
Händel-Schütz blieb nicht bei
Nachbildungen einzelner
Statuen und Gemäldestehen, sie suchte vielmehr in ganzen
Reihen
von Attitüden
wechselnde
Handlung und verschiedene
Momente der
Leidenschaft zur
Anschauung zu bringen. Dabei
besaß sie das noch größere
Talent, poetische Attitüden
zu erfinden und in dem angemessenen
Stil darzustellen, so daß sie
sowohl in Hinsicht auf Idealität als an
Reichtum der
Charaktere und Gestalten und in der Kenntnis der moralischen
Wirkung,
welche sie durch große Leichtigkeit in Handhabung der Gewänder und
Anordnung einer sehr passenden
Beleuchtung
[* 7] überall an den
Tag legte, ihre Vorgängerin weit übertraf. Auch ihre Attitüden
sind, obwohl nicht immer glücklich, von
Peroux und
Ritter (Frankf. a. M. 1809) gezeichnet und gestochen, einige auch in dem Taschenbuch
»Urania« für 1812 nachgebildet und von
Falk lehrreich besprochen worden.
Weniger
Glück hat
Elise
Bürger in
Darstellungen dieser Art gehabt; Vortreffliches leistete dagegen
Sophie
Schröder. Unter den männlichen Künstlern erlangte der in
Amerika
[* 8] verstorbene Seckendorf, genannt
Patrick Peale, welcher zugleich
Vorlesungen über seine
Darstellungen hielt, großen
Ruf. Dann sind
Professor
Keller und Rappo in
Berlin
[* 9] auf den
Gedanken gekommen,
mit einer eignen
Gesellschaft öffentliche
Vorstellungen in der
Nachahmung plastischer Kunstwerke zu geben,
und
haben damit einen großen, wenn auch keineswegs rein künstlerischen Erfolg erzielt; denn es wurde hierbei das sinnliche
Element über
Gebühr kultiviert. Sie haben bis jetzt zahlreiche Nachahmer gefunden, welche aus dem ganzen
Genre eine niedrige
Spekulation auf den sinnlichen
Reiz gemacht
haben. - Im
Ballett heißen Attitüden
alle
Stellungen auf Einem
Fuß ohne Rücksicht auf ihre Bedeutung.