Obwohl auf der Mehrzahl der Karten
la Reuse geschrieben, scheint der richtige Name des Flusses Areuse zu sein und nach Gatschet's
Forschungen vom mittellateinischen arrogium = Wasserlauf (vergl. span. arroyo) herzustammen. Diese Annahme bestätigen die
Form Arousa alter Urkunden sowie die Ortsnamen Areuse
(Weiler; s. den vorhergeh. Art.) und
Pontareuse
(PonteArousa).
Nach der
Broye und
Zihl ist die Areuse der drittgrösste Zufluss zum
Neuenburgersee; seine Länge beträgt 25 km,
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Die Areuse entspringt
zuhinterst im Circus von Saint-Sulpice, einem prachtvollen kreisrunden Erosionskessel, der mitten aus
einer Antiklinale ausgespühlt worden ist und das Malmgewölbe bis zum Argovien^[Berichtigung: Oxford] hinunter entblösst
zeigt. Die Kalkmergel des letztern werden zur Zementfabrikation lebhaft ausgebeutet. Die am Fusse hoher Felsen in grossartiger
landschaftlicher Lage zu Tage tretende Quelle des Flusses (la Doux geheissen) ist ein schönes Beispiel einer sogenannten
Stromquelle (source vauclusienne oder doue Desors) und durch ihre starke Wassermasse bemerkenswert, die
dem Flusse erlaubt, schon nach 50 Metern eine Holzpflasterfabrik zu treiben.
Der Ertrag der Quelle ist grossen Schwankungen unterworfen und kann beispielsweise in einem Zeitraume von 36 Stunden von 500 bis 50000 Sekundenliter,
also im Verhältnis von 1:100, anschwellen. Im Allgemeinen lässt sich feststellen, dass die mittlere
Wassermasse der Quelle während drei Monaten geringer als 2 m3, während sechs Monaten gleich 2 m3 und während der
übrigen drei Monate 5-100 m3 ist. Wie die Noiraigue die Regenwasser der Vallée des Ponts, die Serrières diejenigen des
Val-de-Ruz und die Orbe die des Beckens des Lac de Joux sammeln, wird auch die Quelle der Areuse von den
Hydrometeoren dreier verschiedener Becken gespeist: der Vallée de la Brévine (deren Wasser erst nach 12 Tagen in der Areusequelle
ausfliessen), des Lac des Taillandières und des Thales von Verrières (östliche Hälfte). Alle diese Wassermassen
vereinigen sich unterirdisch an einem Punkte, dessen Lage zwar nicht genau bestimmt werden kann, der aber doch unweit vom
Austritt der Quelle
liegen muss.
Nach 2 km langem Laufe in ö. Richtung tritt die Areuse aus dem malerischen Doppelcircus von Saint-Sulpice in das Synklinale
Val-de-Travers ein, dessen Thalweg sie in wenig gewundenem Lauf 14 km weit nach NO. folgt. Beim Vanil, zwischen
Travers und Noiraigue, verlässt sie die Synklinale und wendet sich nordwärts einem neuem Circus zu, der die Antiklinale bis
zum Bathonien (im Dogger) entblösst zeigt und eine Wiederholung desjenigen von Saint-Sulpice ist. Das in seiner
Achse gelegene Dorf Noiraigue mit seinen Zementfabriken ist weitherum bekannt.
Zwischen dem Furcil und Saut-de-Brot drängt eine riesige Thalsperre die Areuse von neuem nach Norden, indem sich hier ihrem
Laufe die von einer vom Neuenburgersee her durch die Gorges de l'Areuse ins Val-de-Travers gedrungenen Abzweigung des diluvialen
Rhonegletschers abgelagerten Moränen und der Schutt eines zur gleichen Zeit am Creux du Van stattgefundenen
Bergsturzes in den Weg legen. Diese Thalsperre hat das heutige Val-de-Travers einst in einen See umgewandelt, der bis Longeaigues
und Saint-Sulpice gereicht und dessen Spiegel mindestens 800 m hoch gelegen haben muss, wie zahlreiche 70-80 m über dem
heutigen Thalboden auftretende Deltaablagerungen beweisen.
Während die unterirdischen Wasser des Beckens von Noiraigue noch unter dem Moränen- und Bergsturzschutt durch dem alten Flusslaufe
folgen und oberhalb des Champ du Moulin als Quellen zu Tage treten, hat sich die abgelenkte Areuse ihr neues Bett in höherem
Niveau im anstehenden Fels, dem Malm des Südschenkels der Antiklinale, graben müssen. Aus diesem Engpass
des Saut-de-Brot kehrt die Areuse wieder in die Synklinale des Val-de-Travers zurück, das hier gleichsam nach oben abgesperrt
und stark eingeengt erscheint und den malerischen Kessel des Champ du Moulin, ein
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mehr
sehr beliebtes Ausflugsziel, bildet. Hier, in der Combe de la Verrière, hat wiederum eine Moräne zusammen mit Bergsturzmaterial
das alte Bett des Flusses abgedämmt, der dadurch zum Austritt aus der Combe und zum Graben eines neuen Bettes in der Synklinale
gezwungen worden ist und jetzt im Bogen den Crêt deCuchemanteau umfliesst. Ca. 4 km weit, bis zur Combe aux
Epines, folgt die Areuse dem engen und malerischen Thalstück des Champ du Moulin, um dann aus der Synklinale und zugleich
aus dem Gebirge durch eine Querschlucht oder Kluse, die Gorges de l'Areuse, in die Ebene des Neuenburgersees auszutreten. In
diesem Durchbruch schneidet der Fluss die verschiedensten Schichten an, vom obern Jura hinunter bis zum Urgon.
Daher der beständige Wechsel der Scenerie (bald weite Bucht, bald enge Schlucht), der diesem Teile des Flusslaufes seinen wilden
und unregelmässigen Charakter verleiht und ihn für lange Zeit als völlig unzugänglich erscheinen liess. Heute
sind die Gorges de l'Areuse zu einem der lehrreichsten Ausflugsziele geworden, seit vor einigen Jahren hochherzige Private
und eine gemeinnützige Vereinigung von Bürgern durch die malerischen und wilden SchluchtenWege hat anlegen lassen und unterhält,
die sich dem Flusse entlang winden und die Gorges mit den Eisenbahnstationen Boudry, Chambrelien und Noiraigue
verbinden.
Die äussersten Schichten des Gebirges sind hier zugleich die widerstandsfähigsten, kompakte Kalke des untern Valangien,
obern Hauterivien und des Urgons. Daher ist die Schlucht gerade an ihrer Ausmündung derart eingeengt, dass man sagen möchte,
die Areuse sei hier doppelt ungeduldig und habe es
doppelt eilig, aus dem Gebirge herauszukommen und
durch die recenteren Ablagerungen des Tertiärs und Quartärs hindurch die Ebene und den Neuenburgersee zu gewinnen. Hier haben
wir keine Schlucht mehr, sondern ein breites Flussthal, eingeschnitten in die mit Moränen alpinen und jurassischen Ursprungs
überführte weite dreieckige Molasseebene zwischen Bevaix, Boudry und Colombier. Unterhalb Boudry endlich
fliesst die Areuse durch ihre eigenen Deltaablagerungen, eine einheitliche gartenartige Ebene, die Prés d'Areuse.
Zu verschiedenen Malen sind an der Areuse wichtige Verbauungen vorgenommen worden, die ihren Lauf und ihre Wasserführung
corrigieren und regelmässiger zu gestalten und die verderblichen und häufigen Ueberschwemmungen abwenden sollten. Schon
die Regierung des Fürstentums Neuenburg
liess 1815 den Flusslauf durch Konrad Escher von der Linth studieren.
Um die Wiederholung solcher verderblichen Ueberschwemmungen zu verunmöglichen, wie sie 1877 und besonders 1897 sich ereignet
hatten, sind noch in den letztvergangenen Jahren umfangreiche Schutzbauten ausgeführt worden (z. B. bei der Fabrik in Boudry).
Lange Zeit ist die durch die grosse Wasserführung und besonders das starke Gefälle der Areuse zwischen
Noiraigue und Boudry erzeugte mechanische Kraft unbenützt geblieben. Erst seit 1895 sind am Flusse Werke entstanden, die Licht
und Elektrizität in Ueberfluss liefern, und heute wird die ganze Wasserkraft der Areuse zu industriellen Zwecken ausgebeutet.
Die Gemeinden im Val-de-Travers (Noiraigue, Travers, Couvet und Fleurier) verwerten den ersten Abschnitt mit 17 m
Fall und durchschnittlich 3 m3¶