Art
(lat.
Species), in der
Logik die unter einem gemeinsamen
Merkmal zusammengefaßte
Klasse von Einzeldingen, die einer
höhern (umfassendern), welche die Gattung (s. d.) heißt, sich unterordnet.
Sie steht somit zwischen der Gattung und dem Einzelding oder Individuum. Das
Merkmal, wonach eine Art
von allen übrigen
Arten
derselben Gattung unterschieden wird, heißt art
bildender Unterschied (specifische Differenz). Der naturwissenschaftliche
Begriff der Art
wurde im Laufe der
Zeiten in sehr verschiedenem
Sinne gefaßt.
Während bei den ältern Biologen seit
Aristoteles das Wort Art
nur eine logisch formale Bedeutung hatte, wurde dasselbe von
John Ray zum erstenmal zum Rang eines genetischen
Begriffs erhoben, indem er als Kriterium specifischer
Übereinstimmung «den Ursprung aus dem Samen
[* 2] specifisch identischer
Pflanzen» aufstellte. «Welche Formen der
Species nach verschieden
sind, behalten diese ihre specifische Natur beständig, und es entsteht die eine nicht aus dem Samen der andern und umgekehrt.»
Doch erwähnte bereits Ray, daß dieses Zeichen der specifischen Übereinstimmung, obschon ziemlich konstant,
doch nicht ausnahmslos sei, denn es komme, wenn auch selten, vor, daß einige Samen degenerieren und
Pflanzen erzeugen, die
von der mütterlichen Form verschieden sind, daß es also eine
«Transmutatio specierum» gebe. Zu diesem
Begriffe der Art fügte
Linné, der Schöpfer der heutigen systematischen Naturgeschichte, die Bestimmung hinzu: «Es
giebt so viele Art, als deren ursprünglich erschaffen wurden.» Linné bezeichnete Individuen, die einem gleichen
Typus angehören und ihren übereinstimmenden Charakteren nach als von gemeinschaftlichen Eltern erzeugt angesehen werden
konnten, als Art oder
Species, während er zugleich die verschiedenen, aber doch einander näher stehenden Art, die
er meist durch ein
Adjektiv bezeichnete, in eine gemeinschaftliche Gattung (Genus) zusammenfaßte. So sind die Hauskatze,
der Löwe und der
Tiger verschiedene Art, die sich leicht charakterisieren lassen, die aber zu einer gemeinschaftlichen Gattung,
dem Genus Felis, gehören.
Sollte dem ursprünglichen Linnéschen Begriffe nach die Art ein bestimmter Schöpfungstypus sein, der von Anfang an bestanden habe und mit denselben Charakteren in die fernste Zukunft hinein sich fortpflanze, so gab doch Linné zu, daß jede Art einen bestimmten Veränderungskreis besitze, und daß innerhalb der Grenzen [* 3] derselben Abarten (s. d.) oder Varietäten vorkommen könnten, die durch verschiedene unwesentliche Charaktere sich unterscheiden ließen. Mit der Zunahme der Forschungen in der Naturgeschichte traten bald auch sehr verschiedene Auffassungen und Begrenzungen der Begriffe und Abart oder Varietät ein, und die Definitionen dieser Begriffe wurden in außerordentlich abweichender Weise gegeben, je nachdem man entweder auf die Abstammung von gleichartigen Eltern oder auf ¶
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das Vorhandensein gemeinschaftlicher unterscheidender Charaktere das hauptsächlichste Gewicht legte. Das Schwankende in der Begriffsbestimmung wurde noch vermehrt durch die Einführung einer dritten Bezeichnung, der Rasse, die man anfangs zwar hauptsächlich nur bei den Tieren anwandte, auf deren Ausbildung der Mensch selbst einigen Einfluß geübt hatte, dann aber auch auf den Menschen und die übrigen, in wildem Zustande lebenden Tiere ausdehnte. Mehr durch die Praxis und stillschweigende Übereinkunft als durch ausdrückliche Definition, die überhaupt bei so schwankenden Begriffen nicht wohl möglich ist, kam man endlich dahin überein, mit Abart, Spielart oder Varietät mehr zufällige Veränderungen zu bezeichnen, die man bald äußern Einflüssen, bald unbekannten, bei der Zeugung und Entwicklung wirkenden Ursachen zuschrieb.
Wenn z. B. innerhalb einer Herde gehörnten Rindviehs ein oder einige Kälber, bei denen sich später keine Hörner entwickelten, wenn inmitten einer großen Zahl heller Panther mit gelblichen Flecken einige Exemplare vorkamen von so dunkler Färbung, daß man auf dem kohlschwarzen Felle die sammetschwarzen Flecke kaum zu unterscheiden vermochte, so nannte man das eine Varietät oder Spielart und bezeichnete also damit Individuen, die zwar derselben Generationsfolge angehören, die sich aber von den übrigen typischen Repräsentanten der Art durch einen oder mehrere Ausnahmscharaktere unterschieden.
Wiederholten sich diese Ausnahmscharaktere in der Generationsfolge nicht, kehrten die Abkömmlinge zu dem ursprünglichen Typus sogleich oder nach und nach zurück, so blieb die Abweichung eben bei der Spielart stehen; pflanzten sich aber die Ausnahmscharaktere durch die Generationsfolge in längerer Dauer weiter, so nannte man die auf diese Weise fixierte Varietät eine Rasse. Art aber nannte man den Komplex von Individuen, die so viele gemeinsame Charaktere hatten, daß sie von denselben Eltern hätten abstammen können, und die diese Charaktere auf ihre Nachkommen in unabsehbarer Generationsfolge vererbten. Der Unterschied zwischen Rasse und Art bestand also einzig und allein darin, daß man bei der Rasse die histor. Abstammung aus einem abweichend gestalteten Typus zu kennen glaubte, während der Ursprung der Art selbst dunkel blieb.
In neuerer Zeit haben die Forschungen Darwins alle diese Bestimmungen wesentlich verändert. Während man mehr oder minder bewußt davon ausgegangen war, daß die Art einen festen Typus darstelle, der zwar durch äußere Einflüsse innerhalb gewisser, jedoch nur sehr enger Grenzen modifiziert werden könne, sind die modernen Naturforscher, wenigstens die Zoologen, fast allgemein wie Darwin der Ansicht, daß durch diese äußern Einflüsse, durch den Kampf um das Dasein, sowie endlich durch Vererbung gewisser Eigentümlichkeiten die Art selbst im Laufe der Zeit verändert werden könne und verändert worden sei, daß sie also durchaus kein festgestellter Typus sei, sondern nur für eine gewisse Zeit Beständigkeit besitze.
Von besonderer Wichtigkeit in dieser Frage erscheint die Betrachtung der Generationsfolge. Man glaubte den Satz: «Die Tiere Einer Art sind die Nachkommen Eines ursprünglichen Paares», durch die Annahme stützen zu können, daß Tiere verschiedener Species keine fortpflanzungsfähigen Nachkommen erzeugten, ein Satz, der konsequent zu dem weitern Satze führen müßte: Tiere, die miteinander fortpflanzungsfähige Junge erzeugen, gehören einer und derselben Species an. Hier aber stößt man auf unlösliche Widersprüche.
Oftmals bleibt die Begattung bei einander sehr nahestehenden Art ohne Erfolg, in andern Fällen muß man zugeben, daß Tiere von sehr verschiedenen Charakteren fruchtbare Abkömmlinge erzeugen. Als verbürgt wird angegeben, daß zahlreiche Pflanzen, sowie manche Fische, [* 5] verschiedene Enten- und Finkenarten, Auer- und Birkhuhn, ferner Ziegenbock und Schaf, [* 6] Hund und Wolf fruchtbare Abkömmlinge erzeugen, insbesondere daß Feldhase und Kaninchen [* 7] fruchtbare Nachkommen (Leporiden) hervorbringen, ohne daß zur «Anpaarung» (zur Paarung des Bastards mit einem reinblütigen Tiere) zurückgegriffen werden müßte.
Den jetzigen Kenntnissen am entsprechendsten läßt sich die Frage nach «Art», «Spielart», «Rasse» dahin auffassen, daß man annimmt, eine jede Spielart oder Varietät könne unter dem Einfluß begünstigender Umstände und fixierender Zeit allmählich zur Rasse und zur Art werden und diese wieder im Laufe der Zeiten weitere Sprossen und Abzweigungen treiben. Außer Darwin haben diese Fragen besonders ausführlich besprochen Isidore Geoffroy Saint [* 8] Hilaire, Quatresages und K. Vogt («Vorlesungen über den Menschen», 2 Bde., Gieß. 1863).