Argos
(Argolis, Argeia),
Landschaft des
Peloponnes, begriff ursprünglich nur das Gebiet der Stadt
Argos
, die rings von
Bergen
[* 2] umgebene Thalebene des
Inachos; später, namentlich unter römischer Herrschaft, verstand man darunter
auch die im
Vorgebirge Skylläon auslaufende
Halbinsel zwischen dem Saronischen und Argolischen
Meerbusen. Argos
ist der am reichsten
gegliederte Teil des ganzen
Peloponnes mit sehr zerklüfteter
Küste und zahlreichen vorgelagerten
Inseln.
Schlangen I

* 3
Schlange.
Als die bedeutendsten
Berge sind zu nennen: der Kreion (jetzt Ktenia, 1600 m),
Artemision (Malevo, 1772
m)
und Lyrkeion (1848 m) im W., die
Berge gegen
Phlius (Megalo Vuno, 1270
m) und
Kleonä im N., der Arachnäon (Arna, 1199 m) im
O. Küstenebenen finden sich nur bei
Trözen und die des
Inachos bei Argos.
Die
Bewässerung des
Landes ist
eine sehr ungleiche, im ganzen äußerst dürftige; schon
Homer redet vom »vieldurstigen« Argos.
Die zahlreichen in den
Bergen entspringenden
Bäche führen nur im
Winter das Wildwasser ins
Meer, im
Sommer versiegen sie oder verschwinden bald in
Klüften, um erst unweit des
Meers wieder hervorzubrechen. So bedeuten die nachwachsenden
Häupter der lernäischen
Schlange
[* 3] solche wieder hervorbrechende
Quellen, welche bei
Lerna in der südwestlichen
Ecke der
Ebene von Argos
Sümpfe bildeten,
die
Herakles,
[* 4] der
Repräsentant vordringender
Kultur, lange vergeblich zu bewältigen strebte.
Argos

* 12
Seite 1.801.
Auch die beiden Hauptflüsse, der
Inachos (Panitsa) und sein Zufluß Charadros (Xerias), sind die meiste
Zeit des
Jahrs trocken.
Zisternen mußten schon im
Altertum dem Wassermangel steuern. Trotzdem lieferte die Küstenebene von
Argos
Getreide
[* 5] in Überfluß; sie ist auch heute noch, wiewohl teilweise versumpft, fast die einzige für
Ackerbau verwendete
Gegend in Argos
In den gebirgigen Teilen wurde starke
Viehzucht,
[* 6] auch
Bergbau
[* 7] auf
Kupfer
[* 8] getrieben. Ausgezeichnet
waren die argivischen
Pferde,
[* 9] schon von
Homer, später von
Strabon und noch jetzt von Reisenden gerühmt. Vor allem aber wurden
Handel und
Schiffahrt durch die zahlreichen
Buchten und trefflichen Ankerplätze begünstigt,
und sie stehen heute noch wie im
Altertum in
Blüte.
[* 10] Als älteste Bewohner werden
Pelasger und
Danaer genannt, Einwanderer aus
Syrien und
Ägypten,
[* 11] welche später durch Griechen
(Achäer von N., dann
Dorier von S. her) verdrängt werden. In alter Zeit
gab es in Argos
fast so
viele
Staaten wie
Städte. Von letztern sind
¶
mehr
zu nennen: die Stadt (s. unten) mit der Burg Larisa und dem Hafenort Nauplia;
Tiryns, schon früh zerstört;
Mykenä
[* 13] mit alter
Königsburg, von dem jüngern Argos
zerstört;
ferner die Seestädte Epidauros, Trözen und das durch seine Purpurschneckenfischerei berühmte Hermione. In religiöser Beziehung war der Hauptsitz des achäischen Kultus der Hera, [* 14] den die Dorier fortsetzten.
Lager (militärisch)

* 16
Lager.
Zwischen Mykenä und Argos
lag das Heräon, eins der ersten Heiligtümer Griechenlands. Mit der Götterverehrung
Hand
[* 15] in Hand gehend, entwickelte sich in Argos
sehr frühzeitig die bildende Kunst. Geschnitzte Herabilder, durch das nahegelegene
Heräon veranlaßt, mochten die ersten Anfänge sein. Aus ihnen erblühte um 500 v. Chr. des Ageladas Schule,
welcher die Athener Pheidias und Myron, die Argiver Aristomedon, Phradmon, Naukydes, Perikletos, Polykletos der jüngere, Antiphanes
u. a. angehörten. Auch ward in Argos
die Tonkunst eifrig gepflegt und neben ihr die Dichtkunst, worin Sakadas (um 590) und Telesilla
glänzten. Seit der Mitte des 5. Jahrh. sank das künstlerische Leben in Argos
schnell von seiner Höhe herab,
und nur die Gymnastik nahm das Volksinteresse noch in Anspruch. - Die Stadt Argos
scheint erst aus dem Lager
[* 16] der dorischen Eroberer
am Fuß der altpelasgischen Doppelburg Larisa (289 m hoch) entstanden zu sein. Nachdem sie die umliegenden, bis zu
den Perserkriegen selbständigen Städte unterworfen, stand sie an Umfang und Volkszahl im Peloponnes nur hinter Korinth
[* 17] zurück.
Die Burg Larisa im NW. der Stadt trug den Tempel
[* 18] des Zeus;
[* 19] in ihren östlichen Abhang ist das Theater
[* 20] hineingearbeitet. Östlich
davon lag die Agora mit den Tempeln des Apollon
[* 21] Lykios, des Zeus Nemeios, der Tyche,
[* 22] des Asklepios,
[* 23] den Statuen
der sieben Heerführer gegen Theben u. a.
Perseus (Sternbild, He

* 24
Perseus. Als Erbauer der Stadt Argos
und erster Herrscher daselbst wird in der Sage Inachos genannt. Die von ihm gegründete Dynastie der
Inachiden wurde durch Danaos und die Danaer entthront, welche die pelasgischen Ureinwohner unterjochten und Argos
zu
dem mächtigsten Staat Griechenlands erhoben. Seine Nachkommen Prötos und Akrisios teilten sich in das Reich; letzterer regierte
zu Argos, ersterer in dem von ihm erbauten Tiryns. Perseus,
[* 24] Enkel und Nachfolger des Akrisios, tauschte mit Megapenthes, Prötos'
Sohn, wählte aber Mykenä zu seiner Residenz.
Münzen I (Altertum)

* 26
Münzen.Zur Zeit des Trojanischen Kriegs war Diomedes, Schwiegersohn des Adrastos, König von Argos. Der Atride Orestes vereinigte das schon früher abhängige Argos mit Mykenä. Schon unter Tisamenos, des Orestes Sohn, erreichte indessen die achäisch-atridische Dynastie ihr Ende durch die »dorische Wanderung« (s. d.); Argos fiel dem Temenos zu, die Dorier wurden der mächtigste Teil der Bevölkerung [* 25] und machten Argos zu ihrer Hauptstadt. Von jetzt an herrschten hier die temenidischen Herakliden bis in die Mitte des 8. Jahrh. Der berühmteste unter den Herrschern aus diesem Haus ist Pheidon (um 670), unter dem Argos seine Glanzperiode erreichte; er unterwarf ganz Argolis und Ägina, besiegte die Spartaner bei Hysiä und entriß ihnen die Ostküste des Peloponnes, in dem er eine herrschende Stellung erlangte; er regierte unbeschränkt, weswegen er auch als Tyrann bezeichnet wird, und durchbrach die enge Abgeschlossenheit der Dorier, indem er das Land dem Handel und Verkehr öffnete und von Ägina Münzen, [* 26] Maße und Gewichte einführte.
Nach seinem Tod (660) sank die Macht von Argos bald. Mit seinem Enkel Meltas endete das Geschlecht der Temeniden; darauf standen noch längere Zeit Titularkönige aus einem andern Geschlecht an der Spitze des Staats. Mit Sparta lag von alters her in Fehde. Im J. 520 brachte der spartanische König Kleomenes den Argeiern bei Tiryns eine Niederlage bei, in dem von ihm angelegten Feuer kamen 6000 in den heiligen Hain von Argos geflüchtete Bürger um. Aus Haß gegen Sparta schloß sich in den Perserkriegen den Persern, 461 den Athenern, mit denen es 418 die Niederlage bei Mantineia erlitt, endlich den Thebanern an. Zugleich aber trat infolge jener Grausamkeit der Spartaner in den innern Verhältnissen von Argos eine gänzliche Umgestaltung ein. Da durch jene Katastrophe der größte Teil der waffenfähigen Staatsbürger umgekommen war, so setzten sich die Leibeignen (Gymnesier) in den Besitz der Stadt, die zwar später von den inzwischen herangewachsenen Söhnen der Erschlagenen bezwungen wurden, aber von den Altbürgern in ihrer Mitte geduldet werden mußten.
Bald darauf zwang man auch die Bewohner der benachbarten unabhängigen Städte Tiryns, Mykenä, Hysiä, Orneä und Midea, nach Argos überzusiedeln. Durch diese Neubürger, denen die vollen Rechte der alten eingeräumt wurden, ward das Leben der herabgekommenen Stadt neu gekräftigt, Kunstfleiß und Wohlstand blühten wieder auf. Die wichtigste Folge jener Einbürgerungen war indes das Verschwinden des alten Dorismus und damit das Erlöschen der ohnedies zum Schattenbild gewordenen Königsgewalt, so daß um die Mitte des 5. Jahrh. eine vollständig ausgebildete Demokratie erscheint, die mit einigen oligarchischen Unterbrechungen bis in die spätesten Zeiten fortdauerte.
Die gräßlichsten Ausbrüche dieser Volksherrschaft erfolgten in der Schreckenszeit des sogen. Skytalismos (Stockprügelei) 370, wo das Volk mehrere Tausend angeblicher Aristokraten ermordete. Während der Oberherrschaft Makedoniens mußte Argos makedonische Besatzung einnehmen und erhielt wiederholt aus der Mitte seiner Bürger Tyrannen. Durch Aratos ward Argos 243 dem Achäischen Bund zugeführt und von der Gewaltherrschaft befreit, später jedoch von neuem, zuletzt von Nabis aus Sparta, unterworfen.
Athen

* 27
Athen.Mit dem Achäischen Bund kam es 146 unter römische Herrschaft. Im Mittelalter gehörte Argos zum Herzogtum Athen; [* 27] 1383 kam die Stadt durch Kauf an Venedig; [* 28] 1397 ward sie von den Türken erobert und geplündert, und 1463 fiel sie abermals in deren Hände. Ihre Wiederbesetzung durch den venezianischen General Morosini 1686 war von keiner langen Dauer; die Venezianer mußten sie 1716 für immer räumen.
Vgl. Curtius, Peloponnes, Bd. 2 (Gotha [* 29] 1852);
Bursian, Geographie von Griechenland, [* 30] Bd. 2 (Leipz. 1868).
Argos - Argument

* 32
Seite 1.802.Im heutigen Königreich Griechenland bildet Argos mit Korinth eine der 13 Nomarchien, 4942 qkm (nach Strelbitskys Berechnung 5244 qkm = 95,2 QM.) groß mit (1879) 136,081 (1870: 127,820) Einw. und in 6 Eparchien zerfallend, von denen die der Hauptstadt. Argos, Nauplia, Spetza-Hermionis und Hydra-Trizinia sich mit der alten Landschaft Argos decken. Außerdem gehört dazu die Insel Cerigo (s. d.). Die gleichnamige Hauptstadt, ein lebhafter und freundlicher Ort mit (1879) 9861 Einw., füllt trotz ihrer weitläufigen Bauart kaum die Hälfte vom Raum der alten, tief verschütteten Stadt aus. Auf und an dem Kegelberg der Larisa, welcher die Akropolis [* 31] bildete (s. oben), finden sich noch bedeutende Reste des Altertums erhalten: eine Burg mit zinnengesäumten Mauern, welche neben jüngern auch alte Mauerteile, aus polygonen Werkstücken zusammengesetzt, ¶
mehr
aufweist, cyklopische Mauern, etwa 20 Sitzreihen des Theaters u. a.