organisierte Ansiedelungen Verarmter, welchen dort die Möglichkeit geboten werden soll, durch Arbeitsamkeit,
Ordnung und Sparsamkeit sich in eine günstigere
Lage zu versetzen. Die Unternehmer solcher Anstalten überlassen den Ansiedlern
einen bestimmten Landanteil, reichen ihnen die zur Bodenkultur unentbehrlichen Erfordernisse dar, schießen
ihnen Lebensbedarf bis zur
Ernte
[* 2] vor, binden die Art des Anbaues an gewisse Vorschriften, führen über
Arbeit und Fleiß strenge
Aufsicht und geben jedem durch die Aussicht auf den
Genuß der
Früchte seiner Mühe einen
Reiz zur
Arbeit.
Die
Kosten der waren hoch
(Erwerb ausgedehnter, in bereits kultivierten
Ländern teurer
Grundstücke, Gestellung
von
Wohnung,
Stallung etc.); dann fehlte es an brauchbaren
Kolonisten. Erwerbsunfähige
Personen konnten nicht berücksichtigt
werden, erwerbsfähige und tüchtige
Arbeiter aber blieben den
Kolonien fern, oder sie waren für den
Ackerbau wenig geeignet.
Es gelang nirgends, die
Kolonisten auf, eine solche
Stufe zu heben, daß man sie mehr sich selbst hätte
überlassen können, sondern man mußte Beaufsichtigung und Bevormundung verschärfen, statt daß man sie hätte mindern
können, was die Unlust der
Kolonisten erhöhte, die
Kosten steigerte und das wirtschaftliche Gedeihen hinderte.
Der Hauptzweck, allmählicher
Erwerb der
Grundstücke zu freiem
Eigentum der
Kolonisten, konnte infolgedessen nicht erreicht
werden. Eine neue Anwendung der Armenkolonien begründete 1881 der
Pastor v.
Bodelschwingh in
Wilhelmsdorf bei
Bielefeld,
[* 7] indem er in ländlicher Niederlassung arbeitswillige Wanderbettler beschäftigte, um der
Landstreicherei entgegenzuwirken
(vgl. seine
Schrift »Die
AckerbaukolonieWilhelmsdorf«, Bielef. 1883). Der
Zweck dieser Beschäftigung besteht jedoch nicht in
dauernder Ansiedelung, so daß
Wilhelmsdorf eine Mittelstufe zwischen denArmenkolonien und den
Asylen darstellt.
Die Erfolge sind bisher so günstige gewesen, daß preußische Provinzialstände (z. B. in
Hannover,
[* 8]
Schleswig-Holstein)
[* 9] mehrfach über
Nachbildungen verhandelten. Einen andern
Zweck als die Armenkolonien haben die bisweilen
Ackerbaukolonien
genannten Waisen- und Rettungsanstalten, welche den
Landbau für pädagogische Endziele verwerten.
Vgl. Buol-Bernburg, Die
holländischen Armenkolonien etc.
(Wien
[* 10] 1853);
gehören zu denjenigen Einrichtungen, die man zur Abhilfe der überhandnehmenden Armut vorgeschlagen
hat. Dieselben stellen sich die Aufgabe, Arme aus den großen Städten und Industriebezirken auf das Land in abgesonderte Dörfer
zu versetzen und dort mit der Urbarmachung und Bebauung des Landes zu beschäftigen. Die Anstalten solcher
Art haben indes, wo man ihre Begründung versucht, nur geringe oder keine Ergebnisse geliefert. Zunächst bedarf es zu einer
derartigen Kolonisation ausgedehnter Grundstücke, die, wenn auch nicht bereits urbar, doch bebauungsfähig sein müssen,
Haben diese Grundstücke schon an sich einen bedeutenden Preis, so erhöhen sich die Kosten der Kolonisation
noch dadurch, daß für die Kolonisten Wohnungen und Stallungen hergestellt, Mobilien- und Inventarienstücke angekauft und
Betriebsmittel angewiesen werden müssen, daß ferner den Kolonisten mindestens bis dahin, wo sie ihre Erzeugnisse absetzen
können, der Unterhalt vollständig gewährt werden muß.
Weder der Staat, noch die Gemeinden, noch die Privatwohlthätigkeit, noch alle drei vereinigt sind daher
im stande, vorausgesetzt auch, daß sich ganz geeignete Grundstücke leicht auffinden lassen, ausgedehnte Kolonisationen ganz
mittelloser Personen durchzuführen. Sehr schwierig ist sodann die Wahl der Kolonisten. Zuvörderst können erwerbsunfähige
Personen gar nicht berücksichtigt werden, und von den erwerbsfähigen sind nur wenige geeignet, unter Aufgebung ihres
frühern Erwerbszweigs sich einem neuen, ihnen bisher fremden, dem Ackerbau zu widmen.
Gerade aber diese tüchtigern und gewandtern Arbeiter finden auch sonst ihr Brot
[* 11] und bedürfen am wenigsten einer Hilfe. Außerdem
läßt sich das Verhältnis der Kolonisten zu den Koloniegründern (Staat, Gemeinde, Privatverein) sehr schwer feststellen.
Freie Eigentümer können sie, will man ihnen die Grundstücke nicht geradezu schenken, erst nach
einer langen Reihe von Jahren werden, vorausgesetzt noch, daß sehr günstige Umstände eintreten. In der Regel sehen sich
die Koloniegründer genötigt, eine schwierige, unangenehme Verwaltung zu führen und unausgesetzt große Opfer zu bringen,
die zu dem erzielten Erfolge in keinem Verhältnis stehen.
Von volkswirtschaftlichem Nutzen kann bei der Urbarmachung unbebauter Grundstücke nur dann die Rede sein, wenn der Aufwand
an Kapital und Arbeit im Verhältnis zur Wertserhöhung dieser Grundstücke steht. Die ersten Versuche mit Errichtung von Armenkolonien machten
im Kleinen der Freiherr von Voght in Flottbeck bei Hamburg und der Herzog von Larochefoucauld zu Liancourt
in Frankreich. Im großen gelangte der Gedanke zuerst in Holland durch den Generalvan den Bosch (s. d.) zur Ausführung.
Derselbe gründete unter dem Schutze des Prinzen Friedrich und vermittelst eines großen Privatvereins, des Maatschappij van
Weldadigheed (Wohlthätigkeitsverein), 1818 die Ackerbaukolonie Frederiksoord in der Provinz Drenthe für verarmte
Familien. Dieser folgte die Herstellung noch einiger ähnlicher Anstalten für Bettler, Waisenkinder u. s. w.
Von Holland aus fand die Sache Nachahmung in Belgien (Wortel, Mexplus, Rezkevoorsel), Frankreich, England u. s. w. Die meisten
dieser Anlagen gingen jedoch schon nach einigen Jahren wieder ein oder mußten vollständig umgestaltet werden. Unverhältnismäßig
große Opfer haben alle gekostet, während der angestrebte Zweck nur in sehr geringem Maße erreicht wurde.
Nicht zu verwechseln mit den Armenkolonien sind die Arbeiterkolonien (s. d.). -
Vgl. von Buol-Bernburg, Die holländischen Armenkolonien u. s. w.
(Wien 1853);
Th. Graß, Die holländischen Armenkolonien (Dorp. 1845).