Asyl
(grch. ásylon
,
d. i. ein unverletzlicher, in Götterschutz stehender Ort) oder Freistätte, der Ort, wo Verfolgte,
selbst Verbrecher Sicherheit finden.
Bei den Alten gewährten
Tempel,
[* 2] Götterbilder,
Altäre u. s. w. solche
Zuflucht, und es galt für Frevel gegen die
Götter, einen dahin Geflüchteten wegzureißen oder, was wiederholt, besonders
in
Zeiten polit. Erregung geschah, durch
Hunger oder
Feuer
u. ähnl. zum Verlassen des Asyl
zu nötigen. Allmählich wurde bei
den Griechen das ursprünglich jedem Heiligtume zukommende
Asylrecht auf bestimmte teils besonders heilige,
teils durch ihre
Lage geeignet erscheinende Tempelstätten beschränkt und diesen durch
Verträge gesichert.
Romanzement - Römer

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Römer.
Diese Berechtigungen erkannten die
Römer
[* 3] an, bis
Tiberius 22 n. Chr., um
Mißbräuchen zu steuern, eine Prüfung der
Ansprüche
einzelner griech.
Städte auf
Asylrechte durch den röm. Senat anordnete, deren Ergebnis die
Beschränkung
auf wenige Heiligtümer war. Der
Gedanke des Asyl
, zu dem das
Judentum, das sechs Freistätten kannte,
Analogien bietet, ging
auch ins
Christentum über.
Schon in der byzant. Kaisergesetzgebung waren die
Kirchen, später auch Pfarrhäuser und ein gewisser
im Umkreis derselben gelegener Raum als Asyl
derart erklärt, daß Verbrecher oder Schuldner,
welche dahin flüchteten, nur mit Genehmigung des
Bischofs der weltlichen Gerichtsgewalt ausgeliefert werden durften.
Für Schuldner wurde das Asylrecht bald aufgehoben, dagegen bestand es für das Gebiet des Strafrechts das ganze Mittelalter hindurch fort. Erst die Neuzeit hat diese mit einer geordneten Strafrechtspflege völlig unvereinbare Einrichtung beseitigt. Auch für die Gesandtschaftshotels war kraft der ihnen zukommenden Exterritorialität das Asylrecht beansprucht und vielfach, so besondere im päpstl. Rom, [* 4] auch durchgesetzt worden; heute ist das Asylrecht auch als Bestandteil der Exterritorialität nirgends mehr anerkannt.
Europa. Fluß- und Gebi

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Europa. Im heutigen
Völkerrecht wird als Asyl
bezeichnet der tatsächliche Schutz, den ein
Staat durch
Aufnahme in
sein Gebiet den von einem andern
Staate Verfolgten gewährt.
In den großen religiösen und polit. Parteiungen, welche Europa
[* 5] seit dem 16. Jahrh. ohne Unterschied der Staatsgrenzen durchzogen, war es natürlich, daß
die in dem einen
Staate verfolgten
Anhänger der unterdrückten Partei in einem andern
Staate Zuflucht suchten und Schutz fanden,
wo diese Partei oder eine unbefangene Regierung die Herrschaft hatte.
Ein Asylrecht der Flüchtlinge hat daraus nicht entstehen können, da es dem Staate völkerrechtlich freisteht, Fremde auszuweisen und ihnen die Aufnahme zu versagen. Aber auch von einem Rechte des Staates verstanden ist der Ausdruck Asylrecht mindestens schief, da der Staat eines besondern Rechts nicht bedarf, um Fremden den Aufenthalt in seinem Gebiete zu gestatten und ihnen den Schutz seiner Rechtsordnung zu gewähren. Was mit dem Ausdruck gemeint wird, ist nur eine Einschränkung der Pflicht zur Auslieferung (s. d.) der wegen strafbarer im Auslande begangener Handlungen Verfolgten und der Pflicht, zu verhüten, dass das Staatsgebiet zum Ausgangspunkte feindseliger Handlungen gegen einen andern Staat gemacht werde, mit welchem kein Kriegszustand besteht.
Karte zur Geschichte d

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Türkei.In der letztern Beziehung ist nicht das Prinzip streitig, sondern nur die Anwendung; wie weit der Staat in der Überwachung der von ihm aufgenommenen Flüchtlinge zu gehen, insbesondere unter welchen Umständen er sie zu internieren, d. h. ihnen den Aufenthalt in den der Grenze des bedrohten Staates nahe gelegenen Gebietsteilen zu untersagen hat. Darüber sind gegen Frankreich unter der Julimonarchie, gegen die Türkei [* 6] nach Unterwerfung des ungar. Aufstandes (1849), gegen England besonders nach dem Orsinischen Attentat (1858), am häufigsten und bis in die jüngste Zeit gegen die Schweiz [* 7] diplomat. Vorstellungen gemacht worden.
Vgl. Helfrecht,
Abhandlungen von den Asyl
(Hof
[* 8] 1801);
Bulmerincq, Das Asylrecht (Dorp. 1853);
Lammasch, Auslieferungspflicht und Asylrecht Lpz. 1887).
Asyl oder Zufluchtsorte beißen auch Stätten, in denen entlassene Sträflinge, insbesondere weiblichen Geschlechts, zeitweise aufgenommen werden, bis es ihnen gelungen ist, Arbeit zu finden; dann auch andere ähnliche, namentlich in großen Städten notwendige öffentliche Einrichtungen, deren Zweckbestimmung eine sehr mannigfaltige ist. Man unterscheidet vor allem 1) Asyl für Trunkenbolde (s. Trinkerasyle), 2) Asyl für Prostituierte (vielfach Magdalenenhäuser genannt), 3) Asyl für arme Wöchnerinnen, 4) Asyl für Obdachlose.
Asylrecht - Atacama

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Seite 52.17.Gerade diese letztgenannten sind von großer Bedeutung. Sie dienen zur zeitweiligen Aufnahme solcher Personen, die nicht im Stande sind, sich ein Nachtlager aus eigenen Mitteln zu verschaffen. Die massenhaft nach den größeren Städten zureisenden Arbeiter und Dienstboten, besonders die weiblichen, bedürfen einer solchen Unterkunft oft schon aus dem Grunde, weil sie am Orte fremd und ohne derartige Zufluchtsorte mancherlei Gefahren ausgesetzt sind; viele andere, die in der Stadt leben, sind durch augenblickliche Beschäftigungslosigkeit, Entlassung aus dem Dienste, [* 9] Zwang zur Räumung der Wohnung wegen unpünktlicher Zahlung der Miete u. s. w. in Verlegenheit um eine Unterkunft. Die polizeilichen Gewahrsame ¶
mehr
und Arbeitshäuser genügen für diesen Zweck besonders darum nichts weil sie vielfach unbescholtene Leute mit Verbrechern oder liederlichem Volk in einen Raum zusammenpferchen und so in sittlicher Hinsicht ansteckend wirken. Unter den neuerdings gegründeten Asyl dieser Art ist eins der größten und am besten eingerichteten das in Berlin. [* 11]