Titel
Asiatische
Türkei.
[* 2] Für die östlichen
Provinzen der
Asiatischen Türkei hat Asiatische
Hippius
Areal- und Bevölkerungsziffern
für 1886 in
Tiflis veröffentlicht, denen folgende
Daten entstammen (nach
»Petermanns Mitteilungen« 1889):
Wilajet
Erzerum
(Sandschaks
Erzerum,
Baiburt, Erzindschan,
Bajesid) 57,271 qkm, 248,603 Mohammedaner (es ist dabei stets nur die männliche
Bevölkerung
[* 3] verstanden, wahrscheinlich ohne
die
Knaben), 64,533 Nichtmohammedaner (Gesamtbevölkerung 582,345
Seelen).
Wilajet Tirabzon (Trapezunt) (Sandschaks Tirabzon, Lazistan, Gümüschchane, Dschanik): 27,037 qkm, 344,374 Mohammedaner, 85,667 Nichtmohammedaner. Wilajet Ma'muret Azîz (Sandschaks Ma'muret Azîz und Malatîe): 28,191 qkm, 162,851 Mohammedaner, 41,652 Nichtmohammedaner. Wilajet Dersim (Sandschaks Chozat und Mazgird), seitdem mit dem vorigen vereint: 9836 qkm, 19,738 Mohammedaner, 3291 Nichtmohammedaner. Wilajet Bitlis (Sandschaks Bitlis, Sort, Musch und Gindsch): 29,396 qkm, 129,847 Mohammedaner, 75,261 Nichtmohammedaner.
Wilajet Wan: 15,167 qkm, 53,170 Mohammedaner, 45,070 Nichtmohammedaner. Wilajet Hakkiari (Sandschaks Albak, Hakkiari und Kewar), seitdem mit dem vorigen vereinigt: 72,360 Mohammedaner, 63,029 Nichtmohammedaner. Wilajet Diarbekr (Sandschaks Diarbekr, Mardin, Arghana): 199,358 Mohammedaner, 39,677 Nichtmohammedaner. Wilajet Siwas (Sandschaks Siwas, Karahissar, Tokad und Amasia): 60,449 qkm, 292,644 Mohammedaner, 72,293 Nichtmohammedaner.
Bevölkerung. Die ethnographischen Verhältnisse
Kleinasiens hat F. v. Luschan zu seinem besondern
Studium gemacht. Zunächst
scheidet er
(»Reisen im südwestlichen
Kleinasien«, Bd. 2) von der kleinasiatischen
Bevölkerung alle jene
Elemente aus, welche erst in neuerer Zeit eingewandert sind: die erst in den letzten Jahrzehnten eingewanderten
Tscherkessen;
die europäischen Kaufleute und die sogen. Franken;
die überall als Beamte und Handwerker zerstreuten Arnauten;
die Bulgaren;
die im 16. Jahrh. eingewanderten spanisch-portugiesischen und die erst in den letzten Jahrzehnten eingewanderten polnisch-russischen Juden;
die von Syrien her längs der Südküste westlich bis Makri vorgedrungenen Araber;
die meist mit Schneiderhandwerk und Korbflechterei beschäftigten Zigeuner und die stets durch neue Nachschübe ergänzten Neger.
Dann sind drei ganz oder halbnomadische Völker zu nennen, die Kurden, in eine östliche und eine westliche Gruppe zerfallend, letztere physisch von allen Nachbarn unterschieden und anthropologisch selbständig; die mongoloiden Turkmenen und die Jürüken, von denen Luschan glaubt, daß sie aus den Gebieten nördlich des Hindukusch stammen. Weiter folgt eine Reihe mysteriöser Sekten, die untereinander in einem alten Zusammenhang stehen, so weit sie auch räumlich voneinander entfernt sind; die wichtigsten derselben sind die Tachtadschy oder Allevi in Lykien, die Fellach oder Ansarieh in Nordsyrien und dem südlichen Kleinasien, die Kysylbasch und die Jezyden im mittlern und obern Mesopotamien und Westkurdistan.
Luschan betrachtet sie als Reste eines vorhistorischen Volkes, dessen Namen wir nicht kennen. Ihre Religion halten sie sehr geheim; doch weiß man, daß sie die Lehre [* 4] von einem guten und einem bösen Prinzip, letzteres als Pfau verkörpert, haben und an die Seelenwanderung glauben. Körperlich stimmen alle diese Sektierer untereinander fast vollkommen überein. Es bleiben die drei größten Völkergruppen übrig, die Armenier, Griechen und Türken. Die Armenier bilden eine große, anatomisch, ethnisch und sprachlich völlig homogene Völkermasse, die stets in denselben Bergländern wie noch heute saß; sie sind die kaum veränderten Nachkommen einer alten Urbevölkerung, körperlich aber den eben besprochenen Sektierern nahe verwandt. Die Griechen sind nur auf den Inseln und der Westküste als Nachkommen der alten Hellenen anzusehen; im Innern aber sowie an der Süd- und Nordküste stimmt mehr als die Hälfte der Griechen physisch mit den Armeniern überein. An der Südküste findet sich eine dritte Gruppe von Griechen mit ¶
mehr
semitischen Analogien, so daß hier eine starke altsemitische Kolonisation anzunehmen ist. Auch die Türken, welche die Hauptmasse
der kleinasiatischen
Bevölkerung bilden und eine religiöse und sprachliche Einheit darstellen, zeigen körperlich drei verschiedene
Typen: den armenischen im Innern, den hellenischen an der Westküste und den semitischen an der Südküste. Die Türken
haben also den Bewohnern des von ihnen eroberten Landes ihre Sprache
[* 6] und Religion aufgedrängt, waren aber nicht zahlreich genug,
um ihre körperlichen Eigenschaften wesentlich zu beeinflussen. Man hat also vom anatomischen Standpunkt aus mit großer Wahrscheinlichkeit
für das ganze südliche Kleinasien eine einzige homogene Urbevölkerung anzunehmen, zu welcher in alter
Zeit nur noch zwei fremde Elemente hinzugekommen sind, die Griechen und die Semiten.
Eisenbahnen. Am wurde die Fortsetzung der Eisenbahn Smyrna-Seraiköi im Mäanderthal bis Dinêr eröffnet, im Dezember deren Zweigbahn nach Tschiwril. Im nordwestlichen Kleinasien ist die Eisenbahn von Ismid bis Eski Schehr fertig gestellt und zum Teil eröffnet, die weitere Strecke bis Angora im Bau.
Administrative Einteilung. Die häufig wechselnde Einteilung der asiatischen Türkei
ist für das Jahr 1890/91 folgende:
I. Anatolien.
1) der Polizeibezirk von Stambul zu beiden Seiten des Bosporus,
[* 7] umfassend Kütschük Tschekmedsche auf europäischer, Beikos,
Kartal, Gebize, Schile auf asiatischer
Seite und die Prinzeninseln;
2) das selbständige Sandschak Bigha;
3) das selbständige Sandschak Ismid oder Kodscha Ili; ferner die Wilajets 4) Chodawendikjâr mit der Hauptstadt Brussa und den 5 Sandschaks: Brussa, Ertoghrul (Hauptstadt Biledschik), Kjutahia, Karahissar und Karasi (Hauptstadt Balikesri);
5) Aïdin (Hauptstadt Smyrna) mit den 5 Sandschaks: Izmir (Smyrna), Saruchan (Hauptstadt Manisa), Aïdin, Mentesche (Hauptstadt Mughla) und Denizlü;
6) Kastamuni mit den 4 Sandschaks: Kastamuni, Boli, Kjankari und Sinôb;
7) Angora mit den 4 Sandschaks: Angora, Kirscheher, Kaisarie und Jôzgâd;
8) Konia mit den 5 Sandschaks: Konia, Nigde, Buldur, Hamîd (Hauptstadt Isparta) und Tekke (Hauptstadt Adalia);
9) Tirabzon (Trapezunt) mit den 4 Sandschaks: Tirabzon, Dschanik (Hauptstadt Samsun), Lazistan (Hauptstadt Rîze) und Gümüschchane;
10) Siwas mit den 4 Sandschaks: Siwas, Amasia, Karahissar-Scherki und Tokad;
11) Adana mit den 4 Sandschaks: Adana, Dschebel-Bereket (Hauptstadt Jarpuz), Kozan und Itsch-ili;
12) das Inselwilajet (Hauptstadt Rhodos) mit den 4 Sandschaks: Rhodos, Midüllü (Mytilini), Sakiz (Chios) und Lemni (dazu Cypern [* 8] unter englischer Verwaltung).
13) Erzerum mit den 3 Sandschaks Erzerum, Bajesid und Erzingjan;
14) Ma'mûret 'Azîz (Hauptstadt Charput) mit den 3 Sandschaks: Charput, Malatia und Dersim;
15) Diarbekr mit den 3 Sandschaks: Diarbekr, Mardin und Arghana-madan;
16) Bitlis mit den 4 Sandschaks: Bitlis, Musch, Sort und Gindsch;
17) Wan mit den 2 Sandschaks: Wan und Hakkiari.
III. Arabistan.
18) Môsul mit den 3 Sandschaks: Môsul, Schehrizôr (Hauptstadt Kerkûk) und Suleîmânîje;
19) Bagdad mit den 3 Sandschaks: Bagdad, Hille und Kerbela;
20) Basra mit den 4 Sandschaks: Basra, Muntefik, Nedschd (Hauptstadt Hasa), 'Amâra;
21) das selbständige Sandschak Zêr (Hauptstadt ed-Deir);
22) Haleb (Aleppo) mit den 3 Sandschaks: Haleb, Urfa und Marasch;
23) Sûria (Hauptstadt Damaskus) mit den 3 Sandschaks: Schâm, Hama und Haurân;
24) Beirut mit den 5 Sandschaks: Beirut, Akka, Tarabolus, Lâdikîje und Belka (Hauptstadt Nâbulus);
25) das selbständige Sandschak Dschebel-Libnân (Libanon);
26) das selbständige Sandschak El-Kuds (Jerusalem); [* 9]
27) Hidschâz (Hauptstadt Mekka) mit den 3 Sandschaks: Mekka, Medîna und Dschidde;
28) Jemen (Hauptstadt Sana) mit den 4 Sandschaks: Sana, Hodeida, 'Asîr (Hauptstadt Kunfuda) und Tai'zz.