Assassinen
(Assassini und Assissini), in mittelalterlichen Chroniken eine Abzweigung der vom Schiitismus ausgehenden Ismâiliden. Bei morgenländ. Schriftstellern werden sie in der Regel mit dem allgemeinen Namen Ismâilijja, zuweilen auch Fedâwi (die sich Opfernden) genannt. Die Ismâilijja führt diesen Namen nach Ismail, einem Urenkel Alis in siebenter Linie, dessen Abkömmlinge die Anhänger dieser Sekte als die rechtmäßigen Imâme anerkennen. Geheime Propagandisten betrieben in den entferntesten Provinzen des Islams revolutionäre Verschwörungen im Sinne der ismâilidischen Imâme, die in der Verborgenheit lebten.
Islamfeindliche Tendenzen hüllten sich in die Maske dieser polit. Umsturzbestrebungen. Man lehrte die allegorische Deutung des Korans, durch welche es gelang, die wichtigsten Gesetze des Islams zu verleugnen. Missionare der Ismâiliden waren es, welche unter dem Namen Karmaten (s. d.) sich im 9. und 10. Jahrh. gegen die Abbâsiden auflehnten. Einer von ihnen überlieferte einem Aliden die Stadt Kairuan, die heilige Stadt Nordafrikas, und hier wurde das Reich der Fatimiden (s. d.) gegründet.
Im 11. Jahrh. trat in den Dienst dieser Bestrebungen der Perser Hasan ibn Sabbâh, der sich während der Regierung des fatimidischen Chalifen Mustanßir (gest. 1094), Enkel des Gottmenschen Hâkim, 1078-80 in der Residenz Kairo, [* 2] durch seine Parteinahme für Nizâr, Sohn und präsumtiven Nachfolger des Chalifen, den die Hofpartei zu Gunsten seines Bruders Mustali verdrängte, bemerkbar machte. Aus Ägypten [* 3] verbannt, kehrte er nach Persien [* 4] zurück, wo es ihm gelang, einen Anhang anzuwerben und sich (1090) der Festung [* 5] Alamut in der Nähe von Kaswin zu bemächtigen. Er trotzte der Übermacht der Seldschuken und schüchterte durch Meuchelmord, zu dem seine Jünger stets bereit waren, die mächtigsten Fürsten, Feldherren und Staatsmänner seiner Zeit ein, so daß später das Wort Assassin (ursprünglich Haschschâschîn, d. h. «dem Haschisch Frönende») gleichbedeutend mit Meuchelmörder wurde.
Die Ermordung des Nizâm al-Mulk (1092) eröffnete dies Mordhandwerk der Adepten Hasans, welches durch anderthalb Jahrhunderte Westasien in Schrecken hielt. Während dieses Zeitraums folgten einander acht Großmeister der in Alamut. Der unmittelbare Nachfolger des Hasan wurde sein Statthalter Busurg-ummîd (1124). Dieser folgte in allem dem Beispiele Hasans und ernannte vor seinem Tode (1138) seinen Sohn Mohammed zu seinem Nachfolger, der gleichfalls die Macht und das Ansehen des Ordens vermehrte.
Dessen Sohn und Nachfolger
Hasan II. (1162-66) vertiefte sich in theol.
Studien im
Sinne der ismâilidischen Dogmatik und las
sehr eifrig die
Schriften des
Hasan I. Zur Macht gelangt, wollte
er nicht mehr als Organ des
Chalifen in
Kairo, das bisher als das geistliche und polit. Centrum der ismâilidischen
Bewegung anerkannt war, gelten, sondern gab sich
selbst als Imâm aus. Um seine
Abstammung von
Ali zu beweisen, verleugnete er seinen
Vater und fingierte die
Abstammung von dem
verdrängten Chalifensohn Nisâr, als dessen Urenkel er sich ausgab. Er ließ sich auf diesem
Grunde als
alidischen Imâm huldigen und nahm den
Beinamen Alâ-dsikrihi-s-salâm an.
Schon unter
Hasan I. erstreckte sich die Thätigkeit
der Assassinen
über
Persien hinaus nach
Syrien. 1102 bediente sich ihrer der Fürst von Haleb, Ridhwân, zum Schutze gegen mohammed.
Kleinfürsten und Kreuzfahrer; er gestattete ihnen in Haleb ein Missionshaus zu gründen. In kurzer Zeit
erwarben sie einen
Kranz von festen
Burgen
[* 6] im
Gebirge der Nußeiriten
(Nossairier, s. d.), die Bergkette Summak im Libanon, die
ihnen Schutz und Gelegenheit zu ihren meuchlerischen
Ausfällen bot. 1132-33 kauften sie die
Burgen Kadmus und Kahf,
und acht Jahre später setzten sie sich durch List in den
Besitz der Feste Maßjad östlich von
Emesa; im ganzen neun Citadellen,
die ihnen feste umschlossene
Positionen für ihre heimlichen
Operationen boten; die berühmteste darunter ist Ullejka, die
ihr Anführer Raschid al-din Sinân erwarb.
Sinân ist die hervorragendste Erscheinung in der Geschichte der Assassinen
Ursprünglich der
Nußeiritensekte angehörend, nistete er sich in Kahf als armer Schulmeister und
Arzt ein und es gelang ihm unter dem dritten
Assassinen
fürsten Mohammed emporzusteigen und sich als
Statthalter für die syr.
Burgen zu behaupten.
Bald glaubten die Assassinen
an
seine Wunderkraft und Prophetengabe. Von Ullejka aus verhandelte er mit König
Amalrich I., Nur al-dîn
kämpfte erfolglos gegen ihn, dessen Nachfolger Saladdin mußte Frieden mit ihm schließen und konnte die Werkzeuge
[* 7] Sinâns
zur Ermordung Konrads von Montserrat benutzen.
Als «Herr des
Berges» (Scheich al-Dschebel) gebot er über eine Schar blind gehorsamer
Anhänger, deren kriegerische Thätigkeit
sich gegen die Kreuzfahrer und
Templer geltend machte. Sinân machte sich von dem Großmeister der in
Alamut unabhängig, aber nach seinein
Tode (1192) mußten die syrischen Assassinen
wieder in den Gehorsam der Herren von Alamut eintreten.
Dort war inzwischen auf den Imâm
Hasan II. sein Sohn Mohammed II. gefolgt (1166-1210), der fortfuhr,
die
Anerkennung der alidischen
Abstammung und der Imâmwürde seines
Vaters zu fordern; unter seinen Nachfolgern kehrten aber
die Assassinen
wieder zur ursprünglichen Institution
Hasans ibn Sabbâh zurück.
Auch nach dem
Tode des Sinân finden wir die in
Syrien in
Beziehung zu den hervorragenden Ereignissen der Zeit, 1214 ermorden
sie
Raimund, den Sohn des Fürsten von
Antiochien, und 1250 treten sie an die bei
Akka landenden Kreuzfahrer mit Unterhandlungen
heran. Der
Einfall der Mongolen in
Persien bildet den Beginn des
Verfalles der Macht der Assassinen.
Der letzte Fürst von Alamut, Rukn
al-dîn, unterlag ihnen und wurde auf
Befehl Mengu-Chans hingerichtet (1256). Die in
Syrien waren desgleichen
gezwungen, einen
Teil ihrer
Burgen den in
Syrien eindringenden Mongolen zu überliefern, und nicht lange nach deren Vertreibung
mußten sie dem mächtigen
Sultan Beibars von
Ägypten 1273 die
Schlüssel ihrer letzten
Burg (Kahf) übergeben. Beibars ließ
sie jedoch als Sekte fortbestehen und in den eroberten
Burgen
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hausen, ja er bediente sich ihrer auch als mörderischer Werkzeuge. Gleiche Politik befolgten die nachherigen Sultane von Ägypten.
So sanken die Assassinen
nach und nach zu gewöhnlichen Mördern herab, die für Geld jede Mordthat begingen. Mit der Zeit hört aber
dieser ihr Beruf auf, sie gelten nur noch als religiöse Sekte, als welche sie noch heutzutage im Libanon
fortbestehen und als ruhige Unterthanen den Schutz der türk. Regierung genießen. Sie zählen nur noch einige hundert
Familien und wachen eifersüchtig über die Geheimhaltung ihrer religiösen Dogmen, deren Bekanntwerden sie jedoch auf die
Dauer nicht verhindern konnten.
Göttliche Verehrung Alis, Glauben an Inkarnation der Gottheit, Seelenwanderung und allegorische Interpretation
des Koran haben die Assassinen
mit den Nußeiriten und den Drusen
[* 9] gemein, sie unterscheiden sich in der Hauptsache nur dadurch, daß
jede dieser Sekten an die dereinstige Parusie je eines andern Imâms glaubt. Zerstreute Reste der persischen Assassinen
hat es noch
unter den Schiiten in Chorassan bis zur neuesten Zeit gegeben. Von dort haben sie sich sogar nach dem
östl. Indien, nach Sindh verbreitet und sind bis nach Oman und Sansibar
[* 10] vorgedrungen. Diese zerstreuten Reste, deren Bekenntnis
sich mit verschiedenen ind. Elementen vermengt hat, führen den Namen Chodschas. Der Prinz von Wales erhielt
und erwiderte während seiner Reise in Indien den Besuch des Oberhauptes der Chodschas in Bombay,
[* 11] Aga Chan. -
Vgl. Hammer,
[* 12] Geschichte
der Assassinen
(Stuttg. und Tüb. 1818);
Defrémery, L'historie des Ismaéliens ou Batiniens de la Perse, connus sous le nom d'Assassins (im «Journal Asiatique», 1856);
Weil, Die (in Sybels «Histor. Zeitschrift», Jahrg. 1863);
Guyard, Fragments relatifs à la doctrine des Ismaélis (Par. 1874);
ders., Un grand maitre des Assassins au temps de Saladin (im «Journal Asiatique», 1877).