Assassinen
(Assasinen, Assassiden, Assaniten, Hassesinen, Ismaeliten oder Bajaniten), politisch-religiöse Sekte der Mohammedaner, die während der Kreuzzüge, zwei Jahrhunderte lang, in Persien, [* 2] Syrien und Palästina [* 3] eine furchtbare Rolle spielte und noch heute in einzelnen Resten fortlebt. Ihr Stifter war Hassan, ein fanatischer Schiite aus Chorasan, welcher nach einem wechselvollen Leben um 1090 in Persien eine Anzahl mutiger und glaubenseifriger Jünglinge um sich sammelte, die er zu schwärmerischer Begeisterung und blinder Unterwerfung unter seine Befehle zu erregen wußte, die sogen. Fêdawi (»sich Opfernden«),
ein Name, der eben ihre Hingebung für die heilige Sache bezeichnet. Der Orden [* 4] zerfiel in mehrere Grade, an der Spitze stand der Scheich ul Dschebal, was die Abendländer mit Vetulus de montanis oder der Alte vom Berge übersetzten. Die Uneingeweihten, als unterste Klasse, mußten alle Gebote Mohammeds erfüllen, die Eingeweihten hatten Geheimlehren mit allegorischen Zeichen und Symbolen. Das Gesetzbuch des Ordens in sieben Kapiteln war von Hassan selbst verfaßt; außerdem galten einige Kommentare des Korans als Norm.
Das höchste
Gesetz aber war der
Scheich ul Dschebal selbst, da in ihm
Mohammed wohnend gedacht wurde. Die
Genossen hießen auch Haschischin (»Kräuterfresser«). Aus den Blättern
der
Haschisch- oder Hanfpflanze wurde nämlich ein starker Trank bereitet, um damit die
Jünglinge zu betäuben, die in diesem
Zustand an einen
Ort, wo alle
Reize des Sinnengenusses ihrer warteten, gebracht, nach wenigen
Tagen aber auf dieselbe
Weise
wieder von dort entfernt wurden. Sie glaubten dann bereits die
Freuden des
Paradieses genossen zu haben, und von Sehnsucht
nach ähnlichen Genüssen getrieben, gaben sie gern ihr irdisches Dasein dahin. So waren sie die blinden
Werkzeuge
[* 5] ihrer Obern,
verübten jede blutige That auf deren Befehl und spotteten jeder
Marter. Aus Haschischin entstand nach
einigen das
Wort Assassinen;
andre leiten es von dem
Stifter Hassan ab. Im J. 1108 überrumpelte dieser das
Schloß Alamut in
Persien,
von wo aus er nach und nach eine
Menge
¶
mehr
Festungen in Farsistan, Chorasan, Syrien und besonders im Libanon in seine Gewalt brachte. Die Assassinen
zählten bereits 60,000; vergebens
bekämpfte sie Sultan Melikschah. Dem Namen nach unterwarfen sie sich den Kalifen von Ägypten;
[* 7] doch blieb der Scheich ul Dschebal
völlig unabhängig. Hassan starb 1124 nach Hinrichtung seiner beiden Söhne kinderlos. Unter seinem Nachfolger
Keah Buzur Umeid führten die Assassinen
Krieg mit dem Sultan Mahmud und ermordeten, wie berichtet wird, die Sultane Melikschah und Mohammed.
Damals wurden die Kreuzfahrer zuerst mit den Assassinen
bekannt. Abu Wafa, Dai el Kebir und Oberrichter von Damaskus, versprach dem König
Balduin II. von Jerusalem,
[* 8] ihm Damaskus zu öffnen; der Plan wurde verraten, worauf ein schreckliches Blutgericht
über die in der Stadt befindlichen Assassinen
erging und Balduin mit großem Verlust zurückgeschlagen wurde. Später zahlten die
den Templern jährlich 2000 Dukaten Tribut; ihr Anerbieten, sich gegen Aufhebung der Zinspflichtigkeit taufen zu lassen, beantworteten
die Templer 1172 mit dem Morde des assassinischen Gesandten.
Seitdem wurden die Assassinen
gefährliche Gegner der Christen, namentlich in Palästina. Selbst nach Europa
[* 9] verbreitete sich die Furcht
vor ihnen; Meuchelmörder sollten gegen europäische Fürsten, z. B. Ludwig den Heiligen von Frankreich, abgeschickt worden sein
etc. Der Vorsteher Hassan II. hob 1163 das Gesetz des Islam auf und offenbarte auch den Uneingeweihten
die Nichtigkeit aller positiven Religion, worauf ein Teil sich von ihm lossagte. Nach Hassan II. regierte seit 1166 dessen
Sohn und Mörder Mohammed II.; ihm folgte 1210 Hassan III., diesem Alaeddin Mohammed III., welchen sein Sohn Rokneddin Charsah
ermordete. Im J. 1256 machte der Mongolenchan Hulagu dem Treiben der in Persien ein Ende, indem er ihre
Burgen brach
[* 10] und den Alten vom Berge mit Tausenden seiner Anhänger hinrichten ließ. In Syrien erhielten sich die Assassinen
noch bis
1270, wo sie den Waffen
[* 11] des ägyptischen Sultans Bibars erlagen.
Seitdem bestehen sie nur noch als ketzerische Sekte der Mohammedaner fort. Im J. 1807 leisteten 40 in der
Burg Masiaf dem Angriff Jussuf Paschas drei Monate lang Widerstand. Als religiöse Sekte haben die Assassinen
im Libanon ihren Sitz neben
den Drusen
[* 12] und Nusseiri, mit denen sie verwandt sind; alle drei Sekten haben die Verehrung Alis, Glauben
an Seelenwanderung und allegorische Erklärung des Korans gemein, unterscheiden sich aber in der Annahme der göttlichen Persönlichkeit,
deren Wiederkehr sie erwarten; äußerlich fromme Moslems, gebrauchen sie ihre geheimen Lehren
[* 13] zu politischen Zwecken.
Vgl.
v. Hammer,
[* 14] Geschichte der Assassinen
(Stuttg. 1818);
Guyard, Fragments rélatifs à la doctrine des Ismaélis (Par. 1874), und die Werke von Quatremère und Defrémery.
Die Assassinen
sind im Abendland Gegenstand vieler Sagen und Romane geworden; ihr
Name (Assassin, d. h. Meuchelmörder) ging selbst in die romanischen Sprachen über.