Arminĭus
(der Name wird vielfach, aber mit Unrecht, für die röm. Form von «Hermann» gehalten), der Befreier des westl. Deutschlands [* 2] von der Herrschaft der Römer, [* 3] ward im J. 17 oder 16 v.Chr. als der Sohn eines cherusk. Häuptlings Segimer geboren. Er trat frühzeitig mit seinem Bruder Flavus in röm. Kriegsdienst, erwarb sich als Führer cherusk. Hilfstruppen das röm. Bürgerrecht und die Ritterwürde, gewann Kenntnis der lat. Sprache [* 4] und einen tiefern Einblick in die röm. Kriegs- und Staatskunst.
Als er nach
Deutschland
[* 5] heimkehrte, während
Flavus unter den
Römern zurückblieb, fand er den kurz vorher nach
Germanien
[* 6] gesandten
röm.
Statthalter Quintilius
Varus seit dem
Sommer 7 n.Chr. damit beschäftigt, die niederdeutschen
Länder zwischen Rhein und
Weser in eine röm.
Provinz zu verwandeln. Arminius
faßte den
Plan, sein Vaterland von der Fremdherrschaft zu
befreien. Das war aber unmöglich in offener
Erhebung gegen eine ausgesuchte und erprobte
Armee, die sich überdies durch ein
System von
Straßen und Befestigungen auf die wohlgesicherte Rheinlinie stützte.
Deshalb griff Arminius
zur List;
Varus wurde, als er im
Sommer des J. 9 n.Chr. mit etwa 25000 Mann an der Weser
in der Gegend von Minden
[* 7] stand, durch und dessen Freunde in falsche Sicherheit gewiegt; vergeblich warnte ihn Segest, der
Führer der röm. Partei unter den Cheruskern. Um zunächst die auf Betrieb Arminius'
aufrührerischen
Bewohner eines abgelegenen Landstrichs zu züchtigen, zog das röm.
Heer auf dem
Marsche von der Weser
zu Anfang des September in westl.
Richtung und kam in den unwegsamen
Teutoburger Wald, wo es plötzlich von allen Seiten her
durch die Scharen der
Deutschen, deren Führer sich bis zum letzten Augenblick im röm. Hauptquartier als angebliche
Bundesgenossen aufhielten, angegriffen und nach dreitägigem Kampfe vernichtet wurde.
Die Besatzung von Aliso (s. d.) mit einer Anzahl Flüchtlingen vom Heere des Varus schlug sich durch. Die Feste selbst wurde erobert. Die Kunde dieses Schlags erregte in Rom [* 8] die höchste Bestürzung; die Folge war die vorläufige Aufgabe des Plans, die Elbe zur Grenze des Römischen Reichs zu machen. Die Römer begnügten sich zunächst mit Sicherung der Rheingrenze. Im J. 14 begannen sie aber unter Führung des Germanicus (s. d.) den Angriff von neuem. Im J. 15 verwüstete dieser das Land der Katten.
Auf dem Rückmarsch nach dem Rhein trafen bei ihm Gesandte von Segest ein, der die
Römer gegen Arminius
zu
Hilfe rief. Nach dem
Siege im
Teutoburger
Walde nämlich hatte Arminius
die schon an einen andern verlobte Tochter Segests,
Thusnelda,
entführt, war darauf von Segest gefangen, aber wieder befreit worden. Darauf hatte Segest
Thusnelda in seine Gewalt gebracht
und auf seine
Burg geführt, wurde nun aber von Arminius
belagert. In raschem Zuge kehrte daher
Germanicus um
und entsetzte Segest. So kam mit letzterm und einer großen Anzahl seiner Verwandten und Freunde auch
Thusnelda zu den
Römern
und gebar kurz darauf in röm. Gefangenschaft einen Sohn, den man Thumelicus nannte.
Segest wurde zwar hoch geehrt, mußte aber zwei Jahre später in
Rom zusehen, wie sein Sohn Segimund und
Thusnelda mit ihrem
Kinde den Triumphzug verherrlichten. Die Wegführung
der
Thusnelda entflammte Arminius
aufs höchste, und aufs
neue rief er die Cherusker und die Nachbarvölker unter die Waffen.
[* 9]
Germanicus brach dagegen mit seiner ganzen Macht, etwa 80000 Mann,
gegen Arminius
auf, der sich in
Wald- und Sumpfland zurückzog, bis er die Gelegenheit ersah, den nachrückenden
Römern an einem nicht mehr näher bestimmbaren Punkte so wirksam entgegenzutreten, daß nach der
Niederlage der Reiterei und
der Hilfskohorten die
Legionen nur mit Mühe das Schlachtfeld behaupteten und der Rückzug angetreten werden mußte.
Auf diesem wurde die
Abteilung des
Cäcina von den
Deutschen unter Arminius
hart bedrängt und entging der vollständigen Vernichtung
nur dadurch, daß das Ungestüm Inguiomers, des Oheims den wohlberechneten
Plan des letztern vereitelte. Noch großartigere
Vorbereitungen traf
Germanicus für den Feldzug des J. 16 n.Chr. Mit 1000 Schiffen lief er im
Juni in die
Ems
[* 10] ein, marschierte die Ems hinauf bis an die Haasemündung, von hier durch das Werrathal an die Weser, wo bereits Arminius
mit
dem deutschen
Heere die Feinde erwartete. In dieser Gegend, unweit von
Bückeburg,
[* 11] auf dem Felde Idistavisus (s. d.), ward
nun die größte
Schlacht der
Römer in
Deutschland geschlagen.
Diese ging den
Deutschen verloren, weil ihr Ungestüm, ihr
Mangel an taktischer
Übung und Kriegszucht die
Befehle Arminius'
durchbrach;
aber trotz schwerer
Verluste lieferten sie, wahrscheinlich bei Bergkirchen an dem sog.
Steinhuder
Meer, den
Römern eine zweite
blutige
Schlacht, in der diese zwar siegten, aber doch nur den ungestörten Rückzug erkauften. Schwerere
Verluste noch erlitt der auf der Flotte heimkehrende Hauptteil des röm.
Heers durch heftige
Stürme und Unwetter.
Germanicus hoffte zwar im nächsten Jahre den
Krieg zu beendigen, aber der
Kaiser
Tiberius rief ihn nach
Rom zurück, wo er ihn
im J. 17 einen glänzenden Triumphzug feiern ließ und mit Ehren überhäufte.
Kein röm.
Heer wagte seitdem
wieder, vom Rheine nach dem innern
Deutschland vorzudringen. Kaum war indes der Feind vertrieben, als die Kämpfe unter den
Deutschen selbst wieder um so heftiger ausbrachen. Der
Markomanne Marbod, der
Gründer eines mächtigen, von
Böhmen
[* 12] bis zur
Ostsee ausgedehnten
Reichs, hatte seiner Zeit den von Arminius
ihm zugesandten
Kopf des
Varus den
Römern ausgehändigt
und später dem Kampfe gegen
Germanicus teilnahmlos zugesehen.
Jetzt, als den deutschen Völkern als Hort der
Freiheit erschien, fielen
Semnonen,
Gothonen und Langobarden vom Markomannenreiche
ab und wandten sich zu Arminius
, während dagegen dessen Oheim Inguiomer mit seinem
Anhange zu Marbod überging.
Daraus entspann sich ein
Krieg, und wahrscheinlich im J. 17 trafen die
Heere und Marbods aufeinander. Die
Schlacht selbst blieb
zwar unentschieden, indem beide rechte Flügel geschlagen wurden, aber Marbod zog sich zurück und mußte 19 n.Chr. bei den
Römern Hilfe suchen, die ihm Ravenna zum Wohnort anwiesen.
Auch Arminius
überlebte Marbods Fall nicht lange. Wie es scheint, wollte er auch im Frieden die Obermacht bewahren
und erlag in einem darüber ausgebrochenen Kampfe schon im J. 21 der Hinterlist seiner Verwandten in einem
Alter von 37 Jahren.
Weib und
Kind hatte Arminius
nie wiedergesehen, es fehlt überhaupt jede Nachricht über ihr weiteres
Schicksal.
Nur so viel weiß man, daß schon im J. 47 vom cherusk. Fürstenstamme nur noch der einzige
Italicus, ein Sohn von Arminius'
Bruder
Flavus,
¶
mehr
übrig war, den die Cherusker sich von den Römern zurückerbaten und erhielten. Das würdigste Denkmal hat Tacitus dem in seinen
«Annalen» gesetzt. Dramatisch wurde von Joh. Elias Schlegel, Klopstock, H. von Kleist, Grabbe u. a. behandelt. Über das Arminius
denkmal
bei Detmold
[* 14] s. Hermannsdenkmal.
[* 15] - Über die etwaige Verbindung des historischen Arminius mit der Siegfriedsage
s. Siegfried.
Vgl. Böttger, Hermann der Cheruskerfürst (Hannov. 1874);
Essellen, Das Varianische Schlachtfeld im Kreise [* 16] Beckum (Berl. 1874): Sondermühlen, Aliso und die Gegend der Hermannsschlacht (Lpz. 1875);
Böcker, Damme als der mutmaßliche Schauplatz der Varusschlacht (Köln [* 17] 1887);
Mommsen, Die Örtlichkeit der Varusschlacht (Berl. 1885);
Veltmann, Funde von Römermünzen im freien Germanien und die Qrtlichkeit der Varusschlacht (Osnabr. 1886);
Neubourg, Die Örtlichkeit der Varusschlacht (Detmold 1887);
Höfer, Die Varusschlacht (Lpz. 1888);
Knoke, Die Kriegszüge des Germanicus in Deutschland.
Mit Nachtrag (Berl. 1887 u. 1889);
Bahr, Die Örtlichkeit der Schlacht auf Idistaviso (Halle [* 18] arminius S. 1888);
Dünzelmann, Der Schauplatz der Varusschlacht (Gotha [* 19] 1889);
Wolf, Die That des Arminius (Berl. 1891);
Kemmer, Arminius (Lpz. 1893);