Argonauten
,
in der griech. Sage die nach ihrem Schiffe [* 2] Argo benannten Heroen, die unter Jasons Führung die erste Seefahrt unternahmen, um aus Kolchis das Goldene Vließ zu holen. Schon in der Odyssee wird die Argo erwähnt; aber obgleich dieser Stoff in der epischen Dichtung und im Drama behandelt wurde, so wurde er doch erst in alexandrinischer Zeit von Apollonius (s. d.) von Rhodus zu einem umfassenden Epos verarbeitet, dem in der röm. Litteratur die «Argonautica» des Valerius Flaccus, ¶
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in der byzantinischen das unter dem Namen des Orpheus [* 4] erhaltene Epos folgten. Die gewöhnliche Überlieferung ist folgende: Iason erhielt von seinem Oheim Pelias, dem König von Iolkos, den Auftrag, das Goldene Vließ aus Kolchis zu holen, wo es im Haine des Ares [* 5] von einem schlaflosen Drachen bewacht wurde. Das Schiff, [* 6] unter der Leitung der Göttin Athene [* 7] von Argos, dem Sohne des Phrixos, gebaut, nahm die berühmtesten Helden der Zeit auf (als Fünfzigruderer 50) und führte sie unter mannigfachen Abenteuern (Aufenthalt bei den männermordenden Lemnierinnen, Befreiung des Phineus von den Harpyen, Fahrt durch die Symplegaden) an die Mündung des Phasis im kolchischen Lande.
Der König Aietes versprach dem Iason das Vließ zu geben unter der Bedingung, daß er zwei feuerschnaubende Stiere mit ehernen Füßen vor den Pflug [* 8] spanne und dann die von Kadmos (s. d.) in Theben übriggelassenen Drachenzähne, die Aietes von Athene bekommen hatte, aussäe. Der Held löste die Aufgabe mit Hilfe der Tochter des Aietes, Medeia. Sie gab ihm ein Zaubermittel gegen Feuer und Eisen [* 9] und belehrte ihn, wie er durch einen Steinwurf unter die aus den Drachenzähnen entsprossenden Krieger diese untereinander entzweien und bewältigen könne.
Als dann Aietes darauf sann, die Argonauten
zu töten, eilten Iason und Medeia bei Nacht in den Hain des Ares, und
nachdem Medeia den Drachen durch ein Zaubermittel eingeschläfert hatte, bemächtigte sich Iason des Vließes. Hierauf bestiegen
die Argonauten
eilends das Schiff und segelten davon; durch die hinterlistige Ermordung des Absyrtos (s. d.) entzogen sie sich der
Verfolgung. Die Rückfahrt wird sehr verschieden erzählt: nach älterer Sage fuhren sie denselben Weg
zurück oder gelangten durch den Phasis in den Okeanos, von da nach Libyen und, nachdem sie die Argo zwölf Tage über Land getragen,
ins Mittelmeer und nach Iolkos.
Nach Apollonius dagegen fuhren die den Ister (Donau) hinauf, der nach alexandrinischer Vorstellung vom rhipäischen
Gebirge nach zwei Seiten dem Schwarzen und dem Adriatischen Meere zufließt und gelangten auf diesem Wege an die illyrische Küste,
von dort durch den Eridanos (Po?) und die Rhône an die Westküste Italiens
[* 10] und über Kerkyra, wo Iason und Medeia Hochzeit hielten,
nach Libyen und zu Land zum Tritonischen See, erst von da über Kreta und Ägina in die Heimat zurück. –
Die Argonautensage
, die bei den nördlich und südlich vom Öta wohnenden Minyern entstanden zu sein scheint (vgl. K. O. Müller,
Orchomenos, Bresl. 1820; 2. Aufl. 1844), geht wahrscheinlich auf
die Vorstellung zurück, daß der Heilbringer Jason dem unter der Sonnenhitze verdorrenden Lande die regenspendende
Wolke (unter dem Bilde des Widderfells oft gedacht) aus dem glücklichen Lande, das in der ältesten Sage Aia (s. d.) hieß und
nach dem fernen Osten versetzt wurde, zurückbringt. Als die Naturbedeutung verloren ging, wurde das Vließ zum klassischen
Gral und der Stoff durch Aufnahme zahlreicher Orts- und Stammessagen vermehrt; allenthalben an den Küsten
des Mittelmeers
[* 11] suchte man später Erinnerungen an die Argofahrt. Von erhaltenen Kunstwerken ist die Darstellung aus der Argonautensage
auf der sog. Ficoronischen Ciste (s. d.) hervorzuheben. (S. Iason.)