Arndt
,
Ernst Moritz, deutscher Patriot, wurde zu Schoritz auf der Insel Rügen geboren, die noch schwedisch war. Sein noch als Leibeigner geborner Vater, damals Inspektor auf dem Gute des Grafen Malte-Putbus, ließ ihn die gelehrte Schule zu Stralsund [* 2] besuchen; 1789 vollendete er im Vaterhaus seine Vorbereitung für die Universität. Er besuchte zuerst Greifswald, [* 3] dann Jena, [* 4] wo er neben der Theologie mit Vorliebe Geschichte, Erd- und Völkerkunde, Sprachen und Naturwissenschaften trieb.
Nachdem er dann wieder eine Zeitlang in der Heimat als Kandidat und Hauslehrer zugebracht hatte, machte er 1798-99 eine größere Reise nach Österreich, [* 5] Oberitalien, [* 6] Frankreich und zurück durch Belgien [* 7] und einen Teil von Norddeutschland, die er in den »Reisen durch einen Teil Deutschlands, [* 8] Ungarns, Italiens [* 9] und Frankreichs« (Leipzig [* 10] 1804, 4 Bde.) beschrieb, nachdem er schon vorher mehrere Reisewerke (»Reise durch Schweden«, [* 11] Berlin [* 12] 1797, 4 Bde.; »Bruchstücke einer Reise durch einen Teil Italiens«, Leipzig 1799, 2 Bde.; »Reise durch einen Teil Frankreichs«, das. 1799, 3 Bde.) herausgegeben hatte.
Nach seiner Rückkehr habilitierte sich Arndt
im Jahr 1800 zu
Greifswald als
Privatdozent der Geschichte und
Philologie, verheiratete
sich mit der Tochter des
Professors
Quistorp, die ihm aber bald wieder durch den
Tod entrissen ward, und
erhielt, nachdem er sich ein Jahr (1803-1804) in
Schweden aufgehalten, 1805 eine außerordentliche Professur. Die 1803 erschienene
»Geschichte der
Leibeigenschaft in
Pommern
[* 13] und
Rügen« zog ihm eine
Anklage von seiten mehrerer adliger Gutsbesitzer zu. Der
König von
Schweden urteilte
aber, nachdem er das
Buch gelesen, Arndt
habe recht gehabt, so zu schreiben,
und hob 1806 die
Leibeigenschaft und die Patrimonialgerichte in Vorpommern auf. Aus derselben Zeit datiert das Schriftchen
»Germanien
[* 14] und
Europa«
[* 15] (1803),
worin Arndt
die von
Frankreich drohenden
Gefahren beleuchtete. Die
»Fragmente über Menschenbildung«
(Altona
[* 16] 1805, 2 Bde.; 3. Bd.
1819) empfahlen eine kräftige Vorbildung des künftigen
Geschlechts zur Natürlichkeit und Tüchtigkeit. Im Jahr 1806 erschien
der erste Teil desjenigen Werks, durch welches am meisten auf seine Zeit eingewirkt hat, und in welchem sich seine Eigentümlichkeit
am treuesten abspiegelt. Es ist dies der
»Geist der Zeit« (6.
Auflage des Ganzen,
Altona 1877), dessen erster
Teil die kommenden Ereignisse prophetisch voraus verkündete. Arndt
selbst arbeitete damals in der schwedischen
Kanzlei zu
Stralsund.
In jener Zeit war es, wo er mit einem schwedischen
Offizier, der geringschätzig von
Deutschland
[* 17] gesprochen, einen
Zweikampf
hatte, in
dem er schwer verwundet wurde.
Nach der
Schlacht bei
Jena floh er nach
Schweden und fand dort eine
Anstellung, die ihm Zeit ließ, den zweiten
Teil des Werks
»Geist der Zeit« auszuarbeiten, der 1809 in
London
[* 18] erschien und im feurigsten patriotischen Schwung auf die
Wege hinwies, auf denen allein
Deutschland aus der
Erniedrigung erlöst werden könne. Der
Sturz des
Königs
Gustav IV. von
Schweden bewog ihn 1809, sein bisheriges
Asyl zu verlassen und nach
Deutschland zurückzukehren, wo er nach einem
Aufenthalt zu
Berlin sein
Amt in
Greifswald für kurze Zeit wieder antrat und enge Beziehungen mit hervorragenden preußischen
Patrioten anknüpfte. Im Jahr 1812 begab er sich nach
Prag
[* 19] und von da nach
Petersburg,
[* 20] auf eine Einladung
des
Freiherrn vom
Stein, der in ihm einen kräftigen
Beistand in der
Anfeuerung des deutschen Nationalgeistes gegen die Fremdherrschaft
zu finden glaubte. In diesem
Sinn und im Auftrag
Steins verfaßte Arndt
Pamphlete, Aufrufe,
Verkündigungen,
Gegenschriften und Widerlegungen
französischer
Verkündigungen und
Berichte, sowie er auch zu dem sehr ausgebreiteten Briefwechsel mit
England und
Deutschland, besonders in
Sachen der zu errichtenden russisch-deutschen
Legion, einer
Koalition
Englands mit Rußland
etc., gebraucht wurde.
Nach der großen
Katastrophe in Rußland kehrte Arndt
mit
Stein nach
Deutschland zurück und fuhr fort, das deutsche
Volk durch
allerhand fliegende
Blätter und
Schriften, wie: »Was bedeutet
Landwehr und
Landsturm?«, den
»Deutschen Volkskatechismus«,
Ȇber Entstehung und Bestimmung der deutschen
Legion«,
»Grundlinien einer deutschen Kriegsordnung« und die
Schrift »Der
Rhein,
Deutschlands
Strom, aber nicht
Deutschlands
Grenze«, zu patriotischen Thaten anzufeuern.
Alle diese
Schriften kennzeichnen Arndt
als
entschiedenen Gegner
Frankreichs und des Franzosentums; so auch die
Flugblätter: »Über Volkshaß und
über den
Gebrauch einer fremden
Sprache«
[* 21] (1813),
»Über das Verhältnis Englands und Frankreichs zu Europa« (1813),
»Noch ein Wort über die Franzosen und über uns« (1814). In dem Schriftchen »Das preußische Volk und Heer« (1813) schildert er mit beredten Worten, wie Preußen [* 22] aus tiefstem Sturz wieder auferstanden sei durch die zwei Mittel, welche die Staatsleiter mit wahrer Umsicht angewendet: »den Geist freizulassen und das Volk kriegsgeübt zu machen«. Aus derselben Zeit stammen die schönsten seiner Lieder, die Kriegs- und Vaterlandslieder. Eine besondere Sammlung patriotischer Lieder Arndts erschien schon 1813 unter dem Titel: »Lieder für ¶
mehr
Deutsche«, [* 24] eine zweite: »Kriegs- und Wehrlieder«, 1815. Dieselben gingen später in die vollständigen Ausgaben seiner »Gedichte« (zuerst Frankf. 1818, 2 Bde.; Ausgabe letzter Hand, [* 25] Berl. 1860; 2. Aufl. 1865) über. Noch 1813 veröffentlichte er einen dritten Teil seines Werks »Geist der Zeit«, worin er die Grundzüge eines neuen, zeitgemäßen Verfassungszustands in Deutschland gab, die er weiter ausführte in der Schrift »Über künftige ständische Verfassungen in Deutschland« (1814). Der Vertretung des Bauernstands widmete er eine besondere Schrift (1815). Während die deutschen Heere auf französischem Boden kämpften, ließ er Flugblatt auf Flugblatt ausgehen, so: »Über Sitte, Mode und Kleidertracht«, »Entwurf einer deutschen Gesellschaft«, »Blicke aus der Zeit in die Zeit«, »Über die Feier der Leipziger Schlacht«, sämtlich von 1814, dann »Friedrich August von Sachsen«, [* 26] »Die rheinische Mark und die deutschen Bundesfestungen«, beide von 1815. Seine publizistische Thätigkeit konzentrierte er in der Zeitschrift »Der Wächter«, die er 1815-16 zu Köln [* 27] herausgab. Im J. 1818 wurde er Professor der Geschichte an der neubegründeten Universität zu Bonn, [* 28] nachdem er 1817 die Schwester Schleiermachers, Nanna (gest.
als zweite Gattin heimgeführt hatte. In demselben Jahr erschienen seine »Märchen und Jugenderinnerungen« und der vierte Teil vom »Geist der Zeit«. Seine akademische Wirksamkeit war indessen von kurzer Dauer. Nach Beginn der Demagogenverfolgungen infolge von Kotzebues Ermordung wurden wegen des vierten Bandes des »Geistes der Zeit« und wegen Privatäußerungen im September 1819 Arndts Papiere in Beschlag genommen, er selbst im November 1820 von seinem Amt suspendiert und im Februar 1821 die Kriminaluntersuchung wegen demagogischer Umtriebe gegen ihn eröffnet.
Dieselbe hatte kein Resultat: Arndts Forderung einer Ehrenerklärung wurde nicht erfüllt, er ward aber auch nicht für schuldig
erklärt, sein Gehalt ihm gelassen, die Erlaubnis, an der Universität Vorlesungen zu halten, jedoch nicht wieder erteilt.
Eine Schilderung des Prozesses gab Arndt
später selbst in dem »Notgedrungenen Bericht aus meinem Leben, aus
und mit Urkunden der demagogischen und antidemagogischen Umtriebe« (Leipz. 1847, 2 Bde.).
In den folgenden Jahren schrieb er: »Nebenstunden, Beschreibung und Geschichte der Shetländischen Inseln und Orkaden« (Leipz.
1826);
»Christliches und Türkisches« (Stuttg. 1828);
»Die Frage über die Niederlande« [* 29] (Leipz. 1831);
»Belgien und was daran hängt« (das. 1834);
»Leben G. Aßmanns« (Berl. 1834);
»Schwedische Geschichte unter Gustav III. und Gustav IV. Adolf« (Leipz. 1839);
»Erinnerungen aus meinem äußern Leben« (3. Aufl., das. 1842).
Noch ein andrer tiefer Schmerz traf
ihn 1834 durch den Verlust seines Sohns Wilibald, eines blühenden Knaben von neun Jahren, der in den Fluten des
Rheins ertrank. Es war einer der ersten Regierungsakte Friedrich Wilhelms IV., Arndt
wieder in sein Amt einzusetzen und ihm seine
Briefe und Papiere zurückgeben zu lassen. Die Universität wählte Arndt
1841 zum Rektor. Neben seiner wieder begonnenen amtlichen
Thätigkeit setzte er seine litterarische fort. Es erschienen: »Versuch in vergleichender Völkergeschichte«
(2. Aufl., Leipz. 1844);
»Schriften für und an seine lieben Deutschen« (das. 1845-55, 4 Bde.),
eine Sammlung seiner kleinen politischen Schriften;
»Rhein- und Ahrwanderungen« (Bonn 1846).
So kam das Hoffnungsjahr 1848 heran,
das auch Arndt
mit frischer Jünglingsbegeisterung begrüßte. Er ward von dem 15. rheinpreußischen Wahlbezirk
in
die deutsche Nationalversammlung gewählt und hier durch feierliche Huldigung der ganzen Versammlung begrüßt.
Übrigens beschränkte sich seine Beteiligung an den Verhandlungen auf kurze, aber kräftige Reden im Sinn der konstitutionell-erbkaiserlichen
Partei; er war auch Mitglied der großen Deputation, welche dem König von Preußen die deutsche Kaiserkrone anbieten sollte.
Am trat er mit der Gagernschen Partei aus der Versammlung aus und zog sich wieder in die Stille
seines akademischen Lebens zurück. Aber den Glauben an eine bessere Zukunft Deutschlands verlor er nicht; dieser Glaube leuchtete
aus seinen »Blättern der Erinnerung, meistens um und aus der Paulskirche in Frankfurt«
[* 30] (Leipz. 1849),
der letzten größern poetischen Gabe von ihm, sowie aus seinem »Mahnruf an alle deutschen Gauen in betreff der schleswig-holsteinischen Sache« (1854),
dem Büchlein »Pro populo germanico« (Berl. 1854),
der anmutigen »Blütenlese aus Altem und Neuem« (Leipz.
1857) und der Schrift »Meine Wanderungen und Wandelungen mit dem Reichsfreiherrn H. K. Fr. vom Stein« (Berl.
1858, 3. Aufl. 1870). Wegen einer angeblich den General Wrede und das bayrische Militär beleidigenden Stelle in letzterm Werk
ward Arndt
vor das Schwurgericht in Zweibrücken
[* 31] geladen und, da er nicht erschien, in contumaciam zu Gefängnisstrafe verurteilt.
Noch völlig rüstig, feierte er unter allgemeiner Teilnahme 1859 seinen 90. Geburtstag, starb aber bald
darauf, Arndts Bedeutung ist ganz aus seiner Zeit und aus seinem Charakter zu fassen.
Als Dichter reiht er sich nur in seinen Schlachten-, Freiheits- und Vaterlandsliedern den großen Dichtern aller Zeiten an; in seinen übrigen Dichtungen fehlt ihm das Bedeutende und Originale, was den Dichter ersten Ranges macht. Er war kein Genie, kein großer Gelehrter und Forscher, auch kein großer Staatsmann, aber voll Begeisterung für die erhabensten Interessen der Menschheit und voll edelster Hingebung für die Sache des Volks, ein mannhafter Charakter, der noch als Greis den Idealen seiner Jugend mit Jünglingsfeuer anhing.
Wie er durch seine Schriften und Lieder die Befreiung Deutschlands von der Fremdherrschaft höchst wirksam unterstützt hatte, so suchte er in der Zeit der Reaktion das Verlangen und Streben des Volks nach dem großen Ziel der nationalen Einheit furchtlos und mit Feuereifer aufrecht zu erhalten, »wie ein altes gutes deutsches Gewissen«, die Verzagenden stärkend, die Schwankenden in der Treue befestigend, die Feinde des Rechten und Guten mit der Wucht seines heiligen Zornes niederschmetternd.
Daher blieb er, obgleich die Zeit viele seiner Ansichten überflügelt hatte, gleichsam das Banner, um welches auch die jüngern Generationen der Vaterlandsfreunde sich scharten, und sein Verlust ward schmerzlich empfunden. Sein Inneres und Äußeres spiegelte in seltener Reinheit die Eigenschaften, die den deutschen Mann zieren: eine feste, energische Gestalt, ein reiches, poetisch gestimmtes Gemüt, sittlichen Ernst und Strenge, heiße Liebe zu Freiheit und Vaterland. Im J. 1865 wurde ihm in Bonn ein Bronzedenkmal (von Afinger) errichtet;
seinem Andenken ist auch der 21 m hohe Turm [* 32] auf dem Rugard auf der Insel Rügen (1873) gewidmet.
Arndts Biographie schrieben Langenberg (neue Ausg., Bonn 1869), Baur (5. Aufl., Hamb. 1882), Rehbein und Keil (Lahr [* 33] 1861) und Schenkel (2. Aufl., Elberf. 1869).
Vgl. »Briefe an eine Freundin« (Charlotte v. Kathen), herausgegeben von Langenberg (Berl. 1878). ¶
Im Biographisches Künstler-Lexikon, 1882
Arndt,
Franz Gustav, Landschaftsmaler, geb. zu Lobsenz bei Posen, widmete sich der Malerei auf der Kunstschule zu Weimar, wo er Alex. Michelis und Theod. Hagen zu Lehrern hatte und 1876 außerordentlicher Professor der Landschaftsmalerei sowie 1879 Sekretär der Kunstschule wurde. 1872 und 1877 machte er Studienreisen in Italien. Zu seinen Hauptwerken, in denen sich ein tüchtiges Studium der Baumnatur bemerklich macht, gehören: die Ausmalung eines Saals für den Konsul Weber in Hamburg (die vier Jahreszeiten) im Verein mit dem Maler H. C. Krohn, für den Prof. Friedberg in Leipzig die Dekoration eines Saals mit italienischen Landschaften sowie die Bilder: die Elegie (prämiiert in London), Sommermorgen in der Rhön, norddeutsches Kirchlein u. a.