Armīnius
(gewöhnlich, aber mit unzureichendem Grund, wird der deutsche Name Hermann als entsprechend angesehen), Fürst der Cherusker, der Befreier Deutschlands [* 2] vom römischen Joch, war als Sohn des Cheruskerfürsten Sigimer 17 v. Chr. geboren. Er leistete nach der Weise der damaligen Zeit den Römern als Führer deutscher Hilfstruppen Kriegsdienste; in sein Vaterland zurückgekehrt, richtete er aber sein ganzes Bestreben auf die Befreiung desselben von dem Joch der Römer, [* 3] die das nordwestliche Deutschland [* 4] bereits als ihre Provinz betrachteten.
Der damalige Oberbefehlshaber der
Truppen am
Niederrhein, Quintilius
Varus, schaltete unter den
Deutschen wie ein unumschränkter
Herrscher und reizte deren
Zorn besonders dadurch, daß er unter ihnen ganz nach der
Weise römischer
Statthalter
Recht sprach.
Es gelang daher dem Arminius
leicht, nicht nur seine
Cherusker, sondern auch die benachbarten
Völker für seine
Pläne zu gewinnen, und nachdem dies geschehen, lockte
er den
Varus nach den östlichern Gegenden an der
Weser, machte ihn durch
anscheinende
Beweise von Ergebenheit sicher und ließ dann im Hochsommer 9
n. Chr. die Nachricht an ihn gelangen, daß unter
einem östlicher wohnenden
Volk, wahrscheinlich den
Katten, ein
Aufstand ausgebrochen sei. Um diesen zu
unterdrücken, brach
Varus auf und nahm
¶
mehr
seinen Weg durch den sogen. Teutoburger Wald (wahrscheinlich den heutigen Osning). Arminius
mit seinen Genossen hatte sich von ihm
getrennt unter dem Vorgeben, daß er die deutschen Hilfsvölker zusammenziehen und ihm nachfolgen wolle. Als aber das durch
Troß und Gepäck beschwerte römische Heer sich durch die engen, weglosen, von bewaldeten Höhen eingeschlossenen
Thäler mühsam durchwand, sah es sich plötzlich von allen Seiten von den Deutschen angefallen. Nur langsam und unter großen
Verlusten setzte es seinen Marsch am ersten Tag fort; am zweiten Tag wurden die Verluste und Bedrängnisse durch den Feind und
durch Regen und Sturm immer größer, so daß Varus am Abend schon nicht mehr im stande war, ein festes Lager
[* 6] aufzuschlagen; am dritten Tag aber wurde die Widerstandskraft der Römer völlig gebrochen, Varus stürzte sich in Verzweiflung
in sein Schwert, und bis auf einen kleinen Teil, der sich durch die Flucht rettete, wurde das ganze Heer von drei
Legionen nebst zugehöriger Reiterei und Hilfsmannschaft, zusammen etwa 40,000 Mann, vernichtet.
Die Feste Aliso, welche die Römer auf deutschem Gebiet errichtet, wurde nun eilends von der römischen Besatzung verlassen, und so war Deutschland bis an den Rhein vollständig befreit. Die Nachricht von dieser Niederlage erregte in Rom [* 7] den größten Schrecken; man fürchtete, daß die Deutschen den Rhein überschreiten und in Gallien den Aufstand gegen Rom entzünden möchten; Augustus soll sein Kleid zerrissen und ausgerufen haben: »Varus ! Varus ! gib mir meine Legionen wieder!« Es wurden daher die umfassendsten Anstalten zur Gegenwehr getroffen, in den Jahren 10 und 11 übernahm Tiberius den Schutz der gefährdeten Rheingrenze und machte sogar einige Einfälle, obwohl ohne erheblichen Erfolg, in deutsches Gebiet.
Indessen begnügte man sich auf beiden Seiten zunächst mit der Behauptung der Rheingrenzen, bis im Jahr 14 der Kampf durch
einen Angriff der Römer erneuert wurde. In diesem Jahr machte Germanicus, der Sohn des Drusus, um die aufrührerischen
Legionen zu beschäftigen, einen Streifzug in das Gebiet der Marser, das er, ohne Widerstand zu finden, mordend und zerstörend
durchzog, und in der ersten Hälfte des folgenden Jahrs unternahm er in gleicher Weise einen Zug
in das Gebiet der Katten, wobei
er Gelegenheit fand, den Schwiegervater und Gegner des Arminius
, Segestes, der von Arminius
belagert wurde, zu befreien
und ihn nebst seiner Tochter Thusnelda, der mit ihrem Gatten gleichgesinnten Gemahlin des in seine Gewalt zu bringen.
Der Hauptplan des Germanicus aber war gegen die Cherusker, die Besieger des Varus, gerichtet. Deshalb führte er
noch im J. 15 vier Legionen zu Schiffe
[* 8] nach der Mündung der Ems,
[* 9] und hier trafen auch vier andre Legionen unter Cäcina und die
Reiterei, welche den Weg zu Lande zurückgelegt hatten, mit ihm zusammen. Mit dieser gewaltigen Streitmacht suchte er den Arminius
auf,
der sich zunächst vor ihm zurückzog; endlich stieß er auf ihn und lieferte ihm eine Schlacht, die nach
blutigem Kampf ohne entscheidenden Erfolg blieb.
Auch im folgenden Jahr machte Germanicus erst einige Streifzüge in deutsches Gebiet. Nachdem aber mittlerweile eine Flotte von 1000 Schiffen ausgerüstet worden, führte er auf dieser seine gesamten Streitkräfte wiederum nach der Mündung der Ems, richtete dann seinen Marsch südöstlich nach der Weser und traf hier die Feinde auf dem jenseitigen Ufer versammelt, überschritt den Strom und lieferte ihnen auf dem Idistavisofeld (in der Gegend von Minden [* 10] und Hameln) [* 11] eine blutige Schlacht, die hauptsächlich infolge des Ungestüms der Deutschen mit einer großen Niederlage derselben endete.
Noch einmal sammelten sich die Deutschen stromabwärts der Weser (wahrscheinlich in der Gegend des Steinhuder Meers), und es kam zu einer zweiten Schlacht, in der sich zwar die Römer den Sieg zuschrieben, die aber doch nur die Folge hatte, daß Germanicus über den Rhein zurückging. Es ist zweifelhaft, ob Germanicus bei einer Fortsetzung der Angriffe sein Ziel erreicht haben würde. Jedenfalls wurde seinen Unternehmungen durch den argwöhnischen Tiberius, der ihn vom Oberbefehl abrief, das Ziel gesetzt, und so war die Freiheit der Deutschen auch aus dieser Gefahr errettet.
Von Arminius
wird uns noch berichtet, daß
er im J. 17 einen Krieg mit dem Markomannenkönig Maroboduus bestand, der, wenn auch nicht unmittelbar,
den Sturz des letztern herbeiführte, und daß er im J. 19 im 37. Lebensjahr auf Anstiften seiner Verwandten, die ihn des
Strebens nach der Königsherrschaft beschuldigten, den Tod fand. - Das von dem Bildhauer E. v. Bandel (s. d.) 1838 begonnene, 1844 im
Unterbau vollendete kolossale Nationaldenkmal des Arminius
auf der Grotenburg bei Detmold
[* 12] wurde in Gegenwart des deutschen
Kaisers feierlich enthüllt.
Hauptquellen für die Geschichte des Arminius
sind Tacitus' »Annales« (I, 55-70; II, 7-23, 45, 46, 88), Vellejus Paterculus (II,
107-120), Florus (IV, 12, 9), Dio Cassius (LVI, 18-24), Sueton (Aug. 23), Strabon (Rer. geogr. VII, 1).
Von neuern Bearbeitungen der Geschichte des Arminius
heben wir hervor: Fr. Roth, Hermann und Marbod (Stuttg. 1817);
König, Armin der Cherusker (Leipz. 1840);
Böttger, Hermann der Cheruskerfürst (Hannov. 1874).
Als Stoff zu dramatischen Dichtungen ist die Hermannsschlacht namentlich von Klopstock, H. v. Kleist und Grabbe behandelt worden.