Titel
Attenuation
(lat.), Verdünnung, speziell die in gärenden zuckerhaltigen Flüssigkeiten, z. B. in der Maische der Spiritusfabriken und in der Würze der Brauereien, erfolgende Verminderung des spezifischen Gewichts. Die gärende Flüssigkeit ist eine Lösung von Zucker, [* 2] eiweißartigen Stoffen, Salzen etc. und besitzt daher ein höheres spezifisches Gewicht als Wasser. Bei der Gärung wird der Zucker in Alkohol und Kohlensäure zersetzt, und ein Teil der andern gelösten Substanzen scheidet sich in unlöslicher Form ab. Das spezifische Gewicht sinkt mithin und nicht nur, weil die Flüssigkeit an festen Stoffen verarmt, sondern auch, weil der in derselben bleibende Alkohol leichter ist als Wasser.
Bezeichnet p die Aräometeranzeige in der frischen
Maische oder
Würze und m die
Anzeige in der vergornen
Flüssigkeit, so ist
p-m die scheinbare Attenuation.
Diese steht in einem gewissen
Verhältnis zur
Menge des vergornen
Zuckers, und die
Beobachtung
desselben bietet das einfachste
Mittel, den
Gang
[* 3] der
Gärung zu verfolgen. Der auf empirischen Wege gefundene Alkoholfaktor
a, mit welchem man die in Aräometerprozenten ausgedrückte scheinbare Attenuation
multiplizieren muß, um den Alkoholgehalt
A der
Flüssigkeit in Gewichtsprozenten zu erhalten (A = a[P-m]), ist
nur für unveränderte Gärungsverhältnisse konstant
und hängt ab von der ursprünglichen
Konzentration der klaren
Maische oder vom Wert p. Für die
Zahlen
zwischen p = 5 und p = 30 wechselt er zwischen 0,4294 und 0,4810.
Er ist ferner abhängig vom Vergärungsgrad und wird erst gegen Ende des Gärungsverlaufs
konstant. - Vergleicht man die scheinbare
Attenuation
mit der ursprünglichen Aräometeranzeige, so findet man, welcher Bruchteil der letztern
scheinbar verschwunden ist.
Dies Verhältnis von p:p-m, worin man p als Einheit annimmt, nennt man den scheinbaren Vergärungsgrad und bezeichnet ihn mit v;
man findet ihn durch das Verhältnis p:p-m = l:v, woraus v = (p-m)/p.
War z. B. die ursprüngliche Aräometeranzeige
p = 24 Proz. und diejenige der vergornen
Maische m = 2, so ist v = (24-2)/24 = 0,917. Es ist also 0,917
der Ursprünglichen Aräometeranzeige verschwunden. Ist V gegeben und m bekannt, so findet man leicht p, oder wenn p bekannt
ist, findet man m.
Da man also aus dem scheinbaren Vergärungsgrad die scheinbare Attenuation
und aus dieser
(bei bekanntem Alkoholfaktor
a) den Alkoholgehalt der
Flüssigkeit finden kann, so folgt, daß letzterer auch aus dem Vergärungsgrad
m und p abzuleiten ist.
Vertreibt man den
Alkohol aus der vergornen
Flüssigkeit durch
Kochen und stellt das ursprüngliche
Gewicht durch Zusatz
von
Wasser wieder her, so ergibt das
Aräometer
[* 4] den Extraktgehalt n der
Flüssigkeit. Die
Differenz zwischen dem Extraktgehalt
p der unvergornen
Flüssigkeit und n, also p-n, gibt die wirkliche Attenuation
, und auch für diese läßt sich ein Alkoholfaktor
b ermitteln, mit
Hilfe dessen der Alkoholgehalt
A der vergornen
Flüssigkeit berechnet werden kann: A =
b(p-n). Aus der wirklichen Attenuation
leitet man den wirklichen Vergärungsgrad ab. Derselbe besagt, welcher Teil
von einem
¶
mehr
Aräometergrad wirklich durch die Gärung verschwunden ist. Für die Praxis ist die Bestimmung dieses wirklichen Vergärungsgrads von Wichtigkeit, weil man daraus unmittelbar den Bruchteil des Maischextrakts findet, der wirklich in Alkohol übergegangen ist. Man kann auf diese Weise den Wert verschiedener Maischen und Maischmethoden sehr zuverlässig kontrollieren.
Die scheinbare Attenuation
p-m ist immer größer als die wirkliche. Der Unterschied zwischen
beiden (p-m)-(p-n) ergibt die Attenuation
sdifferenz d = n-m. Man findet ihn, indem man von dem Extraktgehalt
der alkoholischen Flüssigkeit n die Aräometerprozente der nur von der Kohlensäure befreiten Flüssigkeit m abzieht; d ist
um so größer, je alkoholreicher die Flüssigkeit ist. Der Alkoholfaktor, welcher, mit der Attenuation
sdifferenz
multipliziert, die Alkoholprozente A ergibt, der Alkoholfaktor für die Attenuation
sdifferenz c, ist = A/(p-m). Mit Hilfe
von c läßt sich aus der Attenuation
sdifferenz der Alkoholgehalt eines Biers approximativ berechnen, selbst wenn der Malzextraktgehalt
einer Würze nicht bekannt ist. c ist etwas verschieden, je nach der ursprünglichen Aräometeranzeige
der in Gärung versetzten Flüssigkeit, behält aber bei derselben gärenden Flüssigkeit für jeden Vergärungsgrad gleichen
Wert.
Dividiert man die scheinbare durch die wirkliche Attenuation
, so erhält man den Attenuationsquotienten q = (p-m)/(p-n)
welcher nach der verschiedenen Maischkonzentration verschieden groß ist. Er ist nämlich höher bei größerer
und niedriger bei geringerer Dichtigkeit, aber er ist für eine und dieselbe zuckerhaltige Flüssigkeit in dem spätern Gärungsstadium,
wenn die Attenuation
sdifferenz sich der Zahl 1 nähert und sie übersteigt, ziemlich konstant. Man benutzt diesen Quotienten
für die meisten saccharometrischen Berechnungen und findet so namentlich 1) den Wert der Alkoholfaktoren für
die scheinbare Attenuation
Derselbe ergibt sich als a = b/q, d. h. man erhält diesen
Faktor aus der Division des Faktors für die wirkliche Attenuation
durch den entsprechenden Attenuationsquotienten;
2) den Alkoholfaktor c für die Attenuation
sdifferenz. Die Formeln ergeben c = b/(q-1);
3) das Verhältnis zwischen dem scheinbaren und dem wirklichen Vergärungsgrad, nämlich v¹ = v/q, d. h.
man erhält den wirklichen Vergärungsgrad, indem man den scheinbaren durch den Attenuation
squotienten dividiert, welcher
dem Ursprünglichen Wert von p zugehört;
4) den ursprünglichen Aräometergrad der Maische vor der Gärung mittels aller übrigen Angaben. Zur Ausführung dieser Berechnungen sind von Balling und Habich Tabellen entworfen worden.
Vgl. Holzner, Die Attenuationslehre (Berl. 1876).