Astronomenversammlung.
Die 14. Generalversammlung der Astronomischen Gesellschaft (vgl. Bd. 1, S. 981) wurde vom 5. bis in München abgehalten und war von mehr als 60 Mitgliedern der Gesellschaft aus allen Erdteilen besucht. Die erste Sitzung wurde 5. Aug. von dem Vorsitzenden der Gesellschaft, Gyldén - Stockholm, mit einer Begrüßung der Mitglieder und Ehrengäste eröffnet, worauf der Minister v. Müller die Versammlung im Namen der bayrischen Staatsregierung willkommen hieß. Es gereiche, so führte derselbe aus, Bayern zur Ehre, eine so angesehene Gesellschaft in Münchens Mauern tagen zu sehen, und er sehe darin eine Anerkennung der Förderung, welche die Staatsregierung der astronomischen Wissenschaft hat zu teil werden lassen. Dem Dank des Vorsitzenden folgten Mitteilungen über verstorbene Mitglieder, wobei besonders der Verdienste von Schönfeld - Bonn (gest. und Oberst Gautier - Genf (gest. gedacht ward; auch wurde noch erwähnt, daß der Vorstand dem hochverdienten englischen Astronomen Airy zu seinem 90. Geburtstag die Glückwünsche der Gesellschaft dargebracht habe. Es folgte nun der Bericht des Vorsitzenden über die wissenschaftliche Thätigkeit der Gesellschaft, deren Hauptgegenstand seit 1865 das große Zonenunternehmen bildet, welches bezweckt, auf Grund von Meridianbeobachtungen ein Verzeichnis der Positionen aller Fixsterne bis herab zur 9. Größe herzustellen.
Diese Arbeit, an welcher 14 Sternwarten beteiligt sind, ist nunmehr nahezu vollendet, und schon 1890 sind die Kataloge der Zonen von 65–70° nördlicher Deklination, beobachtet in Christiania, von 55-65° (Helsingfors und Gotha) und von 1–5° nördlicher Deklination (Albany) veröffentlicht worden. Der Vorsitzende hob hierbei besonders die Verdienste von Auwers - Berlin hervor, welchem die sorgfältige Bearbeitung der Anschlußsterne zu danken ist. Nachdem noch Bruns - Leipzig den Kassenbericht und der Schriftführer der Gesellschaft, Seeliger - München, Mitteilungen über die Publikationen der Gesellschaft vorgetragen, eröffnete Bruns die Reihe der wissenschaftlichen Vorträge mit einer Abhandlung über die Bestimmung der Teilungsfehler an Meridiankreisen. Peters - Königsberg sprach darauf über die photographische Aufnahme der Sonnenfinsternis vom und Weiß - Wien über die Bearbeitung der Kometenbahnen, an welch letztern Vortrag sich eine lebhafte Debatte knüpfte.
In der zweiten Sitzung, 6. Aug., legte zunächst Seeliger verschiedene eingelaufene wissenschaftliche Werke vor, darunter auch den 2. Band der neuen »Annalen« der Münchener Sternwarte, dabei Worte warmer Anerkennung seinem Vorgänger J. v. Lamont widmend, dessen Schriften auch jetzt noch dem Astronomen vielseitige Anregung zu bieten vermögen. Bruns brachte dann die Frage betreffs anderweitiger Aufstellung der Bibliothek der Gesellschaft zur Sprache, für welche die bisher benutzten Räume zu klein geworden sind, und es wurde schließlich dem Antrag, des Vorstandes entsprechend beschlossen, dieselbe vorläufig in den zur Verfügung gestellten Räumen der neuen Leipziger Universitätsbibliothek unterzubringen.
Demnächst schritt man zur Wahl des Ortes der nächsten Generalversammlung (1893). Einladungen lagen von Innsbruck und Utrecht vor, die Mehrheit entschied für Utrecht. Nach Erledigung dieser geschäftlichen Gegenstände folgten wissenschaftliche Vorträge. Franz -Königsberg berichtete über einige seiner neuern Arbeiten, insbesondere über seine Untersuchungen bezüglich der Gestalt des Mondes und über die von ihm vorgeschlagene Methode, bei Durchgangsbeobachtunqen des Mondes statt des Randes einen hellen Krater zu benutzen. Dann machte Gyldén Mitteilung über die Beratungen, welche der Vorstand bezüglich der zukünftigen Bearbeitung der kleinen
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Planeten gepflogen hat. Bisher sind, wie Förster - Berlin darlegte, die Bahnberechnungen sämtlicher Planetoiden mit den Mitteln des Berliner »Astronomischen Jahrbuchs« ausgeführt worden. Die von Jahr zu Jahr wachsende Zahl dieser Körper hat aber die Arbeitslast derart vergrößert, daß sich dieselbe mit den dem Jahrbuch zu Gebote stehenden Kräften nicht mehr bewältigen läßt, und die Redaktion des Jahrbuchs hat sich daher entschließen müssen, die Bearbeitung zu beschränken auf diejenigen unter den kleinen Planeten, welche entweder der Erde nahekommen und sich daher zu Parallaxen-Bestimmungen eignen, oder die dem Jupiter nahekommen und zur Berechnung der Masse desselben dienen können, oder die ihrer größern Helligkeit halber sich zu photometrischen Messungen eignen.
Anderseits ist aber eine genaue Kenntnis des Systems der kleinen Planeten noch nach vielen Seiten hin von so hoher Wichtigkeit, daß die Astronomen nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich (von seiten des Pariser Längenbüreaus) und Nordamerika auf Mittel gesonnen haben, wie die Berechnung dieser Körper in Zukunft zu ermöglichen sei. Allgemeinen Anklang fand unter diesen Umständen der Antrag des Vorstandes der Gesellschaft, eine internationale Kommission zu ernennen, welche die Ansichten der Fachgenossen über die zukünftige Behandlung zu sammeln und namentlich auch die nötigen Schritte zur Erlangung der erforderlichen Geldmittel zu thun hätte.
Nachdem noch Tisserand - Paris und Gould - Cambridge über den Stand der Frage in Frankreich und den Vereinigten Staaten berichtet hatten, wurden in diese Kommission gewählt: Tietjen - Berlin, Tisserand, Weiß, Gould, Backlund - St. Petersburg, Lorenzoni - Padua und Thiele - Kopenhagen. Darauf folgten Mitteilungen über Beobachtungen zur Ermittelung von Polhöheschwankungen seitens der Astronomen Becker - Straßburg, Förster und Gyldén, und zuletzt berichtete noch Schur - Göttingen über die Neuherausgabe der Werke des Astronomen Olbers.
Am 8. Aug. wurden zwei ziemlich lange dauernde Sitzungen abgehalten. In der Vormittagssitzung legte zunächst Seeliger Studien des Münchener Universitätsprofessors Hommel über die Astronomie der Chaldäer vor. Es folgte dann die Neuwahl für die ausscheidenden Vorstandsmitglieder, die sämtlich wiedergewählt wurden; an Stelle des verstorbenen Schönfeld wurde Lehmann-Filhés - Berlin als Schriftführer in den Vorstand gewählt, welcher gegenwärtig besteht aus dem Vorsitzenden Gyldén, dessen Stellvertreter van de Sand-Bakhuyzen - Leiden, Auwers, Tisserand, Weiß, den Schriftführern Seeliger und Lehmann-Filhés und dem Rendant Bruns.
Weiterhin sprach die Gesellschaft auf Anregung von Schur ihr Interesse für die Bemühungen Schillings - Bremen um Schilderung des Bebens und der wissenschaftlichen Werte Olbers' aus. Der Abbé Graf Spee - Brüssel, berichtete dann über die von ihm in Nizza ausgeführte Fortsetzung der Thollonschen Arbeit über das Sonnenspektrum, und Förster machte Mitteilungen über die Gründung einer neuen »Vereinigung von Freunden der Astronomie und kosmischen Physik«, mit Berlin als Verwaltungsmittelpunkt, welche die Mitwirkung der Laien bei astronomischen und geophysikalischen Beobachtungen organisieren und besonders Kolonialbeamten und Missionaren die Anstellung und Veröffentlichung ihrer Beobachtungen erleichtern soll.
Die Vereinigung gibt in zwanglosen Zwischenzeiten erscheinende Hefte »Mitteilungen«, redigiert von Förster, heraus, deren erste Anleitung geben zur Beobachtung der sogen. leuchtenden Wolken, Sternschnuppen und Meteore sowie des Zodiakallichtes. Ferner fügte Förster noch einige Bemerkungen bei über wolkenartige Gebilde an den Grenzen unsrer Atmosphäre. Mitteilungen von Wolf - Heidelberg nach scheint es, als wenn in den obersten Höhen unsrer Atmosphäre außer den in den letzten Jahren besonders von Jesse fleißig beobachteten leuchtenden Wolken auch noch sehr zarte, lichtschwache Wolkengebilde vorhanden sind, die nur mit Hilfe photographischer Daueraufnahmen (bis zu 20 Min. Dauer) sichtbar werden und wahrscheinlich noch höher schweben als jene. Schließlich zeigten noch Wolf - Heidelberg und Weiß - Wien äußerst gelungene Photographien von Sterngruppen und Mondlandschaften vor.
In der Nachmittagssitzung sprach die Versammlung auf Försters Anregung der von Krüger und Kreutz in Kiel geleiteten Zentralstelle für astronomische Telegramme ihren Dank aus. Dann berichtete Deichmüller - Bonn über seine Bearbeitung von Argelanders Sonnenbeobachtungen und Brendel – Berlin über die von ihm in Aussicht genommenen Tafeln der kleinen Planeten. Dem letztern Unternehmen vermag die Gesellschaft, wie Gyldén mitteilte, eine Unterstützung von 500 Doll. zu gewähren, die aus einer amerikanischen Stiftung stammen.