(Medicamenta), chemisch wirksame
Stoffe, welche aus
Pflanzen oderMineralien
[* 2] zubereitet
werden und den
Zweck haben, die gestörte Thätigkeit tierischer
Gewebe
[* 3] wiederherzustellen. Die Arzneimittel werden in
Apotheken bereitet
oder wenigstens aufgehoben und für den
Gebrauch nach der
Verordnung des
Arztes in geeignete Form gebracht. Die jedesmal
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sie beträgt bei einigen Arzneimitteln 10 g und darüber, bei giftigen Substanzen oft nur
1/100 g und weniger;
die höchste gesetzlich zulässige Gabe heißt Maximaldosis;
sie darf nur ausnahmsweise überschritten
werden, und der Arzt hat dies durch ein ! auf dem Verordnungsschein (Rezept) zu vermerken.
Kinder erhalten
ihrem Alter entsprechend Bruchteile von 1/12 (Neugeborne), ⅙ (3-7 Jahre), ⅓ (7-12 Jahre), ½ (12-16 Jahre) der für Erwachsene
passenden Gaben. in dem angegebenen Sinn sind von jeher angewendet worden, lange bevor es eine medizinische Wissenschaft gab.
Die Priesterärzte der alten Ägypter, Juden, Griechen und Inder hatten neben mancherlei diätetischen
Mitteln eine große Menge von Arzneistoffen im Gebrauch, deren heilsame Wirkung bei gewissen Krankheiten durch lange Erfahrung,
also rein empirisch festgestellt worden war.
Mit besonderer Vorliebe entnahmen die alten Ärzte ihre Arzneimittel dem Pflanzenreich, erst verhältnismäßig spät sind einige mineralische
Mittel in Anwendung gebracht worden. Eine große Bereicherung des Arzneischatzes trat durch die alexandrinische Schule
ein (300 v. Chr.), welche überhaupt die Anwendung diätetischer Mittel bei der Behandlung von Krankheiten mehr vernachlässigte
und sich der eigentlichen Arzneimittel ganz vorzugsweise bediente. Die Indikationen für die Anwendung der Arzneimittel bei bestimmten krankhaften
Zuständen blieben bei den mangelhaften Kenntnissen von dem Bau und den Verrichtungen des Körpers und
den noch geringern Kenntnissen vom Wesen der chemischen Prozesse überaus unsicher.
Erst durch den römischen ArztClaudius Galenus Ende des 2. Jahrh. n. Chr. erhielt die Lehre
[* 5] von den Arzneimitteln ein mehr wissenschaftliches
Gepräge, indem er die physiologische Wirkung der Arzneimittel, zum Teil durch Experimente an Gesunden, festzustellen
und bestimmte rationelle Indikationen für die Anwendung der Arzneimittel zu geben versuchte. Während des Mittelalters ist die Lehre
von den Arzneimitteln im wesentlichen die gleiche geblieben, wie sie Galen hinterlassen hatte; nur hatten sich eine Menge von
Irrlehren in dieselbe eingeschlichen.
Erst im 16. Jahrh., als der Geist selbständiger Forschung auf dem Gebiet der Naturwissenschaft und namentlich
auch der Anatomie wieder erwacht war, trat in dieser Beziehung ein Fortschritt ein, indem Paracelsus darauf drang, daß die
in der praktischen Medizin herrschenden scholastische Richtung verlassen werde, und daß man sich wieder dem offenen Buch der
Natur zuwenden solle. Paracelsus führte die Metallsalze in den Arzneischatz ein, deren Bereitungsweise
von den Alchimisten gefunden worden war.
Freilich spielte in den Lehren
[* 6] des Paracelsus die Mystik noch eine große Rolle. In den folgenden drei Jahrhunderten gab man der
Lehre von den Arzneimitteln je nach der herrschenden Richtung in der Medizin bald mehr eine mechanische,
bald mehr eine chemische, oft auch eine dynamistische oder geradezu mystische Grundlage. Der größte Wechsel derAnschauungen
über das Wesen der Arzneimittel hat in unserm Jahrhundert stattgefunden, in welchem mit den ältern Schulen die HomöopathieHahnemanns
und die »verstandesgerechte Erfahrungsheillehre« Rademachers abgewechselt hat und schließlich ein gänzlicher
Nihilismus, die vollständigste Geringschätzung fast aller Arzneimittel, kultiviert worden ist.
In den letzten drei Jahrzehnten etwa ist auch hier die Lehre von den Arzneimitteln wieder in gesunden und festen Boden gelegt
worden, wobei man freilich ganz von vorn hat anfangen müssen. Indem man ohne alle Voraussetzungen und Vorurteile daran
ging, die Arzneimittel nach ihren
chemischen und physikalischen Beziehungen zu studieren und ihre Wirkungen sowohl auf den gesunden
als den kranken Organismus zu prüfen, ist auch die Lehre von den Arzneistoffen, die Pharmakologie, als würdiges Glied der
[* 7] gesamten
wissenschaftlichen Heilkunde eingereiht worden.
Bei der Fülle alter überlieferter Mittel, welche diese Feuerprobe der chemischen, experimentellen und
therapeutischen Forschung zu bestehen hatten, bei der Unsicherheit unsrer Kenntnisse über die feinern chemisch-physiologischen
Vorgänge des Stoffwechsels an Gesunden und Kranken, bei der Schwierigkeit, die Einwirkung der Arzneien auf das Nervensystem
zu deuten, wird man nicht erwarten, daß dieser Wissenszweig heute schon große abgeschlossene und feststehende
Lehren aufzuweisen hat.
Die alte naturphilosophische Schule sowie die Homöopathie haben das fertige, theoretisch ausgearbeitete Heilprinzip als das
Erste und das Gegebene hingestellt und diesem Prinzip die Thatsachen gewaltsam untergeordnet; sie gaben ihren Jüngern die abgerundete
Glaubensformel von der dynamischen oder sympathischen Heilwirkung und überließen ihnen, die widersprechenden eignen
Erfahrungen geschickt damit zu vereinbaren. Die wissenschaftliche Arzneimittellehre dagegen verzeichnet mühsam jede
neue Beobachtung, sie richtet ihre ganze Kraft
[* 8] auf die Erforschung einzelner Wahrheiten und ist kaum so weit vorgeschritten,
daß eine bloße Einteilung ihrer Arzneimittel nach wissenschaftlichen Grundsätzen durchführbar erscheint.
Man unterscheidet:
1) betäubende Arzneimittel (Narcotica), 2) erregende Arzneimittel (Excitantia), 3) einhüllende Arzneimittel (Emollientia), 4) stärkende
Arzneimittel (Tonica), 5) umstimmende Arzneimittel (Alterantia), 6) ausleerende Arzneimittel (Evacuantia)
mit den Unterabteilungen der abführenden Arzneimittel (Purgantia), der Brechmittel (Emetica), der Wurmmittel (Anthelminthica) und der
auswurfbefördernden Arzneimittel (Expectorantia), 7) Ätzmittel (Cauteria), 8) fäulniswidrige Arzneimittel (Antiseptica) und endlich 9) mechanische
Arzneimittel (Mechanica), welche mehr der Zubereitung dienen, wie Wachs und Thon, oder doch, wie Feuerschwamm u. a.,
keine chemische Wirkung hervorbringen.
Die Anwendung der Arzneimittel ist entweder eine örtliche, wie z. B. die der fäulniswidrigen
Arzneien, welche unmittelbar auf Wundflächen gebracht werden, oder der Ätzmittel, welche gleichfalls nur auf das erkrankte
Gewebe direkt aufgelegt werden, oder die Wirkung ist eine allgemeine, d. h. sie wird durch die Aufnahme
der in das Blut hervorgebracht. Um die letztere zu erzielen, werden die Mittel dem Blut entweder unmittelbar beigebracht (Transfusion)
oder unter die Haut
[* 9] eingespritzt (subkutane oder hypodermatische Injektion)
[* 10] oder auf der Haut verrieben (Inunktion), oder sie
werden durch den Magen
[* 11] und Darm
[* 12] aufgenommen in Form von Mixturen, Pulvern, Pillen, Pastillen, Tropfen, Latwergen,
Aufgüssen, Abkochungen etc., oder endlich werden sie durch die Lungen eingeführt in Form von Dämpfen und Zerstäubungen (Inhalation).
[* 13] In allen Fällen kommt also der wirksame Bestandteil entweder einfach gelöst oder bereits durch die Verdauungssäfte und das
Blut chemisch verändert in Berührung mit allen Geweben des Körpers, und die Kenntnis des Arztes besteht darin, daß derselbe
nicht nur weiß, welche Organe von dem einzelnen Arzneimittel vornehmlich verändert werden (spezifische Wirkung), sondern
auch, in welcher Weise sie bei kleinen und in welch andrer Art sie bei großen Gaben (Dosen) ergriffen werden.
Es gibt Arzneien, welche nur bei genauer Bekanntschaft mit ihren Eigentümlichkeiten als Heilmittel gelten können, die aber
durch zu
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reichliche oder unzeitige Darreichung (z. B. im Fieber oder bei Kindern) geradezu als Gifte wirken. Die meisten Arzneimittel werden im
Laufe von 1-3 Tagen in veränderter chemischer Zusammensetzung durch den Darm und die Nieren wieder ausgeschieden, und es bedarf
erneuter Einfuhr, wenn ihre Wirkung fortdauern soll; einzelne Stoffe dagegen, z. B. Digitalis, wirken noch
mehrere Tage nach, und diese Wirkung steigert sich bei andauerndem Gebrauch bis zu bedrohlichen Vergiftungserscheinungen (kumulative
Wirkung).
Bis zu einem gewissen Grad sind die Folgen, welche ein Arzneimittel hervorrufen wird, wenn man es in dieser oder jener Menge gibt, mit
Bestimmtheit vorauszusagen; wenn es trotzdem Schwankungen gibt, wenn eine erwartete Wirkung ausbleibt oder
eine andre unerwartete Nebenwirkung eintritt, so kann entweder eine mangelhafte Beschaffenheit der Arznei die Schuld daran
tragen, oder es kann eine gewisse abnorme Reaktion des Körpers, eine Idiosynkrasie, zu Grunde liegen. Über die Wirkungsweise
der Arzneimittel im Körper ist sehr wenig Sicheres bekannt.
Wenn sich im Magen durch abnorme Prozesse eine große MengeSäure gebildet hat und man Magnesia oder doppeltkohlensaures Natron
einführt, so ist die Beseitigung der Säure leichtverständlich, da sich dieselbe mit der Magnesia oder dem Natron zu einem
neutralen Salz
[* 15] verbindet. Es gibt aber nur sehr wenige Fälle dieser Art, und für die Mehrzahl der Arzneimittel fehlt
uns jede Einsicht in die chemischen Prozesse, welche sich zwischen denselben und gewissen Bestandteilen der Gewebe abspielen,
und auf welche die Wirkung der in letzter Reihe zurückzuführen ist.
Ebenso kennen wir auch nur von sehr wenigen Arzneimitteln die Schicksale, welche dieselben im Körper erleiden,
und oft genug werden Arzneimittel ohne jegliche chemische Veränderung in den Exkrementen wieder ausgeschieden. Viele Arzneimittel unterliegen
der Einwirkung der Verdauungssäfte und der die Gewebe durchtränkenden Flüssigkeiten. Ob sich aber hieraus die Thatsache erklärt,
daß manche Arzneimittel bei direkter Einführung ins Blut sehr energisch wirken, vom Magen aus aber ganz wirkungslos
erscheinen, ist noch fraglich.
Vgl. die Handbücher der Arzneimittellehre von Husemann (2. Aufl., Berl. 1883, 2 Bde.),
Nothnagel und Roßbach
[* 16] (4. Aufl., das. 1880);
Hirsch,
[* 17] Die Prüfung der Arzneimittel mit Rücksicht auf die wichtigsten europäischen Pharmakopöen
(das. 1875);
Binz, Grundzüge der Arzneimittellehre (6. Aufl., das. 1879);
(Medicamenta) heißen diejenigen meist chemisch wirkenden Stoffe, welche zum Zwecke der Heilung von
Krankheiten innerlich oder äußerlich angewendet werden; sie bilden somit eine Klasse der Heilmittel (s. d.). Die Arzneimittel sind
teils anorganische, teils pflanzliche oder tierische Stoffe und machen keineswegs eine natürlich abgegrenzte oder an gemeinsamen
Eigenschaften erkennbare Gruppe aus; vielmehr kann nur die Erfahrung, der physiol. Versuch,
die Physik, und chem. Untersuchung darüber belehren, ob ein Stoff als Arzneimittel brauchbar ist oder nicht.
Die naive Naturanschauung früherer Zeiten meinte wohl, die Arzneimittel hätten in der Welt keinen weitern Zweck als den derHeilung,
und es müsse für jede Krankheit ein bestimmtes in der Natur vorhanden oder ein bestimmtes Kraut gewachsen sein.
Nach den spätern Erfahrungen hat man diese Ansicht von der speciellen Wirkung der Arzneimittel fast vollständig aufgeben müssen;
jetzt sieht der Naturforscher in den Arzneimittel nichts weiter als Stoffe, die neben allen ihren sonstigen Eigenschaften auch solche
haben, die zur Bekämpfung einer Krankheit benutzt werden können, Eigenschaften, die lediglich physikalische
oder chemische sind und deren Wirkungen durchaus nur nach den allgemeinen Naturgesetzen erfolgen.
Die Kenntnis der Physik, und chem. Eigenschaften der Arzneien und die Zurückführung ihrer therapeutischen
Wirkungen auf bekannte Naturkräfte, sowie ihre Einordnung in bekannte Naturgesetze ist die eine notwendige Bedingung einer
wirklich exakten und wissenschaftlichen Arzneimittellehre oder Pharmakologie. Die andere Bedingung aber
ist eine genaue Untersuchung des Baues und der physik. und chem. Beschaffenheit des Organismus in allen seinen Teilen und gesunden
oder krankhaften Zuständen; denn die Arzneiwirkungen sind nichts weiter als Veränderungen jener Physik, und chem. Beschaffenheit
und weiterhin auch des feinern Baues der verschiedenen Organe. Daher ist eine genaue Kenntnis der Anatomie,
Physiologie und Pathologie einerseits, der Physik und Chemie andererseits nötig, um die Wirkungen eines Arzneimittel zu verstehen, sie
im gegebenen Falle berechnen und
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mehr
demnach zweckmäßig anwenden zu können. Freilich sind bis jetzt die Arzneiwirkungen zum größten Teile noch unbekannt und
nur eine kleine Zahl derselben vollständig aufgeklärt, und die Arzneimittellehre ist bis jetzt nur zum kleinsten Teile,
was sie sein soll, d. h. eine auf den kranken Organismus angewandte Physik und Chemie. Bei einzelnen chem.
Mitteln ist auch die Wirkung im Organismus klar, sie ist ebendieselbe wie außerhalb des tierischen Körpers bei der
Verwendung zu technischen Zwecken. So werden z. B. Alkalien bei verschiedenen Magenkrankheiten verordnet, um die in abnormer
Menge gebildeten Säuren zu neutralisieren oder um Sekrete und Exkrete, die unter normalen Verhältnissen sauer
reagieren, wie z. B. den Urin, zu alkalisieren.
AndereMittel wirken einfach dadurch, daß sie dem Blute und den Geweben einen Teil ihrer flüssigen Bestandteile entziehen; hieraus
erklärt sich z. B. die abführende Wirkung gewisser Mittelsalze. Bei vielen Arzneimittel ist
der Vorgang ihrer Wirkung vollständig unbekannt; bei andern kennt man zwar die Endpunkte ihrer Veränderungen,
die chem. Vorgänge in den Verdauungsorganen, im Blute und in den Geweben aber nicht. So findet man z. B. das Jod, in welcher
Verbindung es auch genommen sein mag, gewöhnlich nach kurzer Zeit als Jodnatrium im Harn wieder; so tritt nach dem Gebrauche
des Terpentinöls im Urin ein angenehmer Veilchengeruch auf (Terpentinsäure).
Sehr wenige Arzneimittel erleiden auf ihrem Wege durch den Körper gar keine Veränderungen. Bei den meisten Arzneimittel muß man sich freilich
an die Erfahrung halten, welche zeigt, daß dies oder das in der oder jener Krankheit heilsam ist. Aber diese Erfahrung ist
schwer zu erwerben. Die Krankheiten sind nicht selbständige Wesen, die den Körper befallen und wieder
verlassen; sie sind auch nicht Zustände, die sich immer in derselben Weise wiederholen und bei jedem Kranken in der nämlichen
Weise ablaufen: sie sind vielmehr nichts weiter als über das richtige Maß hinausgehende oder hinter diesem Maße zurückbleibende
Lebensvorgänge, die sich von den normalen nur durch den zu hohen oder zu niedern Grad ihrer Entwicklung
unterscheiden, und sie gestalten sich, wenngleich sie des Verständnisses wegen einen und denselben Namen tragen, doch tausendfältig
verschieden und spotten daher oft jeder Berechnung. Je größer nun die Summe der Kenntnisse ist, die man
vor der Anwendung eines von dessen Eigenschaften einerseits und von der Natur der Krankheit andererseits hat, desto sicherer
wird man auch beurteilen können, ob die nach dem Gebrauche des Arzneimittel eintretenden Änderungen des Krankheitsverlaufs
auf das Arzneimittel zurückzuführen sind oder nicht, um so leichter und schneller wird man also
auch sichere Erfahrungen über die Arzneiwirkung sammeln können, während der ohne jene Vorkenntnis probierende Arzt, d. h.
der bloße Empiriker, viel schwieriger und erst nach einer unverhältnismäßig großen Zahl von Beobachtungen ein sicheres
Ergebnis erhalten kann.
Die Einwirkung der Arzneimittel selbst geschieht in der Regel vom Magen aus; bei rein örtlichen Leiden
[* 20] erfolgt natürlich
die Applikation je nach dem Bedürfnis an den verschiedensten Stellen. Die zweckmäßigste Art der Anwendung der Arzneimittel lehrt die
Arzneiverordnungslehre. Die Form der Darreichung ist eine sehr mannigfaltige und richtet sich nach dem individuellen Bedürfnis
und nach den Eigenschaften des Mittels. Zum innern Gebrauche werden sowohl flüssige Formen, Lösungen,
Mixturen, Emulsionen, Tropfen u. s. w., oder trockne, z. B. Pulver, Pillen
u. s. w., gewählt, zum äußerlichen Gebrauche Salben, Pflaster, Lösungen, Ätzstifteu. dgl. Erweist sich die Einführung
der in den Magen unmöglich, oder wird eine recht schnelle allgemeine Wirkung derselben beabsichtigt, so bedient man sich
mit großem Vorteile der subkutanen Injektion (s. d.), wobei die unter die Haut eingespritzten Stoffe sehr
rasch in das Blut aufgenommen werden. In andern Fällen wird das Arzneimittel direkt in die Blutadern eingespritzt (s. Transfusion), oder
direkt in die Haut eingerieben (Inunktion), oder als medikamentöses Klystier
[* 21] in den Mastdarm gespritzt, oder endlich in Form
von Dämpfen und Zerstäubungen durch die Lungen eingeatmet. (S. Inhalation.) Da die Wirkung einer Arznei
stets von zwei Bedingungen abhängt, erstens von den Eigenschaften der Arznei und zweitens von der Beschaffenheit desjenigen
Körperteils, mit dem sie in Berührung kommt, so versteht sich von selbst, daß eine Arznei sehr verschieden wirken muß,
je nachdem sie auf diesen oder jenen Körperteil, bei dem oder jenem Zustande desselben Teils angewendet
wird.
Viele Gifte z. B. wirken nicht, wenn sie verschluckt werden, weil die Verdauungssäfte sie
in unschädliche Verbindungen überführen, während sie, ins Blut gebracht, sofort töten können. Ebenso wirkt manche Arznei,
wenn sie auf die unverletzte Haut gebracht wird, gar nicht, während sie die ihrer Oberhaut beraubte Haut
zu heftiger Entzündung reizt, oder, wenn sie durch die Blutgefäße der Haut ins Blut gelangt, starke Wirkungen auf das Nervensystem
u. s. w. ausüben kann.
Ein Spanischfliegenpflaster z. B. reizt die unverletzte Haut zu einer oberflächlichen Entzündung mit Blasenbildung; auf die
der Epidermis
[* 22] beraubte Haut gelegt, kann es eine Nierenentzündung hervorrufen, weil seine reizenden Bestandteile ins Blut und
mit demselben in die Nieren gelangen, welche für dieselben vorzugsweise empfindlich sind. Dies Beispiel zeigt zugleich, wie
eine Arznei nähere und entferntere Wirkungen haben kann: die Entzündung der Haut ist hier die nähere
Wirkung, die Nierenaffektion die entferntere. Der örtlichen Wirkung steht die allgemeine oder indirekte Wirkung der Arzneimittel gegenüber.
Die allgemeinen Wirkungen treten natürlich erst ein, wenn die Arzneistoffe in das Blut übergetreten und durch dieses den
verschiedenen Drüsen, dem Nervensystem und den übrigen Geweben zugeführt worden sind.
Die jedesmal anzuwendende Menge eines Arzneimittel wird Dosis oder Einzelgabe genannt; sie schwankt je nach der
Wirkung des betreffenden Mittels von 10 g und darüber bis zu 1/1000 g und noch weniger. Die höchste gesetzlich erlaubte
Einzelgabe heißt Maximaldosis; sie ist für jedes einzelne stärker wirkende Mittel genau vorgeschrieben und darf vom Arzte
nur in einzelnen Ausnahmefällen überschritten werden, welche er auf dem Rezept (s. d.) durch ein ! besonders
hervorzuheben hat.
Kinder erhalten je nach ihrem Alter 1/10 (Neugeborene), 1/8 (2-4 Jahre), 1/5 (5-7 Jahre), ¼ (8-10 Jahre), oder ½ (11-15
Jahre) der für Erwachsene bestimmten Einzelgaben. Die Einteilung der Arzneimittel läßt sich in sehr verschiedener
Weise machen: als die richtigste erscheint zunächst die, welche dieselben nach der Ähnlichkeit
[* 23] ihrer Wirkungen gruppiert.
Da aber die letztern zu unvollständig bekannt sind, so ist diese Art der Einteilung noch nicht durchzuführen. Ein
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mehr
anderes, aber auch unzulängliches Einteilungsprincip ist das der chem. Ähnlichkeit; noch unvollkommener, jedoch am gebräuchlichsten
ist die Klassifikation nach ihrer Verwendung, wie Abführ-, Brechmittel, schweiß-, harntreibende, beruhigende Mittelu. s. w.
- Über schwindelhafte s. Geheimmittel.
Vgl. Hirsch, Die Prüfung der Arzneimittel (2. Aufl., Berl. 1875);
Binz, Grundzüge der Arzneimittellehre (12. Aufl., ebd. 1894);
Nothnagel und Roßbach, Handbuch der Arzneimittellehre
(7. Aufl., ebd. 1894);
Cloetta, Lehrbuch der Arzneimittellebre und Arzneiverordnungslehre (8. Aufl., hg. von Filehne,
Freiburg
[* 25] 1893);
Ewald, Handbuch der Arzneiverordnungslehre (12. Aufl., Berl. 1891);
B. Fischer, Die neuern Arzneimittel (6. Aufl., ebd. 1894);
Bernatzik und Vogl, Lehrbuch der Arzneimittellehre (2.
Aufl., Wien
[* 26] und Lpz. 1891);
Böhm, Lehrbuch der Arzneiverordnungslehre (2. Aufl., Jena
[* 27] 1891);
Husemann, Handbuch der Arzneimittellehre
(3. Aufl., Verl. 1892);
Lewin, Die Nebenwirkungen der Arzneimittel (2. Aufl., ebd. 1893);