Arie
(ital.
Aria, franz. und engl.
Air), im allgemeinen eine singbare
Melodie von abgeschlossener Form. Das französische
Wort air wird ebenso für Vokalstücke verschiedenen
Genres wie für Instrumentalstücke gebraucht, vorausgesetzt nur, daß
deren Hauptgehalt eine schöne
Melodie ist. Diese Bedeutung hatte im 17.-18. Jahrh. das
Wort Arie
überall,
und man sprach daher ebensowohl von
Spielarien
wie von Gesangsarien. Im
Deutschen versteht man heute unter Arie
nur noch ausgeführtere
Sologesangstücke mit Orchesterbegleitung, mögen dieselben Bruchstücke einer
Oper,
Kantate oder eines
Oratoriums oder für
den Konzertvortrag bestimmte Einzelwerke (Konzertarien
) sein.
Von der
Ballade, welche ebenfalls mit Orchesterbegleitung vorkommt, unterscheidet sich die Arie
dadurch,
daß sie lyrisch ist, d. h.
Empfindungen in der ersten
Person schildert, während jene erzählt (episch-lyrisch); vom
Lied,
mit dem die Arie
, wenn das
Orchester durch
Klavier ersetzt wird, sehr nahe zusammenfällt (besonders wenn sie nur kurz ist),
unterscheidet sie sich dadurch, daß letzteres nur eine ganz allgemeine
Stimmung ausdrückt, die Arie
dagegen
den Gefühlszustand einer bestimmten
Person, wie er sich infolge gewisser (bei der detachierten, d. h. isolierten, für sich
bestehenden, Konzertarie
nur vorausgesetzter) Vorgänge fixiert hatte.
Reflexerscheinungen -

* 2
Reflexion.
Der
Ausdruck kann sich bis zum Hochdramatischen steigern, wenn die
Rede aus der einfachen Schilderung und
Reflexion
[* 2] zur
Form der Anrede übergeht. Es gibt daher Arien
, welche in
Musik gesetzte
Monologe sind, während andre sich als Teile einer
großen Ensembleszene darstellen. Eine besondere
Gruppe bilden die geistlichen Arien
(Kirchenarie, aria da chiesa), die entweder
Gebete oder andächtige Betrachtungen sind und die verschiedenartigsten
Stimmungen zum
Ausdruck bringen können
(Zerknirschung,
Angst, Dank,
Freude etc.). Zu einer feststehenden Kunstform von hoher Bedeutung hat sich die Arie
entwickelt
in der sogen.
Großen oder Dakapo-Arie
, welche zuerst von Arie
Scarlatti (in der
Oper »Teodora« 1693) eingeführt wurde.
Dieselbe besteht aus zwei Hauptteilen, die der Stimmung, Bewegungsart und der gesamten künstlerischen Behandlung nach gegeneinander kontrastieren. Der erste Teil gibt dem Sänger Gelegenheit zur Entfaltung seiner Kehlfertigkeit, ist reich an Textwiederholungen und verarbeitet sein Thema in reichem Maß, während der zweite Teil im Gesangspart ruhiger gehalten ist und dafür reichere harmonische und kontrapunktische Mittel entfaltet; dem zweiten Teil folgt dann das Dakapo, d. h. die getreue, nur vom Sänger durch reichere Verzierungen ausgestattete Wiederholung des ersten Teils.
Die durch die wachsende Anforderungen immer mehr gesteigerten Virtuosenleistungen der
Sänger wurden in der italienischen
Oper derart Hauptsache, daß die
Komponisten in erster
Linie daran denken mußten, für die
Sänger dankbare und brillante Nummern
zu schreiben; so entwickelte sich die
Grosse zur Koloraturarie
oder Bravourarie. Die Dakapo-Arie blühte
bis gegen Ende des 18. Jahrh.; jetzt ist sie außer
Gebrauch gekommen und hat einer freiern, vielgestaltigen Behandlung der
Arie
Platz gemacht.
Das notengetreue Dakapo ist als undramatisch aufgegeben, und die thematische
Gliederung der Arie
hängt von den Erfordernissen
des
Textes ab, so daß sie öfters rondoartig angelegt ist oder einen Allegrosatz durch zwei langsamere
einschließt etc. Einige besondere
Arten der Arie
sind noch: die konzertierende in welcher neben der
Singstimme, gleichsam wetteifernd
mit ihr, ein
Instrument obligat auftritt (bei
Bach,
Mozart,
Meyerbeer etc.);
die kontrapunktische Arie
(bei
Bach
und
Händel), in welcher die
Singstimme an dem kontrapunktischen
Gewebe der
[* 3]
Musik teilnimmt;
die sogen. Parlando-Arie in komischen Opern bei Rossini etc., in welcher der syllabische Gesang vorherrscht.
Ariége - Aries

* 4
Seite 1.807. Arien
kleinern
Umfangs, die dem
Lied sehr nahestehen und,
wo die Orchesterbegleitung durch Klavierbegleitung ersetzt ist (wie es
¶
mehr
beim Vortrag im Salon stets zu geschehen pflegt), formellen Unterschieds vom Lied gänzlich entbehren, heißen Kavatinen, Arietten oder auch wirklich Lieder (Kouplet, Kanzone). Die ästhetische Bedeutung der Arie im musikalischen Drama (Oper) ist ein Stillstehen der Handlung zu gunsten der breitern Entfaltung eines lyrischen Moments; Wagner und seine Anhänger halten ein solches für unberechtigt und stilwidrig, während eine andre starke Partei die Arie gerade für die schönste Blüte [* 5] der dramatischen Musik ansieht. Es sind dies Prinzipienfragen, in denen nicht eine Verständigung, sondern nur Parteinahme möglich ist. Die lediglich zu gunsten des Virtuosentums geschaffene Bravourarie ist freilich ein ästhetisch verwerfliches Ding; doch ist wohl zwischen ihr und der großen Arie des Fidelio ein Unterschied, groß genug, um zu gestatten, daß die Verächter jener Verehrer dieser sind.