Asyl
Apollon - Apollonia

* 5
Apollon. (griech.),
Freistätte, Zufluchtsort für Verfolgte.
Schon
Moses gewährte nach uraltem Herkommen, um die
Blutrache
zu beschränken, für unvorsätzliche
Totschläger sechs
Freistädte
(4. Mos. 35).
Später war auch der
Tempel
[* 2] zu
Jerusalem
[* 3] eine solche
Freistätte. In
Griechenland
[* 4] war zunächst jeder den
Göttern geweihte
Ort ein Asyl
, doch
gab es auch
besonders bevorrechtete und allgemein anerkannte Asyle.
Zu den berühmtesten gehörten die
Tempel des
Apollon
[* 5] in
Delos,
des
Poseidon
[* 6] in
Tänaron, des
Zeus
[* 7]
Lykäos in
Arkadien etc. In
Rom
[* 8] errichtete angeblich
Romulus ein Asyl
zwischen dem
Kapitol und der
Burg, um durch Flüchtlinge aus den benachbarten Völkern die Einwohnerzahl schneller zu mehren.
Wie die
Tempel, so schützten auch später die
Adler
[* 9] der römischen
Legionen und die
Statuen der
Kaiser vor
augenblicklicher Gewaltthat. Von den heidnischen
Tempeln ging seit
Konstantin d. Gr. das Asyl
recht auf die christlichen
Kirchen,
später selbst auf die
Wohnungen der
Bischöfe und
Geistlichen, auf Klöster,
Hospitäler etc. über.
Benedikt XIII.,
Gregor XIV.
u. a. setzten jedoch fest, daß gewisse grobe Verbrecher, wie
Straßenräuber,
Mörder,
Diebe von
Profession,
Kirchenschänder, von der
Inquisition verfolgte
Ketzer, Falschmünzer, grobe
Betrüger etc., von der Wohlthat des Asyls
ausgeschlossen
sein sollten.
Man verhaftete nun jeden dahin Geflohenen und untersuchte, ob er auf den kirchlichen
Schutz ein Anrecht habe.
In den protestantischen
Ländern verloren die geistlichen Stätten sehr früh das Privilegien des Asyls.
Mit der zunehmenden
Befestigung
der weltlichen
Justiz mußte das Asyl
recht ganz verschwinden. Neuerdings spricht man jedoch wieder von einem Asylrecht
in dem
Sinn, daß man darunter die Nichtauslieferung von Verbrechern, namentlich von politischen Verbrechern, von dem einen
Staat an den andern versteht. So waren
England, die
Vereinigten Staaten
[* 10] von
Nordamerika,
[* 11] die
Schweiz
[* 12] und andre
Staaten
Freistätten für alle, welche infolge politischer Ereignisse ihr Vaterland verlassen mußten (s.
Auslieferung).
Völlig verschieden von dem klassisch-antiken, kirchenrechtlichen und völkerrechtlichen
Begriff des Asyls
ist die moderne
Bedeutung des Asyls
als einer durch Philanthropie geschaffenen Zufluchtsstätte für Notleidende. Die Zweckbestimmungen dieser
modernen Asyle
ist eine sehr mannigfaltige. Die hauptsächlichsten, am häufigsten vorkommenden Asyle
,
deren
Bedürfnis sich vornehmlich in den großen
Städten fühlbar macht, sind folgende:
1) für Trunkenbolde;
2) für Prostituierte (öfters Magdalenenstifter benannt);
3) für entlassene Strafgefangene, denen es an Beschäftigung fehlt;
4) für arme Wöchnerinnen;
Berlin

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Berlin.
5) für obdachlose
Personen. Insbesondere diese letztern wirken in den großen Industriestädten mit günstigem
Erfolg und beherbergen jahraus jahrein
Tausende von ehrlichen Arbeitern, die durch Wohnungsnot oder augenblickliche Hilflosigkeit
bedrängt werden. Zu den Musteranstalten zählen die neuen Asyl
einrichtungen von
Berlin.
[* 13] Die Einrichtungen der Asyle
sind
nach der
Natur ihrer Zweckbestimmungen sehr verschieden. Entweder handelt es sich um Rettung moralisch
gesunkener
Menschen, in welchem
Fall das Asyl
notwendig eine längere Beherbergung in
Verbindung mit strenger
Zucht erfordert,
oder um vorübergehende Aushilfe in Notfällen, wie bei Obdachlosen, denen zur Verhütung von
Mißbräuchen immer
nur für
kurze Zeit und zwar
nur für einzelne
Nächte
Quartier gegeben werden sollte. Wesentlich für alle
Arten
von Asylen
bleibt es, daß die
Aufnahme überall nur freiwillig Nachsuchenden zu teil wird. Die Asyle sind keine Zwangsanstalten
und darum nicht zu verwechseln mit dem polizeilichen »Gewahrsam« und den
Zwangsarbeitshäusern (s.
Arbeitshäuser).