Arithmetik
derjenige Teil der
Mathematik, welcher sich mit den unstetigen oder diskreten
Größen, ihren
Formen und
Verbindungen beschäftigt;
im engern
Sinn die
Lehre
[* 2] von der Rechnung mit bestimmten
Zahlen, welche mit
Ziffern geschrieben werden. Man teilt die Arithmetik
gewöhnlich
in die gemeine und in die höhere oder
Zahlentheorie und begreift unter jener die vier
Spezies der
Rechenkunst
in ganzen und gebrochenen
Zahlen und ihre praktische Anwendung, die
Lehre von den
Proportionen, die Ausziehung der
Quadrat- und
Kubikwurzel und die Rechnung mit Logarithmen, unter der höhern dagegen die Untersuchung der
Eigenschaften der
Zahlen überhaupt,
die Zerfällung der ganzen
Zahlen in
Faktoren, die
Kongruenz der
Zahlen etc. Auch unterscheidet man die theoretische,
welche die
Lehrsätze von den
Verbindungen und
Eigenschaften der
Zahlen aufstellt und wissenschaftlich begründet, von der praktischen
Arithmetik
, auch schlechthin
Rechenkunst genannt.
Die numerische Arithmetik
, die
Logistik der Griechen, lehrt die Rechnung mit bestimmten, durch
Ziffern ausgedrückten
Zahlen.
Von einem höhern
Gesichtspunkt geht aus die Arithmetica speciosa, welche in allgemeinen Zeichen, in
Symbolen, ausführt, was
die numerische Arithmetik
mit
Ziffern durchsetzt. Ihr
Name soll daher kommen, weil die
Juristen fingierte
Personen
Cajus,
Sempronius (um
ihre
Lehren
[* 3] an bestimmten einzelnen
Fällen durchführen zu können)
Spezies nannten. Jetzt heißt sie allgemeine
oder reine Arithmetik
Erratende Arithmetik (Arithmetica divinatoria) hieß früher die
Algebra.
Arithmetische Zeichen

* 5
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Politische Arithmetik
wird bisweilen die Anwendung der Arithmetik auf die in der
Staatsverwaltung vorkommenden Verhältnisse, auf Berechnung
der
Lotterien, der
Renten-, Versorgungs- und Versicherungsanstalten, der Sterblichkeitsverhältnisse, der
Lebensdauer etc. genannt,
welche Aufgaben ins Gebiet der Wahrscheinlichkeitsrechnung gehören.
Ihre erste
Entwickelung soll die Arithmetik
bei
den
Indern gefunden haben, doch bezeichneten schon die Ägypter den
Thoth
[* 4] als ersten Zahlenmeister; auch die Phöniker beschäftigten
sich frühzeitig damit. Übrigens
¶
mehr
trugen den Namen Arithmetik
im Altertum vorzüglich die Untersuchungen über Formen von Zahlen, über gerade und ungerade Zahlen, Primzahlen
u. a.; unsre Zahlenrechenkunst aber hieß, wie bemerkt, Logistik. Das Zahlenrechnen war damals sehr beschwerlich, was durch
die Unbehilflichkeit des Zahlensystems der Griechen und Römer
[* 6] bedingt war (s. Zahlensystem und Ziffern). Wie
sehr hierdurch dem weitern Fortschritt der Arithmetik
ein Damm entgegengestellt war, sieht man unter anderm daraus, daß Archimedes
nicht im stande war, ein genaueres Verhältnis der Kreisperipherie zum Durchmesser als 22/7 und 223/71 anzugeben.
Der einzige Mathematiker des frühern Altertums, welcher Schriften über Arithmetik
hinterlassen hat, ist Euklides (das 7.-10.
Buch seiner »Elemente«). Aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. stammen Nikomachos' arithmetische Bücher über Zahlenformen, aus dem 3. Jahrhundert
haben wir die Schriften des Diophantos. Im 6. Jahrhundert verfaßte Boetius zwei Bücher über arithmetische Gegenstände. Mit
der Einführung eines bequemern Zahlensystems änderte sich die schwerfällige Form der Arithmetik.
In diese Zeit
fällt Joh. de Sacro Boscos (gest. 1226) »Algorithmus seu arithmeticae introductio« (Vened. 1523). Sein Zeitgenosse Jordanus Nemorarius
schrieb ein Werk über Arithmetik
, 1514 mit gotischer Schrift gedruckt; im 15. Jahrh. schrieb der Minorit Lukas Pacioli dal Borgo San Sepolcro
über Algebra und Geometrie. Im 16. Jahrh. findet sich das langgeschätzte klassische
Werk des Adam Riese, wo noch mit Linien Proportionen durchgeführt werden.
Auch Kettenregel und Gesellschaftsrechnung finden sich schon in dieser Zeit vor;
letztere lehrte (1527-40) Peter Apianus. Im 17. Jahrh.
wurden die Logarithmen erfunden, der letzte epochemachende Fortschritt in der gemeinen Arithmetik.
Als tüchtige Rechner
aus diesem Jahrhundert sind zu nennen: Neper, Briggs, Vlacq;
von ihnen haben wir Rechenstäbe, Logarithmen- und Sinustafeln;
Fermat in Frankreich beschäftigte sich mit den Eigentümlichkeiten der Zahlen.
Hier tritt die Analysis helfend
ein, und nun gewinnt die Rechenkunst immer größere Allgemeinheit in der Behandlung. Die Geschichte der Arithmetik
fällt von da
ab mit der der Analysis (s. d.) zusammen.