Arsenige
[* 3] Säure
,
Arsentrioxyd, weißer
Arsenik oder Rattengift,
Acidum arsenicosum, As2O3 , das
Anhydrid
der für sich nicht darstellbaren eigentlichen Arsenige Säure
, As(OH)3 ^[As(OH)3], wird gewonnen durch
Rösten von
Arsenkiesen und andern
Arsen enthaltenden
Kiesen und mancherlei Hüttenprodukten in Muffelöfen oder Flammöfen
unter Luftzutritt, wobei das
Arsen zu der bei 185° flüchtigen Arsenige Säure
verbrennt. Die
Dämpfe werden in gemauerte Kondensationsräume,
Gifttürme, geleitet, in denen sich zunächst unreine Arsenigsäure
als graues
Giftmehl verdichtet, das durch
Sublimation gereinigt
wird und dann zum
Teil weißes
Arsenglas, zum
Teil weißes Arsenmehl liefert.
Die
Sublimation erfolgt in der Regel in einem vom
Feuer bespülten gußeisernen
Kessel, auf den außerhalb des Bereichs der
Feuerung cylindrische eiserne
Ringe gestellt werden. Von diesen kommuniziert der oberste mittels eines trichterförmigen Fortsatzes
mit einem Kondensationskammersystem, in dessen erste Kammer die
Ableitungen einer Anzahl von Sublimationskesseln
münden. Nach
Ablauf
[* 4] der
Sublimate läßt man die
Kessel erkalten und nimmt die cylindrischen
Ringe ab, deren innere Wandung
dann mit einer dicken Schicht von glasartig durchsichtiger, amorpher Arsenige Säure
bedeckt ist, während sich
in den Kondensationsräumen der Rest in Form eines weißen, aus mikroskopischen Oktaedern und
Tetraedern
bestehenden Mehls findet; bei richtig geleiteter
Operation, bei der es darauf ankommt, eine zu starke Erhitzung der Aufsatzringe
zu verhüten, erhält man durchschnittlich etwa 90 Proz. Arsenikglas
und 10 Proz.
Mehl.
[* 5]
Die krystallisierte Arsenige Säure
ist dimorph, sie tritt in den Formen des regulären
Systems, Oktaeder,
Tetraeder,
außerdem aber auch in rhombischen Prismen auf. In beiden Formen ist sie mit
Antimonoxyd isomorph. Die reguläre Form kommt
als Arsenblüte, die rhombische als Claudecit in der Natur vor. Bei der
Sublimation verdichtet sich an den heißesten
Stellen
des
Apparates amorphes
Arsenglas, an den kältesten das regulär krystallisierte, zwischen beiden rhombisches
Arsenik.
Das amorphe
Glas
[* 6] erhält sich, wenn es unter Wasser oder
Spiritus
[* 7] aufbewahrt wird, lange Zeit unverändert, an der Luft verliert
es zuerst an der Außenfläche, allmählich nach innen fortschreitend, seine durchsichtige Beschaffenheit und wird porzellanweiß,
indem es aus dem amorphen in den krystallisierten Zustand übergeht; mit dieser Umwandlung geht eine
Veränderung mehrerer Eigenschaften
Hand
[* 8] in
Hand. Das spec. Gewicht der amorphen Arsenige Säure
ist 3,738, das der regulär krystallisierten
3,689, die amorphe Arsenige Säure
ist in 25
Teilen kalten Wassers löslich, die krystallisierte erfordert 80
Teile Wasser zur Lösung.
Die amorphe Modifikation geht in Lösungen sehr leicht in regulär krystallisierte über, so z. B.
beim bloßen
Kochen; läßt man eine heiße wässerige Lösung nach Zusatz von etwas Salzsäure
in einem dunkeln Raume erkalten,
so bemerkt man bei dem
Anschießen der
Krystalle fortdauernde Lichtentwicklung. Die wässerige Lösung reagiert deutlich sauer
und hat einen süßlichen
Geschmack.
In verdünnten Säuren
ist die Arsenige Säure
leichter löslich als in Wasser; beim
Kochen mit Salpetersäure
wird
sie in
Arsensäure verwandelt. Erhitzt man Arsenige Säure
mit
Cyankalium oder leitet man ihren
Dampf
[* 9] in einem Glasrohr über ein Stückchen
glühender
Kohle, so wird sie reduziert, und es scheidet sich schwarzes glänzendes
Arsen als Belag an der
Wandung ab (Erkennungsmittel). Schwefelwasserstoff bringt in der sauren wässerigen Lösung einen citrongelben Niederschlag
von
Arsentrisulfid hervor, der in Schwefelammonium löslich ist; metallisches
Zink scheidet aus der sauren Lösung
Arsen ab,
wobei sich
Arsenwasserstoff entwickelt, durch den die geringsten
Spuren nachgewiesen werden können. (S.
Arsenwasserstoff.)
In der
Medizin wird Arsenige Säure
bisweilen angewendet, entweder in Form von Pillen, Pulvern oder als Lösung
ihres Kalisalzes,
Fowlersche Lösung oder
Tropfen (s. d.). - Bei der Verwendung der (s. Arsenige Säure
Arsen) ist mit größter Vorsicht zu verfahren, da sie zu den stärksten
Giften gehört. (S.
Arsenikvergiftung.) Unter Umständen
bewirken schon Dosen von 0,060 g den
Tod, eine Gabe von 0,20 bis 0,25 g ist fast immer tödlich; die höchste
Gesamtdosis, die vom
Arzt verordnet werden darf, beträgt 0,010
g in 24
Stunden. Es kann jedoch der Organismus sich an dieses
Gift in höherm
Maße als an irgend ein anderes gewöhnen, wenn dasselbe mit kleinen Mengen anfangend dauernd
gebraucht wird (s.
Arsenikesser).
Tieren erteilt eine geringe Menge Arsenige Säure
ein glattes
Haar
[* 10] und belebten
Blick, weshalb sie von Roßtäuschern häufig gebraucht
wird; auch soll sie die Mastungsfähigkeit der
Tiere befördern, und es ist empfohlen worden, den Masttieren täglich Arsenige Säure
zu
reichen, doch ist ein solches Vorgehen im höchsten
Grade verwerflich,
da man nicht weiß, wie viel von dem
Gifte im Organismus
zurückgehalten wird und inwieweit das Fleisch solcher
Tiere gesundheitsgefährlich ist. Es liegt in dieser
Richtung nur eine
Beobachtung von Sonnenschein vor, der das Fleisch einer Kuh untersuchte, die in sechs
Monaten angeblich 506
g A.
S. gefressen hatte; das Fleisch dieser Kuh enthielt so wenig Arsenige Säure
, daß eine Gefahr beim Genusse desselben
allerdings nicht zu befürchten stand; doch hielt dieser vorsichtige Beobachter damit den Gegenstand durchaus nicht für
erledigt, sondern «eingehender sanitätlicher Erwägung bedürftig und Wiederholung
für wünschenswert».
Die
Salze der Arsenige
Säure
(Arsenite) leiten sich teils von dem
Hydrat, As(OH)3 ^[As(OH)3], teils von den
Anhydrohydraten AsO(OH)
und As2O(OH)4 ^[As2O(OH)4] ab. Die Kalium-, Natrium- und
Ammoniumsalze sind leicht löslich und krystallisierbar,
die meisten übrigen unlöslich; alle werden durch verdünnte Säuren, die löslichen sogar durch
Kohlensäure leicht zersetzt;
beim Erwärmen mit saurem weinsaurem Kalium entsteht eine krystallisierbare, dem
Brechweinstein der Antimonreihe
entsprechende
Verbindung.