Arglist.
Personen, welche einen Vertrag miteinander abschließen, sollen bei dem Abschluß, und wenn sie denselben abgeschlossen haben, bei dessen Erfüllung und bei Ausübung ihrer Rechte aus dem die Personen verbindenden Verhältnis redlich verfahren. Jedes Verhalten, welches Treu und Glauben widerspricht, auch wenn es nicht auf einen offenbaren Betrug hinausläuft, giebt dem andern Teil Grund zu einer Einrede (der exceptio doli) oder einen Schadenersatzanspruch. Dabei versteht es sich von selbst, daß jede Partei erlaubte Vorteile für sich suchen darf. Der Verkäufer, der Vermieter sucht den höchsten Preis zu erlangen; er handelt nicht schon um deswillen arglistig, weil er dem Käufer oder Mieter die ihm bekannte Konjunktur des Marktes verschweigt. Aber sie handeln arglistig, wenn sie ihnen bekannte Mängel der von ihnen zu verkaufenden oder zu vermietenden Sache verschweigen.
Außerhalb eines Vertragsverhältnisses erzeugt arglistiges Verhalten selbständige Schadenersatzansprüche. Man begreift hier unter Arglist jedes vorsätzliche widerrechtliche Verhalten oder jedes bewußt widerrechtliche Verhalten, welches einen andern beschädigt. Die Gesetzgebungen sind in Begründung dieses Anspruchs verschiedene Wege gegangen. Wie das Strafrecht eine Anzahl verschiedener Verbrechen und Vergehen aufstellt, so hat das Gemeine Recht eine Anzahl selbständiger Privatdelikte aufgestellt, aus denen bei vorsätzlicher Rechtsverletzung oder bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Verletzung ein Anspruch auf Wiederherstellung des frühern Zustandes erwächst: Entwendung (furtum), Gewalt (vis) und Bedrohung (actio quod metus causa), Beleidigung und üble Nachrede (Injurien), Benachteiligung der Gläubiger durch arglistige Veräußerungen (actio Pauliana), vorsätzliche oder fahrlässige Sachbeschädigung (actio legis Aquiliae).
Daneben ist dann für die Fälle, weiche nicht unter ein derartiges Specialdelikt fallen, ein subsidiärer Anspruch auf Schadenersatz wegen vorsätzlicher oder wissentlicher Beschädigung (actio doli) gestellt. Ähnlich ist das Sächs. Bürgerl. Gesetzbuch vorgegangen (widerrechtliche Schadenzufügung durch Körperverletzung oder Sachbeschädigung, Beraubung der persönlichen Freiheit, Entwendung, verletzende Nachrede, Gewalt und Drohung, Betrug und Arglist, Verletzung besonderer Berufspflichten). Statt dessen stellt der Code civil Art. 1382 den allgemeinen Grundsatz auf: Jede
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Handlung eines Menschen, durch welche einem andern Schaden verursacht wird, verpflichtet den, durch dessen Schuld der Schaden eingetreten ist, zum Ersatz. Zur Schuld wird auch die Fahrlässigkeit gerechnet. Ähnliche allgemeine Vorschriften hat das Preuß. Allg. Landr. I, 6, §§. 10 fg. gegeben, nur wird für die Fälle eines mäßigen und geringen Versehens eine weniger umfassende Ersatzpflicht geordnet. Das Österr. Bürgert. Gesetzb. §. 1295 hat ebenso den allgemeinen Satz: Jedermann ist berechtigt, von dem Beschädiger den Ersatz des Schadens zu fordern, welchen dieser ihm aus Verschulden zugefügt hat;
der Schaden mag durch Übertretung einer Vertragspflicht oder ohne Beziehung auf einen Vertrag verursacht sein.
Ähnlich wie im Preuß. Allg. Landrecht wird dann bezüglich des Umfangs des Schadens zwischen böser Absicht und auffallender Sorglosigkeit (grobes Versehen, culpa lata), welche zur vollen Genugthuung verpflichten, und einem geringen Versehen (§. 1324) unterschieden. Sodann wird aber die Ersatzpflicht für besondere Fälle geordnet (Körperverletzung oder Tötung, Freiheitsentziehung, Ehrverletzung, Haftung der Beamten). Die Anordnungen des Deutschen Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs sind folgende: Nach §. 746 ist derjenige, welcher vorsätzlich oder fahrlässig (d. h. unter Außerachtlassung der im Verkehr üblichen Sorgfalt) ein Recht eines andern widerrechtlich verletzt, oder wer gegen ein den Schutz eines andern bezweckendes Gesetz verstoßt, zum Ersatz des dadurch verursachten Schadens verpflichtet.
Ist nach dem Inhalte des Gesetzes ein Verstoß gegen dasselbe auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur bei Verschulden ein. Die Schadenersatzpflicht wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß die schädigende Handlung im Notstand begangen worden ist. Es folgen dann Anordnungen für einzelne Fälle (üble Nachrede, Freiheitsentziehung, Haftung für den Vertreter n. s. w.) in §§. 747 fg. Die Verpflichtung zum Schadenersatz wegen einer gegen die Person gerichteten unerlaubten Handlung erstreckt sich auf die Nachteile, welche die Handlung für den Erwerb oder das Fortkommen des Verletzten herbeiführt (§. 765; bezüglich Körperverletzung, Tötung §§. 766 fg.).
Daß jemand vorsätzlich oder bewußt einen Schaden in Ausübung eines Rechts zufügt, schließt die Widerrechtlichkeit der Schadenzufügung und deshalb auch den Ersatzanspruch noch nicht aus. Anders, wenn das dem Schadenstifter zustehende Recht die Befugnis giebt so zu handeln, obschon dadurch einem Dritten ein Schaden erwächst. Das ist der Fall beim freien Wettbewerb im Gewerbebetrieb, nur sollte derselbe nicht dahin ausarten, daß Anstand und gute Sitten verletzt werden.
Die Franzosen geben wegen eines solchen Gebarens (concurrence déloyale) einen Schadenersatzanspruch. Dem deutschen Gewerbebetrieb erwächst aus dem Mangel einer entsprechenden gesetzlichen Vorschrift ein schwerer Nachteil. Ihm will der Deutsche Entwurf §. 749 abhelfen: «Wer durch eine Handlung, die er nicht in Ausübung eines ihm zustehenden Rechts vornimmt, in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem andern vorsätzlich Schaden zufügt, ist schadenersatzpflichtig».
Darüber hinaus wurde auf Anregung des Reichstags Mai 1895 dem Bundesrat ein besonderer Gesetzentwurf zur Bekämpfung des unlautern Wettbewerbs vorgelegt. (S. im übrigen Schadenersatz.) Der Ausschluß einer Haftung für Arglist kann im voraus nicht ausbedungen werden, das pactum ne dolus praestetur ist nichtig. Dagegen hebt die Einwilligung in eine bestimmte Handlung, auch wenn dieselbe den Einwilligenden schädigt, den Begriff der Widersetzlichkeit auf, volenti non fit injuria.